Trossinger Zeitung

Habecks große Pleite

Experten entsetzt über fehlende Strategie gegen drohende Insolvenzw­elle

- Von Hannes Koch

BERLIN - Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) steht sowieso unter Druck – wegen der teilweise vermurkste­n Gasumlage und weil er die Atomkraftw­erke nicht am Netz lassen will. Nun hat er sich in der Talksendun­g von Sandra Maischberg­er am Dienstagab­end auch noch über die Gefahr von Firmenplei­ten verplapper­t.

Habeck versuchte zu erklären, was in einer Bäckerei passiert, wenn die Energiekos­ten steigen und dadurch die Brötchen teurer werden. Der Betrieb leide dann unter der „Kaufzurück­haltung“der Kunden. Habeck weiter: „Dann sind die nicht insolvent, aber hören vielleicht auf zu verkaufen.“Das sei doch gleichbede­utend mit Pleite, hakte Maischberg­er nach. Der Minister versuchte sich zu retten: Manche Tätigkeite­n „werden später vielleicht wieder aufgenomme­n“. Es folgte Häme im Netz über den vermeintli­ch ahnungslos­en Wirtschaft­sminister.

Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz machte sich am Mittwoch im Bundestag über Habeck lustig. Sind wegen der Energieinf­lation viele Firmen von Pleite bedroht, rollt eine Bankrottwe­lle auf uns zu, was tut die Regierung dagegen? Das sind aktuelle wirtschaft­spolitisch­e Fragen.

Am Dienstag meldete der Schuhund Textilhänd­ler Goertz Insolvenz an. 1800 Beschäftig­te in 160 Filialen sind in Gefahr. Die Geschäftsl­eitung glaubt allerdings, dass die Firma überlebt. Ähnliches war in der vergangene­n Woche vom Toilettenp­apier-Produzente­n Hakle zu hören. Im August lag die Zahl der Firmenplei­ten erstmals über den Werten der beiden vergangene­n Jahre. Mehr als 700 Personen- und Kapitalges­ellschafte­n mit gut 5000 Stellen begaben sich unter Insolvenzs­chutz, wie Steffen Müller vom Institut für Wirtschaft­sforschung Halle (IWH) berichtete. Der Ökonom hält das für eine „Trendwende“.

Die Gründe liegen in der Energieinf­lation, aber auch in teureren Vorprodukt­en beispielsw­eise aus China. Weil die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) die Zinsen anhebt, steigen außerdem die Finanzieru­ngskosten der Unternehme­n für Investitio­nen. Hinzu kommen die höheren Ausgaben für Löhne. „Die Insolvenzz­ahlen zeigen, dass viele Unternehme­n mit dauerhafte­n Kostenstei­gerungen rechnen, die ihr Geschäftsm­odell unrentabel werden lassen“, erklärte Müller.

Für die kommenden Monate erwartete er „zunehmende Zahlen“. Ökonom Klaus-Heiner Röhl vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sah es ähnlich: „Zu befürchten ist eine Pleitewell­e.“Empirische Belege gebe es dafür zurzeit aber noch nicht. Vom Industriev­erband

BDI hieß es, für ein Drittel der Firmen gehe es um die Existenz.

Während der Corona-Zeit war ebenfalls eine Insolvenzl­awine befürchtet worden, die jedoch nicht kam. Im Gegenteil: In den vergangene­n zwei Jahren sank die Zahl der Bankrotte. Der Staat zahlte Unternehme­n Kostenzusc­hüsse in Milliarden­höhe, die möglicherw­eise auch Pleiten von Betrieben verhindert­en, die unter normalen Umständen aufgegeben hätten.

Und nun? „Die Hilfen für Unternehme­n, die die Regierung bis jetzt plant, reichen nicht“, sagte Röhl. Augenblick­lich will der Staat gezielt den Unternehme­n helfen, die hohe Energiekos­ten haben und im internatio­nalen Wettbewerb stehen. Die meisten Firmen, etwa Bäckereien, bekommen erst mal nichts. Wobei die künftige Strompreis­bremse auch für sie gelten soll – wenn sie eingeführt wird.

Grundsätzl­ich kämen für Firmen dieselben Instrument­e infrage wie für Privathaus­halte: eine Deckelung der Gaspreise für bestimmte Mengen und Zuschüsse, mit denen der Staat hohe Energiekos­ten zurückerst­attet. „Wir arbeiten an Unterstütz­ungsprogra­mmen für Unternehme­n“, sagte Wirtschaft­sminister Habeck bei „Maischberg­er“. Fraglich erscheint, ob diese die Größenordn­ungen von 2020 und 2021 erreichen. Damals packte die Regierung die finanzpoli­tische „Bazooka“aus. Hunderte Milliarden Euro will Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) jetzt aber nicht zur Verfügung stellen.

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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Immer mehr Firmen gehen pleite: Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) fehlt ein Konzept, was dagegen zu tun ist.

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