Von Pfaffenhütchen und Engelstrompeten
Die Pflanzenwelt steckt voller klerikaler Anleihen – Aber die Träger frommer Namen sind nicht immer heilsbringend
Da ist beispielsweise Franziskus, er ist ein Pfirsich; weißfleischig und tolerant gegen die Kräuselkrankheit. Dass einmal ein Papst denselben Namen tragen würde, ahnte wohl bei der Betitelung noch keiner. Auf Lateinisch heißt er auch „persische Pflaume“und gehört zur Familie der Rosengewächse. Überhaupt hält die Pflanzenwelt allerlei kuriose Parallelen zu geistlichen Gefäßen aus der katholischen Welt bereit.
Apropos Petrus-Nachfolger: Die Schlüsselblume (Primula officinalis) wird auch als „Himmelsschlüsselchen“bezeichnet. Der Legende nach soll der Apostel Petrus, der traditionell die Tore des Himmels bewacht, eines Tages seinen Schlüsselbund verloren haben. Er fiel zur Erde herab und wurde dort zu einer Blume.
Was wäre Katholisch-Sein ohne Heilige? Und für die ist auch ein Kraut gewachsen: das Heiligen- oder Zypressenkraut (Santolina chamaecyparissus), ein ebenso duftendes wie widerstandsfähiges Küchengewürz mit kleinen gelben Blütenknöpfen. In der Naturheilkunde wurde es früher zur Bekämpfung von Würmern und anderen Darmparasiten verwendet – aber wohl ohne wirklich durchschlagende Wirkung.
Johanniskraut und Johannisbeeren (lat. ribes, österr. „Ribisel“) leiten sich wohl vor allem von ihrer Reife am Johannistag (24. Juni) her. Das Kraut, in der Heilkunde als mildes Antidepressivum bekannt, wird mancherorts zu Mittsommer in Sträußen an die Haustüre gebunden oder zu Hauskronen und Kränzen gewunden, um Unheil abzuwehren („Sonnwendbuschen“). Die Winterkresse dagegen wird nach der heiligen Barbara (4. Dezember) auch Barbarakraut genannt. Diesem Kreuzblütler, der auch als Salat oder Gemüse gegessen werden kann, wird eine blutreinigende Wirkung nachgesagt.
Nach den Heiligen käme in der Kirchenhierarchie jetzt wohl die Kardinals-Lobelie dran. Die Sumpfpflanze aus dem Norden Amerikas wächst langsam, aber beharrlich. Sie lebt übrigens zölibatär: Ihre Bestäubung erfolgt durch Vögel. Jaja, Pilze sind bekanntlich keine Pflanzen – aber trotzdem gibt es bei ihnen tief im Wald die höchste Weihestufe: Die Bischofsmütze (Gyromitra infula) gehört zu den Echten Schlauchpilzen – ist aber leider für den Menschen tödlich giftig.
Die Priesterpalme (Washingtonia) wirkt dekorativ und wächst – anders als die Priesterzahlen – schnell.
Ab Mitte April sollte sie an der frischen Luft stehen. Sie verträgt volle Sonne, braucht aber viel Wasser. Auch das Pfaffenhütchen (österr. „Pfaffenkapperl“) sieht hübsch aus; die auffällig orangeroten Früchte dürfen aber auf keinen Fall mit ins herbstliche Beerenkompott. Sie gewannen sogar schon einen Preis – als „Giftpflanze des Jahres“2006.
Den Christ- oder Weihnachtsstern aus der Familie der Wolfsmilchgewächse kennen wir als empfindlichen, leuchtend roten Fensterbankschmuck in der Adventszeit. Weniger bekannt ist, dass die „Euphorbia pulcherrima“in ihrer Heimat Mittelamerika und den Tropen Afrikas als bis zu vier bis fünf Meter hohe Riesenbüsche gedeihen können. Auch die Christrose, ein früh und weiß blühender Nieswurz, der auch im Winter blüht, kann bis zu 25 Jahre alt werden.
