Trossinger Zeitung

Von Pfaffenhüt­chen und Engelstrom­peten

Die Pflanzenwe­lt steckt voller klerikaler Anleihen – Aber die Träger frommer Namen sind nicht immer heilsbring­end

- Von Alexander Brüggemann

Da ist beispielsw­eise Franziskus, er ist ein Pfirsich; weißfleisc­hig und tolerant gegen die Kräuselkra­nkheit. Dass einmal ein Papst denselben Namen tragen würde, ahnte wohl bei der Betitelung noch keiner. Auf Lateinisch heißt er auch „persische Pflaume“und gehört zur Familie der Rosengewäc­hse. Überhaupt hält die Pflanzenwe­lt allerlei kuriose Parallelen zu geistliche­n Gefäßen aus der katholisch­en Welt bereit.

Apropos Petrus-Nachfolger: Die Schlüsselb­lume (Primula officinali­s) wird auch als „Himmelssch­lüsselchen“bezeichnet. Der Legende nach soll der Apostel Petrus, der traditione­ll die Tore des Himmels bewacht, eines Tages seinen Schlüsselb­und verloren haben. Er fiel zur Erde herab und wurde dort zu einer Blume.

Was wäre Katholisch-Sein ohne Heilige? Und für die ist auch ein Kraut gewachsen: das Heiligen- oder Zypressenk­raut (Santolina chamaecypa­rissus), ein ebenso duftendes wie widerstand­sfähiges Küchengewü­rz mit kleinen gelben Blütenknöp­fen. In der Naturheilk­unde wurde es früher zur Bekämpfung von Würmern und anderen Darmparasi­ten verwendet – aber wohl ohne wirklich durchschla­gende Wirkung.

Johanniskr­aut und Johannisbe­eren (lat. ribes, österr. „Ribisel“) leiten sich wohl vor allem von ihrer Reife am Johannista­g (24. Juni) her. Das Kraut, in der Heilkunde als mildes Antidepres­sivum bekannt, wird mancherort­s zu Mittsommer in Sträußen an die Haustüre gebunden oder zu Hauskronen und Kränzen gewunden, um Unheil abzuwehren („Sonnwendbu­schen“). Die Winterkres­se dagegen wird nach der heiligen Barbara (4. Dezember) auch Barbarakra­ut genannt. Diesem Kreuzblütl­er, der auch als Salat oder Gemüse gegessen werden kann, wird eine blutreinig­ende Wirkung nachgesagt.

Nach den Heiligen käme in der Kirchenhie­rarchie jetzt wohl die Kardinals-Lobelie dran. Die Sumpfpflan­ze aus dem Norden Amerikas wächst langsam, aber beharrlich. Sie lebt übrigens zölibatär: Ihre Bestäubung erfolgt durch Vögel. Jaja, Pilze sind bekanntlic­h keine Pflanzen – aber trotzdem gibt es bei ihnen tief im Wald die höchste Weihestufe: Die Bischofsmü­tze (Gyromitra infula) gehört zu den Echten Schlauchpi­lzen – ist aber leider für den Menschen tödlich giftig.

Die Priesterpa­lme (Washington­ia) wirkt dekorativ und wächst – anders als die Priesterza­hlen – schnell.

Ab Mitte April sollte sie an der frischen Luft stehen. Sie verträgt volle Sonne, braucht aber viel Wasser. Auch das Pfaffenhüt­chen (österr. „Pfaffenkap­perl“) sieht hübsch aus; die auffällig orangerote­n Früchte dürfen aber auf keinen Fall mit ins herbstlich­e Beerenkomp­ott. Sie gewannen sogar schon einen Preis – als „Giftpflanz­e des Jahres“2006.

Den Christ- oder Weihnachts­stern aus der Familie der Wolfsmilch­gewächse kennen wir als empfindlic­hen, leuchtend roten Fensterban­kschmuck in der Adventszei­t. Weniger bekannt ist, dass die „Euphorbia pulcherrim­a“in ihrer Heimat Mittelamer­ika und den Tropen Afrikas als bis zu vier bis fünf Meter hohe Riesenbüsc­he gedeihen können. Auch die Christrose, ein früh und weiß blühender Nieswurz, der auch im Winter blüht, kann bis zu 25 Jahre alt werden.

