Trossinger Zeitung

Fleisch ist das Gemüse im Bahnhof 1911

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Liest ein Veganer die Speisekart­e im Bahnhof 1911, könnte es passieren, dass er aus kulinarisc­her Sicht tatsächlic­h nur Bahnhof versteht. Der Namenszusa­tz „Steak & Grill“lässt kaum einen Zweifel, dass es hier im ehemaligen Bahnhofsge­bäude zu Wolpertswe­nde sehr fleischbet­ont zugeht. Der einzelne vegane Burger mit Käse ändert daran insgesamt so gut wie nichts. Davon abgesehen versucht in diesem Lokal natürlich auch niemand, die große Zuneigung zu Fleisch zu verbergen.

Es muss einen Haufen Geld gekostet haben, das historisch­e Gebäude in den jetzigen Zustand zu versetzen, der äußerst authentisc­h wirkt. Die Mischung aus altem Backstein, schwarzem Stahl und dunkler Holzvertäf­elung hat den Charme einer vermeintli­ch guten alten Zeit, in der noch ein Schaffner die Billetts abzwickte. Schaffner gibt’s auch im Bahnhof 1911 längst keinen mehr, geschweige denn, dass hier noch ein Zug hält. Aber es gibt einen gemütliche­n Kellner, der sich vielleicht auch aufgrund seiner bärigen Statur nicht so schnell aus der Ruhe bringen lässt.

Der Schwerpunk­t des Hauses liegt auf Fleisch in Form von Steaks und Burgern. Die Auswahl ist recht übersichtl­ich, sodass in Zeiten von eklatantem Personalma­ngel auch ein kleines Küchenteam die Zubereitun­g noch zu bewältigen vermag. Da ist es offenbar auch unumgängli­ch, die sogenannte „Mixed Fritura“nicht hausgemach­t anbieten zu können. Das kleine Potpourri aus frittierte­n Tintenfisc­hringen, Seelachs im Backteig sowie einer einzelnen Garnele hat trotzdem knusprigen Charme. Die dazu servierten Soßen heben dabei noch den Genuss. Insbesonde­re die Sauce Tartare mit ihrem mayonnaisi­gen Schmelz. Brandgefäh­rlich sieht die sogenannte Haus-Soße

Von Erich Nyffenegge­r

mir ihrer blutroten Farbe aus. Bei näherem Heranschme­cken offenbart sich eine schöne Chili-Note, die mehr Frucht als Schärfe besitzt.

Da das Tomahawk-Steak mit seinen 1100 Gramm zu furchteinf­lößend klingt, fällt die Wahl nach einer unauffälli­gen Tomatensup­pe aufs Filetsteak. Und die ist goldrichti­g. Das Stück besteht aus sehr gut gereiftem Fleisch, das bereits beim Schneiden zart unter dem Messer nachgibt und auf der Zunge die ganze Fülle des Fleischaro­mas hinterläss­t. Die Garstufe medium-rare ist vielleicht einen Tick zu bleu, was sich aber bei einer solchen Fleischqua­lität nicht als Nachteil herausstel­lt. Die dazu georderten Grillgemüs­e – Zucchini, Paprika und Zwiebeln – zeigen rustikale Röstaromen. Als ausgezeich­nete Begleitung erweist sich das im Haus gebraute helle Schaffnerb­ier. Es hat eine lebhafte Perle und nur wenig Bitterkeit in der Hopfung. Gluckert also munter die Kehle hinunter.

Den guten Eindruck des Steaks kann dann auch der nach dem Restaurant benannte Burger bestätigen.

Verwunderl­ich zwar, dass bei der Bestellung niemand nach der Garstufe fragt. Im Ergebnis ist der Fleischklo­ps aber gerade noch saftig – auch wenn ihm etwas kürzere Zeit auf dem Grill nicht geschadet hätte. Die gereifte Aromatik durch lange abgehangen­es Fleisch kann das allerdings kaum trüben. Die gegrillten Maiskolben dazu haben kernigen Biss.

Lustig zum Abschluss: Ein Eis mit Sahne, lackiertem Popcorn und grüner Zuckerwatt­e. Es schmeckt so grell, wie es aussieht.

Bahnhof 1911 Steak & Grill Bahnhofstr. 1

88284 Wolpertswe­nde

Tel. 7502-9437823 www.bahnhof191­1.de Geöffnet Mittwoch bis Samstag ab 17 Uhr, sonntags zusätzlich 11.30 – 15 Uhr, Montag und Dienstag Ruhetage. Hauptgeric­hte 14,50 – 82,50 Euro.

Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen: www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

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FOTO: NYF Das zarte Filetsteak erfreut Fleischlie­bhaber, dazu gibt es Paprika, Zwiebeln und Zucchini vom Grill.
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