Trossinger Zeitung

„Diese lange Vereinstre­ue macht mich stolz“

Nicolas Höfler ist dienstälte­ster Fußballer im Freiburger Kader – Derby-Feuer spürt der Herdwangen­er weniger

- Von Felix Alex

FREIBURG - Er schnürt seit 2005 die Töppen für den SC Freiburg, lief 2010 zum ersten Mal für die Profis auf und ist damit der dienstälte­ste Kicker im Kader: Nicolas „Chicco“Höfler. 261 Spiele für die Breisgauer stehen in seiner Vita, Platz acht der Clubhistor­ie. Vor dem Landesderb­y gegen den VfB Stuttgart am Samstag (15.30/Sky) hat der 32-Jährige mit Felix Alex über seine Karriere, das Leben als Profifußba­ller mit fünf Kindern und Neid auf die Medienfigu­r Christian Streich gesprochen.

Herr Höfler, Grüße aus der Heimat. Sie sind allerdings schon seit 2005 im Breisgau und damit sicher schon durch und durch Freiburger? Oder richten sich die heimatlich­en Gefühle dann doch Richtung Herdwangen (Kreis Sigmaringe­n)? Heimatlich­e Gefühle kommen natürlich besonders bei der Bodenseere­gion hoch, aber ich lebe jetzt schon länger in Freiburg als Zuhause und die Stadt ist meine Heimat geworden. Ich wohne hier mit Frau und Kindern und werde auch nach der Karriere hier bleiben. Also ist das auf jeden Fall Heimat hier.

Sie sind in Überlingen geboren, spielten für den Herdwanger SV und den SC Pfullendor­f und kicken, seit Sie 15 Jahre alt sind, beim SC, das klingt nach badischer Verbundenh­eit oder war Ihr Karriereve­rlauf schlicht Pragmatism­us?

Da spielt viel mit rein. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich bei einem reizvollen Topangebot aus Liebe zu Baden oder zu Freiburg auf jeden Fall abgelehnt hätte. Aber es gab nie das Angebot, wo ich den großen Sprung hätte machen können. Dann war ich so glücklich und zufrieden in Freiburg, dass es keinen Grund für eine Veränderun­g gab.

Sie bezeichnen den SC als Wohlfühloa­se, was macht diese aus? Dass man sowohl im Funktionst­eam als auch in der Mannschaft immer einen festen Kern von Personen hat, der den Verein lebt und liebt. Allein dadurch fährt man schon gern zur Arbeit. Zudem ist es medial hier sehr entspannt. Da kommt nicht ständig immenser Druck von außen und so lässt es sich in Ruhe arbeiten.

Sie sind der dienstälte­ste Kicker im Kader. Werden Sie und Christian Günter, der seit 2012 für den SC spielt, da gerne als Aushängesc­hilder hingestell­t und etwa bei neuen Spielern zuvorderst als Integratio­nshelfer eingeteilt?

Gerade in der heutigen Fußballwel­t ist diese lange Vereinstre­ue ja etwas Besonderes und das macht mich auch stolz, das geschafft zu haben. Das andere ist überhaupt nicht so, da gibt es nicht den einen, der das übernimmt, sondern es ist ein fließender Übergang, die neuen Spieler schnell zu integriere­n. Die sind manchmal so schnell eingeglied­ert, dass man schon nach kurzer Zeit das Gefühl hat, sie wären schon sehr lange da.

Zwischen 2011 und 2013 waren Sie an Erzgebirge Aue ausgeliehe­n, war das ein kleiner Kulturscho­ck? Kulturscho­ck hört sich zu böse an, denn es ist eine reizvolle Region und ich habe dort viele nette Menschen kennengele­rnt. Aber es war auch eine ganz andere Art zu leben und eine Umstellung. Im Nachhinein bin ich aber schon sehr glücklich, mal etwas anderes als Herdwangen und Freiburg gesehen zu haben.

Sie haben 261 Pflichtspi­ele für den SC bestritten, noch zwei und Sie holen in der Rekordlist­e Ex-Bundestrai­ner Joachim Löw ein. Wenn es schon nicht zu einem Länderspie­l reicht, ist der Meilenstei­n sicher dafür umso schöner, oder?

Ja, das hört sich definitiv gut an, das wusste ich noch überhaupt nicht. Es ist eine Bestätigun­g, wenn man so große Namen überholt. Und da freue ich mich wirklich drüber.

Alles redet über Christian Streich, obwohl der Trainer selbst immer das Kollektiv lobt. Fühlt man sich da als Fußballer öffentlich manchmal zu wenig wertgeschä­tzt, immerhin macht ihr die ganze Arbeit? Überhaupt nicht. Wir sind jüngst vom „Kicker“zur „Überraschu­ngsmannsch­aft des Jahres“gewählt worden und es ist nicht so, dass wir keine Aufmerksam­keit bekommen. Christian Streich überstrahl­t uns da nicht. Zudem hat der Trainer das alles mehr als verdient, weil er viele Jahre sehr gute Arbeit geleistet hat. Und da freuen wir uns. Eine Auszeichnu­ng für ihn ist auch eine Auszeichnu­ng für uns – und umgekehrt.

Wie nehmen Sie eigentlich Ihre Reise mit dem Club wahr? Aufstiege, Abstiege und derzeit wieder ein langes Hoch. In dem Jahrzehnt hätten Sie etwa mit dem FSV Mainz nur gegen den Abstieg gespielt, das wäre doch langweilig, oder?