Ein besonders ergiebiges Feld für Namensanle­ihen sind, wie so oft, die religiösen Orden: Der Mönchspfef­fer (Vitex agnus-castus) aus der Familie der Eisenkraut­gewächse etwa hat nicht nur attraktive Blüten: aufrecht buschig in Violett, Blau, Rosa oder Weiß. Er besitzt auch eine wissenscha­ftlich erwiesene Wirkung und wird vor allem in der Frauenheil­kunde eingesetzt. Schon Homers „Ilias“soll ihn als Symbol für Keuschheit und zur Abwehr gegen das Böse gekannt haben. Der deutsche Trivialnam­e Mönchspfef­fer soll sich aus seiner Verwendung in mittelalte­rlichen Klöstern erklären, wo Mönche und Nonnen ihn angeblich

Die auffallend orangerote­n Pfaffenhüt­chen sind leider giftig.

einnahmen, um ihr Keuschheit­sgelübde leichter einhalten zu können. Mönchsbart (Barba di frate) dagegen ist ein mediterran­es Frühlingsg­emüse und ähnelt dem Schnittlau­ch. Im Geschmack leicht erdig, isst man ihn roh oder gegart. Er erinnert etwas an Spinat, wird nur kurz blanchiert – so bleibt der Biss erhalten. Kulinarisc­her Tipp: Spaghetti mit Pilzen und Mönchsbart.

Die hübsche Kartäusern­elke (Dianthus carthusian­orum) wird in Österreich auch Steinnelke („Stoanagl“) genannt. Mit ihrer leuchtende­n Farbe wäre sie sicher auch als „Bischofsne­lke“durchgegan­gen. Die rankende Große Kapuzinerk­resse trägt eher Zitrustöne, gelb oder orange. Sie ist gesund und kann mit Stumpf und Stiel zu einem würzigen

Engelstrom­peten bilden auffällig große Blüten und duften auch betörend. Allerdings ist die Pflanze auch sehr giftig.

Pesto verarbeite­t werden. Und ja, die Jesuiten. Sie haben der Welt viele neue Kräuer- und Pflanzenar­ten aus ihren Missionsge­bieten mitgebrach­t: aus China, Japan, Südostasie­n und Lateinamer­ika. Da lässt der Volksmund sich nicht lumpen: der Jesuitente­e (Chenopodiu­m ambrosioid­es) ist als Epazote in Mexiko das wichtigste Gewürz der traditione­llen Küche. Durch Trocknen der Blätter entsteht ein leckeres Gewürzpulv­er.

Weniger bekömmlich ist die Ignatiusbo­hne (Strychnos ignatii) oder Brechnuss, benannt nach dem Jesuiten-Gründer Ignatius von Loyola. Der Kletterstr­auch stammt aus den Tropen Südostasie­ns und trägt orangegelb­e Früchte, die an Apfelsinen erinnern. Alle Pflanzente­ile enthalten das starke Nervengift Strychnin. Das Gegenteil bei der immergrüne­n Jesuitenri­nde, auch Jesuitenkr­aut oder Jesuitengr­as genannt. Aus der Rinde der „Cinchona officinali­s“gewannen die Ordensmänn­er im Hochland Südamerika­s eine bittere Substanz namens Jesuitenpu­lver, das gegen Fieber und Malaria half; mit viel Chinin, wie wir heute wissen.

Weniger exotisch kommt der Winterapfe­l „Karmeliter Renette“daher; in Frankreich klangvoll „Reinette des Carmes“genannt, wo er auch 1676 erstmals beschriebe­n wurde. Geschmack und Würze dieses erfolgreic­hen Tafel- und Wirtschaft­sapfels werden seit Langem schon gepriesen.

Kommen wir zu den vorletzten Dingen. Der Teufelsabb­iss (Succisa pratensis), auch Teufelwurz genannt, hat den bösen Namen von seinem Wurzelstoc­k, der am unteren Ende meist abgefault und wie abgebissen wirkt. Neben der Afrikanisc­hen Teufelskra­lle aus der Savanne gibt es – Gott sei Dank – auf der guten Seite noch den Engelwurz und die Engelstrom­pete. Letztere allerdings duftet zwar betörend und sieht mit ihren großen, kelchförmi­gen Blüten wunderschö­n aus, ist aber wegen der enthaltene­n Alkaloide für Menschen giftig.

Besser verträglic­h ist der „Paradeiser“, so heißt in Österreich das Nachtschat­tengewächs „Solanum lycopersic­um“, bei uns bekannter als: Tomate. Lange wurde sie als Liebesapfe­l, Paradiesap­fel oder auch als Goldapfel bezeichnet, und erst im 19. Jahrhunder­t etwas profaner als „Tomate“– abgeleitet vom aztekische­n „xitomatl“. Für manche allerdings immer noch ein himmlische­r Genuss.

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FOTO: IMAGO Johanniskr­aut steht um den Johannista­g herum in Blüte.
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FOTO: DPA Christrose­n blühen auch in der Weihnachts­zeit.
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FOTO: BAWA Der Brokkoli braucht manchmal etwas Geduld – und Dünger.
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