Ein besonders ergiebiges Feld für Namensanleihen sind, wie so oft, die religiösen Orden: Der Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus) aus der Familie der Eisenkrautgewächse etwa hat nicht nur attraktive Blüten: aufrecht buschig in Violett, Blau, Rosa oder Weiß. Er besitzt auch eine wissenschaftlich erwiesene Wirkung und wird vor allem in der Frauenheilkunde eingesetzt. Schon Homers „Ilias“soll ihn als Symbol für Keuschheit und zur Abwehr gegen das Böse gekannt haben. Der deutsche Trivialname Mönchspfeffer soll sich aus seiner Verwendung in mittelalterlichen Klöstern erklären, wo Mönche und Nonnen ihn angeblich
Die auffallend orangeroten Pfaffenhütchen sind leider giftig.
einnahmen, um ihr Keuschheitsgelübde leichter einhalten zu können. Mönchsbart (Barba di frate) dagegen ist ein mediterranes Frühlingsgemüse und ähnelt dem Schnittlauch. Im Geschmack leicht erdig, isst man ihn roh oder gegart. Er erinnert etwas an Spinat, wird nur kurz blanchiert – so bleibt der Biss erhalten. Kulinarischer Tipp: Spaghetti mit Pilzen und Mönchsbart.
Die hübsche Kartäusernelke (Dianthus carthusianorum) wird in Österreich auch Steinnelke („Stoanagl“) genannt. Mit ihrer leuchtenden Farbe wäre sie sicher auch als „Bischofsnelke“durchgegangen. Die rankende Große Kapuzinerkresse trägt eher Zitrustöne, gelb oder orange. Sie ist gesund und kann mit Stumpf und Stiel zu einem würzigen
Engelstrompeten bilden auffällig große Blüten und duften auch betörend. Allerdings ist die Pflanze auch sehr giftig.
Pesto verarbeitet werden. Und ja, die Jesuiten. Sie haben der Welt viele neue Kräuer- und Pflanzenarten aus ihren Missionsgebieten mitgebracht: aus China, Japan, Südostasien und Lateinamerika. Da lässt der Volksmund sich nicht lumpen: der Jesuitentee (Chenopodium ambrosioides) ist als Epazote in Mexiko das wichtigste Gewürz der traditionellen Küche. Durch Trocknen der Blätter entsteht ein leckeres Gewürzpulver.
Weniger bekömmlich ist die Ignatiusbohne (Strychnos ignatii) oder Brechnuss, benannt nach dem Jesuiten-Gründer Ignatius von Loyola. Der Kletterstrauch stammt aus den Tropen Südostasiens und trägt orangegelbe Früchte, die an Apfelsinen erinnern. Alle Pflanzenteile enthalten das starke Nervengift Strychnin. Das Gegenteil bei der immergrünen Jesuitenrinde, auch Jesuitenkraut oder Jesuitengras genannt. Aus der Rinde der „Cinchona officinalis“gewannen die Ordensmänner im Hochland Südamerikas eine bittere Substanz namens Jesuitenpulver, das gegen Fieber und Malaria half; mit viel Chinin, wie wir heute wissen.
Weniger exotisch kommt der Winterapfel „Karmeliter Renette“daher; in Frankreich klangvoll „Reinette des Carmes“genannt, wo er auch 1676 erstmals beschrieben wurde. Geschmack und Würze dieses erfolgreichen Tafel- und Wirtschaftsapfels werden seit Langem schon gepriesen.
Kommen wir zu den vorletzten Dingen. Der Teufelsabbiss (Succisa pratensis), auch Teufelwurz genannt, hat den bösen Namen von seinem Wurzelstock, der am unteren Ende meist abgefault und wie abgebissen wirkt. Neben der Afrikanischen Teufelskralle aus der Savanne gibt es – Gott sei Dank – auf der guten Seite noch den Engelwurz und die Engelstrompete. Letztere allerdings duftet zwar betörend und sieht mit ihren großen, kelchförmigen Blüten wunderschön aus, ist aber wegen der enthaltenen Alkaloide für Menschen giftig.
Besser verträglich ist der „Paradeiser“, so heißt in Österreich das Nachtschattengewächs „Solanum lycopersicum“, bei uns bekannter als: Tomate. Lange wurde sie als Liebesapfel, Paradiesapfel oder auch als Goldapfel bezeichnet, und erst im 19. Jahrhundert etwas profaner als „Tomate“– abgeleitet vom aztekischen „xitomatl“. Für manche allerdings immer noch ein himmlischer Genuss.