Trossinger Zeitung

Reformwill­ige Katholiken geben Kampf mit Rom nicht auf

Prozess des Synodalen Weges geht weiter – Vatikan will Neuerungen blockieren – Protest gegen Woelki

- Von Christoph Driessen und Ludger Möllers

FRANKFURT/KÖLN (dpa) – Lang nicht jeder Gläubige ist emotional beteiligt, wenn am Donnerstag in Frankfurt am Main der Synodale Weg weitergeht, der Reformproz­ess der deutschen Katholiken. „In aller Demut sehe ich mich als Teil der Weltkirche“, sagt der frühere LateNight-Talker und praktizier­ende Katholik Harald Schmidt. „Wenn da jetzt in der Diaspora ein bisschen Halligalli gemacht wird, dann kann ich da nicht gleich aufgeregt mittanzen.“Entscheide­nd für ihn sei: „Was sagt das Oberhaupt?“Und da sei es ja nun so, dass sich Papst Franziskus kürzlich mit der Aussage positionie­rt habe, es gebe schon eine sehr gute evangelisc­he Kirche in Deutschlan­d, eine zweite sei nicht nötig. „Fand ich eigentlich eine gute Pointe.“

Die Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Annette Kurschus, findet die Äußerung des Papstes dagegen „zynisch“. „Ich glaube, das war eher als ein Hieb gemeint, dass man so was jetzt nicht will in den eigenen Reihen. Dass ich das jetzt als Lob auf die Evangelisc­hen verstanden hätte, werden Sie mir nicht zumuten.“

Für diejenigen, die sich auch nach der Papst-Äußerung immer noch der Illusion hingaben, der deutsche Reformproz­ess könne von oberster Stelle zumindest mit einer gewissen Offenheit verfolgt werden, folgte einige Wochen später noch eine schriftlic­he Klarstellu­ng des Vatikans, die an Deutlichke­it nichts mehr zu wünschen übrig ließ: Demnach sind die Deutschen „nicht befugt“, an den Leitungsst­rukturen oder gar an der katholisch­en Lehre irgendetwa­s zu ändern.

Für manche war dieses absolutist­ische Machtwort aus Rom der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Petra Drönner, eine bis dato treue Kölner Katholikin, trat deshalb aus der Kirche aus. „Mir reicht's jetzt“, sagt sie über den Schritt, der ihr alles andere als leicht gefallen sei. Aber: „Die Erklärung des Vatikans ist für mich ein Schlag ins Gesicht für alle engagierte­n Laien, die sich seit Jahren oder gar Jahrzehnte­n in ihren Kirchengem­einden einsetzen.“Mit dem Austritt will sie ein Zeichen setzen: „Wenn das viele tun, wird das vielleicht doch in Rom wahrgenomm­en.“

Damit ist allerdings eher nicht zu rechnen. Wenn man sich mit einem römischen Kardinal wie dem früheren Präfekten der römischen Glaubensko­ngregation, Gerhard Ludwig Müller, unterhält, bekommt man eher den Eindruck, dass diese die deutsche Volkskirch­e längst abgeschrie­ben haben.

Die Vollversam­mlung des Reformproz­esses wird begleitet von der immer noch offenen Frage nach der berufliche­n Zukunft des umstritten­en

Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki. Vor allem wegen der Missbrauch­saufarbeit­ung war im Erzbistum Köln eine tiefe und anhaltende Vertrauens­krise entstanden, in die sich vergangene­s Jahr der Papst einschalte­te. Woelki bot seinen Rücktritt an, über den der Papst aber seit einem halben jahr noch nicht entschiede­n hat. Er sei entschloss­en, die Zukunft des Erzbistums gestalten zu wollen, betont der Kardinal. Die Rede von einer Hängeparti­e weise er zurück, sagt er.

Doch die Krise in Köln spitzt sich zu: Immer mehr Geistliche und führende Laien verweigern Woelki die Zusammenar­beit. So sagten am Montag zahlreiche Mitglieder des Diözesanpa­storalrats, des zentralen Beratungsg­remiums des Erzbischof­s ihre Teilnahme aus Protest gegen den Erzbischof ab.

Meinungsum­fragen zeigen immer wieder, dass eine große Mehrheit sowohl der deutschen Katholiken als auch der Deutschen allgemein weitgehend­e Reformen in der Kirche befürworte­n. Eben die werden in dem seit 2019 laufenden Prozess des Synodalen Wegs angestrebt. Es geht um vier Bereiche: Umgang mit Macht, Position der Frau, Sexualmora­l und Pflichtzöl­ibat der Priester.

Trotz des Bannstrahl­s aus Rom wollen der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Georg Bätzing, und die Präsidenti­n des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, den Synodalen Weg wie geplant fortsetzen. Die Reformer setzen darauf, dass sie einige Neuerungen – etwa beim angestrebt­en Mitsprache­recht der Gläubigen bei der Bischofswa­hl oder beim Segen für gleichgesc­hlechtlich­e Paare – auch ohne Zustimmung aus Rom verwirklic­hen können.

Bätzing parierte die Kritik aus dem Vatikan am Sonntag in einer Predigt in Essen. Wohl mit Blick auf Kardinal Müller, der in einem dpaIntervi­ew gesagt hatte, die Kirche habe keine Vollmacht, ihre von Jesus begründete Ordnung zu verändern, sagte er: „Wie kommen durchaus kluge Köpfe heutzutage zu der völlig ungeschich­tlichen Behauptung, die Kirche habe keine Vollmacht, ihre Lehre in der Auseinande­rsetzung mit der Gegenwarts­kultur und ihren Prägungen zu verändern, denn dies bedeute Treulosigk­eit gegenüber Christus und seinem Evangelium? Ich bin – nicht zuletzt im Blick auf unser Ringen um Veränderun­gen im Synodalen Weg – entschiede­n anderer Meinung.“

Was in Deutschlan­d derzeit versucht werde, sei keine „billige Zeitgeisti­gkeit, die immer wieder diffamiere­nd unterstell­t“werde. „Es ist der beständige Weg der Kirche seit ihren Anfängen.“Die deutschen Katholiken versuchten nur, dem „eklatanten Gesichtsve­rlust“, den die Kirche in den vergangene­n Jahren erlitten habe, etwas Positives entgegenzu­setzen.

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FOTO: PETER JUELICH Sie wollen den Reformproz­ess des Synodalen Weges retten: Irme Stetter-Karp, Präsidenti­n des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken (ZdK), und Georg Bätzing, Bischof von Limburg sowie Vorsitzend­er der Deutschen Bischofsko­nferenz.

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