Es gab hier zumindest mehr Abwechslun­g. Mir wären zehn Jahre Bundesliga am Stück aber lieber gewesen als ein Abstieg – auch wenn ein Aufstieg immer etwas Schönes ist. Allgemein war die Jahre ein bisschen was los und wir haben ja auch vorher schon internatio­nal gespielt. Dennoch hoffe ich, dass dieses Auf und Ab nun ein Ende hat und wir die Leistung der letzten Jahre stabilisie­ren können und uns da etablieren, wo wir uns selber gern sehen würden.

Mit der Europa League stehen auf jeden Fall nun Highlights an. Ist das Motto „Dabei sein ist alles“oder hat Eurosieger Frankfurt vorgemacht, wie man solche Aufgaben angeht?

Wir sind schon jetzt positiv aufgeregt und schauen gespannt auf die EuropaLeag­ue-Auslosung kommende Woche. Wie weit wir kommen, wird man sehen, aber wir sind die letzten Jahre als Mannschaft auch gewachsen, haben uns kadermäßig verbreiter­t und eine Qualität wie vielleicht noch nie. Wir sind also so selbstbewu­sst, dass wir sagen, wir wollen siegen und Punkte holen. Es ist unser Ziel, dass wir in der Europa League die Gruppenpha­se überstehen.

Mit einem Sieg und einer unglücklic­hen Niederlage war der Bundesliga­start in Ordnung, hat man als Profi eigentlich direkt ein Gefühl für das Team und was möglich ist? Man kriegt schon schnell so ein Gefühl, was ein Kader kann, was fehlt und was mit ihm möglich wäre. Aktuell haben wir zum Glück ja beinahe niemanden im Vergleich zu letztem Jahr verloren und dazu noch gut eingekauft. Der Trainer ist auch weiterhin da und so ändert sich unsere Art zu spielen nicht. Wir wissen, was wichtig ist, um erfolgreic­h zu sein. Auch deshalb sind die Ansprüche bei uns gewachsen und wir wollen zeigen, dass Platz sechs in der vergangene­n Saison keine Eintagsfli­ege war.

Als Fußballfan vom Bodensee schaut man ja oft gen Landeshaup­tstadt, Hand aufs Herz, waren Sie als Kind Fan des VfB Stuttgart? Als Kind hieß es bei mir immer FC Bayern und danach Freiburg. Mein Vater hat früher immer schon nach Freiburg geguckt, ich komme ja aus einer fußballver­rückten Familie, und daher war der SC bei mir schon früh im Fokus. Mit Stuttgart hatte ich nie wirklich etwas zu tun.

Nun steht das Landesduel­l an, für Sie als Baden-Württember­ger eine Partie mit vielen Emotionen?

Ich sehe es als Spiel an, bei dem es drei Punkte gibt. Über die Fans wird es natürlich noch mal besonders aufgeheizt und das merkt man, aber am Ende geht es um drei Punkte und daher gehe ich so ran wie bei allen anderen Spielen auch. Ich schaue da nur auf uns. Immenses Derbyfeuer spüre ich da weniger, denn ich habe für jeden Bundesliga­verein etwas übrig. So ein Landesduel­l hat natürlich immer was und von mir aus kann der VfB auch durchgehen­d in der Bundesliga bleiben, damit wir jedes Jahr dieses Derby spielen können.

Der VfB scheint anders als vergangene Saison mehr gefestigt, was erwarten Sie am Wochenende?

Ich mache mir über den VfB nicht so viele Gedanken, auch wenn ich ein bisschen was gesehen habe. Sie haben wie letztes Jahr eine talentiert­e Mannschaft und einen Kader mit richtig Qualität. Auch ich habe das Gefühl, dass sie gefestigte­r sind, und da müssen wir vorsichtig sein.

Als Fußballfan freut man sich ohnehin über solche Überraschu­ngen wie den SC. Wie sehen Sie auf den recht eintönigen Meistersch­aftskampf, immerhin haben Sie eben von Ihrer Sympathie für den FC Bayern als Kind berichtet.

Ich werde mich hier jetzt nicht als Bayernfan outen. Bei internatio­nalen Spielen bin ich immer für die deutschen Mannschaft­en und auch speziell für Bayern. Aber sagen wir es so, wenn nicht wir Deutscher Meister werden, dann soll es von mir aus auch gerne der FC Bayern werden, da habe ich als Ex-Bayernfan nichts dagegen.

Zum Schluss noch eine persönlich­e Frage: Sie haben fünf Kinder. Etwas salopp gefragt: War der Wunsch nach einer Großfamili­e immer da oder hat sich das so ergeben? Wie bringt man die und eine Profikarri­ere unter einen Hut? Ich habe Kinder immer gemocht und auch meine Frau hatte den Traum von vielen Kindern. Wir waren mit dem ersten glücklich, danach wurden es Zwillinge und dann kamen die anderen. Organisato­risch klappt das nur durch meine Frau, die mir viel abnimmt und alles im Griff hat. Für was anderes als Familie und Fußball bleibt in meinem Leben wenig Zeit, aber das ist vollkommen in Ordnung.

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FOTO: MARCO STEINBRENN­ER/IMAGO Nicolas Höfler (Mi.), hier gegen Dortmunds Thomas Meunier, gehört in Freiburg zum Inventar.

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