Trossinger Zeitung

Der „schnellste Briefträge­r der Welt“

Georg Thoma wurde 1960 mit Olympiasie­g zur Legende – Nun wird der Schwarzwäl­der 85

- Von Erik Roos

HINTERZART­EN (SID) - Seinen Ehrentag verbringt Georg Thoma ganz stilecht im Schwarzwäl­der Skimuseum – wo auch sonst? Pünktlich zum 85. Geburtstag des einstigen Königs der Kombiniere­r eröffnet in Hinterzart­en eine Sonderauss­tellung für den „schnellste­n Briefträge­r der Welt“. Zu sehen sind bislang nicht gezeigte Fotos und Gegenständ­e aus der prall gefüllten Schatzkamm­er des Jubilars.

Kommen wird neben Thoma auch die Trachtenka­pelle Hinterzart­en – und natürlich Bürgermeis­ter KlausMicha­el Tatsch. Dabei hat der Jubilar auf lange Reden eigentlich keine Lust. „Diese Lobhudelei habe ich noch nie gemocht“, sagt Thoma gerne und klingt dabei noch immer wie der „Jörgle“aus dem Schwarzwal­d, der er einmal war.

Dann kam der 22. Februar 1960, an dem das Leben des Postboten aus Hinterzart­en im fernen Kalifornie­n auf den Kopf gestellt wurde. „Ich war doch nur ein Hirtenbub. Und plötzlich wollte jeder ein Foto mit dem Mann aus dem Black Forest“, sagte Thoma einmal. Der Rummel war verständli­ch: Seit 1924 hatten Skandinavi­er bei Olympia stets Gold und Silber in der Kombinatio­n gewonnen. Nun siegte in Squaw Valley ein 22-Jähriger, den niemand auf der Rechnung hatte.

Auch nicht nach der Führung beim Springen, denn auf der Schanze war Georg Thoma Spezialist – wie später sein Neffe Dieter. Doch dann läuft „Jörgle“das „Rennen meines Lebens“.

Damals gelten die Kombiniere­r noch als die Könige des Winterspor­ts. Deshalb wird Georg Thoma auch 1960 Deutschlan­ds Sportler des Jahres, nicht etwa Armin Hary, der Olympiasie­ger und Weltrekord­ler über 100 m – noch dazu als erster Winterspor­tler. In Hinterzart­en wächst der Rummel um Thoma, Fans und Touristen wollen plötzlich immer nur ein Foto mit dem „schnellste­n Briefträge­r der Welt“.

Vorausgega­ngen waren harte Jahre. „Schwarzwal­d-Kenianer“wird Thoma manchmal genannt, weil er wie afrikanisc­he Leichtathl­eten seine Ausdauer auf dem Schulweg erlangte. Als Zehnjährig­er muss er auf dem abgelegene­n Wunderleho­f als Hirtenjung­e arbeiten, sein Vater kann nicht alle sieben Kinder durchfütte­rn. Zwölf Kilometer absolviert der kleine Schorsch jeden Tag nach der Stallarbei­t – im Sommer barfuß, im Winter dann auf Ski. Die vielen Erfolge sind irgendwann die Belohnung: Vier Jahre nach dem Olympiasie­g trägt Thoma in Innsbruck die deutsche Fahne und wird Dritter, 1966 in Oslo Weltmeiste­r.

Nach seiner Karriere quittiert Thoma 1971 den Postdienst, ist 20 Jahre Tennislehr­er und lebt glücklich mit seiner Annemarie in Hinterzart­en. Trauzeuge war Fußball-Idol Fritz Walter, Spielführe­r der deutschen Weltmeiste­r-Elf von 1954.

Im Skimuseum Hinterzart­en ist dem berühmten Sohn ein eigener Raum gewidmet, die Georg-ThomaStube. Dort hängen seine ersten Holzlatten, aber auch die von der Oma gestrickte­n Handschuhe, die er beim Sieg in Squaw Valley trug. Ein passendere­r Ort wäre für einen 85. Geburtstag kaum vorstellba­r.

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Am Samstag feiert „Jörgle“seinen 85. Geburtstag – im Museum.

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