Unverständnis gegenüber geplanten Einsparungen
Katastrophenschutz: DRK und DLRG kritisieren Bundesregierung und beklagen falsche Signalwirkung
LANDKREIS TUTTLINGEN - Die Flut im Ahrtal ist gerade ein Jahr her und die Schäden noch nicht einmal aufgearbeitet. Trotzdem hat die Bundesregierung in ihrem Haushaltsentwurf für das nächste Jahr den Etat für den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz um mehr als 100 Millionen Euro gekürzt. An welcher Stelle die geplanten Einsparungen greifen sollen, bleibt noch abzuwarten. Dennoch ruft der Haushaltsplan schon jetzt bei den Katastrophenschutzorganisationen im Landkreis große Verwunderung hervor.
Zuständig für die Verteilung der vom Bund bereitgestellten Mittel ist das Landratsamt. Auch dort herrscht Unverständnis für die Entscheidung. „Die geplanten Einsparungen stehen im krassen Gegensatz zu den Erfahrungen der letzten Jahre“, sagt Kreisbrandmeister Andreas Narr. Angesichts der Pandemie, großer Dürren, des Hochwassers im Ahrtal und der gegenwärtige Energiekrisen sei das nicht erwartbar gewesen. „Wir brauchen sicher mehr Katastrophenschutz
als weniger Katastrophenschutz“, fordert Andreas Narr. Vor allem weil angesichts des Klimawandels zukünftig mit noch mehr Katastrophen zu rechnen sei.
Um dieser Gefahr Rechnung zu tragen, sei es notwendig, dass die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), das Technische Hilfswerk (THW) und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) ausreichend ausgerüstet sind. Dies sei in vielen Bereichen aktuell der Fall, sagt Narr. Käme es beispielsweise zu Überschwemmungen, sei man durch eine große Bevorratung an Sandsäcken auf den Ernstfall vorbereitet.
An anderer Stelle sei der Stand der Dinge jedoch nicht zufriedenstellend. So seien beispielsweise die Einsatzfahrzeuge des Bundes auch im Landkreis an der Altersgrenze. Einige von ihnen sind bereits mehr als 20 Jahre alt. „Eine zeitnahe Ersatzbeschaffung ist also angezeigt“, sagt der Kreisbrandmeister. Auch die Ausbildung von Rettungskräften will finanziert werden. „All das kostet Geld und das ist im Sicherheitsbereich auch gut angelegt“, ist Narr überzeugt.
Bereits investiert ist das Geld in den Ausbau einer flächendeckenden Sireneninfrastruktur. Beim bundesweiten Warntag vor zwei Jahren kam es noch zu mehreren Pannen. Und auch im Kreis gab es zu wenige Sirenen und die Warnapp funktionierte nicht. „Seitdem hat sich einiges getan“, berichtet Andreas Narr. Zwölf Kreisstädte und Kommunen seien momentan dabei, Sirenen aufzubauen. „Das braucht aber noch etwas Zeit, wahrscheinlich Monate“, schränkt Narr ein. Der Ausbau ist durch die geplanten Einsparmaßnahmen des Bundes nicht gefährdet und bereits durch Förderungen finanziert.
Das gelte jedoch nur für die zwölf Kommunen, denen ein solcher Ausbau bewilligt wurde. „Es braucht eine Fortführung des Förderprogramms“, fordert Narr. Doch angesichts der geplanten, massiven finanziellen Einschränkungen sei das keinesfalls sicher. Für den Kreisbrandmeister ist aber klar: „Um Leute auf Gefahren aufmerksam zu machen, kommt man an Sirenen nicht vorbei.“
Bei den Ortsverbänden und -gruppen der Katastrophenschutzorganisationen im Kreis ist das Unverständnis über den gekürzten Bundesetat groß. So auch bei Thomas Hauser, dem Vorstandsvorsitzenden der Tuttlinger Ortsgruppe der DLRG. Sie setzt bei Überschwemmungen und Hochwasser Strömungsretter ein, die Menschen im Katastrophenfall aus den Fluten retten sollen. Hauser stellt klar, dass noch ungewiss sei, welche Auswirkungen der verordnete Sparkurs konkret für seine Ortsgruppe haben wird.
Aktuell sei die DLRG noch gut ausgerüstet: „Der Status Quo im Landkreis Tuttlingen ist zufriedenstellend, landesweit allerdings nicht.“Vor wenigen Jahren sei der Ortsverband mit neuen Materialien ausgerüstet worden. Dennoch übt der Vorstandsvorsitzende scharfe Kritik am Vorhaben der Bundesregierung, den Katastrophenschutz künftig deutlich weniger zu finanzieren: „Das Hauptproblem ist, dass dieser Bereich seit Jahren chronisch unterfinanziert ist. Dass man dabei spart, ist unverständlich.“
Kaum Verständnis für die Entscheidung des Bundes hat auch Patrick Griffel, Ortsvereinsvorstand des DRK in Spaichingen: „In meinen Augen ist das das falsche Signal nach der Katastrophe im Ahrtal. Jetzt wäre die Chance für einen Ausbau gewesen.“Griffel kritisiert dahingehend Bundesfinanzminister Christian Lindner und sein Beharren auf der Schwarzen Null, das diese Einsparungen erst notwendig mache. Zwar ändere sich für seinen Ortsverein zunächst erst einmal nichts und auch die Ausrüstung seines Ortsvereins bewertet er als „okay“, doch für ihn ist auch klar: „Nach oben ist noch Luft.“Technik und Material seien nicht in jedem Bereich auf dem neuesten Stand.
Doch nicht nur DLRG und DRK sind betroffen. Der Bundeshaushaltsentwurf sieht auch vor, dass die Ausgaben des THW von 544 Millionen im Vergleich zum Vorjahr auf gut 386 Millionen Euro absinken werden. Auf Anfrage unserer Redaktion teilten jedoch die Kreisortsverbände des THWs mit, dass sie dazu keinen Kommentar abgeben möchten.