Die Tuttlinger Volkshochschule beleuchtet Zeitenwende
864 Veranstaltungen im Programm – Kursleitermangel und steigende Energiekosten bereiten Sorgen
TUTTLINGEN - Krieg, Energiekrise, Nato-Erweiterung: In Anbetracht dieser Ereignisse hat Bundeskanzler Olaf Scholz bereits im Februar diesen Jahres eine Zeitenwende verkündet und damit den Begriff so gebräuchlich gemacht, dass er auch in der Volkshochschule angekommen ist. Die zahlreichen passenden Veranstaltungen mit bekannten Referenten geben VHSLeiter Hans-Peter Jahnel allerdings Recht, das diesjährige Programm unter dieses Motto zu stellen. Neben Corona und der Schwierigkeit neue Kursleiter zu gewinnen, bereiten der VHS aktuell auch die steigenden Energiepreise und die damit verbundenen Konsequenzen gewisse Sorgen.
864 Kurse kreisweit gibt es zur Auswahl, 84 Prozent davon in Präsenz. Was die Anzahl der Kurse betrifft, ist die Tuttlinger Volkshochschule auf fast dem gleichen Niveau, wie im Semester davor. Allein in Tuttlingen werden im Herbst und Winter 460 Veranstaltungen angeboten – 343 in Präsenz und 117 als Onlinekurs. „Wir erleben zwar einen großen Zuwachs bei den Anmeldungen für die Onlinekurse, an die Gesamtzahlen vor der Pandemie reicht das aber nicht heran“, resümiert VHS-Leiter Hans-Peter Jahnel. So gebe es in diesem Semester immer noch rund 25 Prozent weniger Kurse, als vor der Pandemie.
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Auch, weil es nach wie vor schwierig sei, neue Kursleiter zu finden. „Wir sind personell aktuell stabil aufgestellt. Neue Gesichter dazuzugewinnen, ist allerdings nicht einfach“, sagt Jahnel. Ein Grund, weshalb nun zum Frühjahr das Honorar erhöht werden soll, um die Stellen noch attraktiver zu machen. „Bei den derzeitigen Spritpreisen wäre es auch eine Überlegung, die Fahrtkostenpauschale anzupassen“, so Jahnel weiter. Denn auch der Blick auf die derzeitigen Energiepreise und vor allem die damit verbundenen Konsequenzen bereiten dem VHS-Leiter Sorgen. „Wir haben die Befürchtung, dass die Turnhallen in den Abendstunden nicht mehr richtig beheizt werden können, um Energie zu sparen. In den Wintermonaten kühlt so eine Halle dann schnell aus“, sagt er. Sollte es nicht mehr möglich sein, die Hallen im kommenden Semester zu nutzen, wäre das ein enormer Ausfall an vielen VHS-Kursen. Denn ein großer Teil der Gesundheits- und Fitnesskursen spielt sich genau dort ab. „Wir müssen nun abwarten, wie sich die Situation in den nächsten Monaten entwickelt. Aber wir machen uns jetzt schon Gedanken, um nicht vollkommen unvorbereitet vor vollendeten Tatsachen zu stehen“, erklärt der VHS-Leiter.
Wie krisensicher die VHS mittlerweile ist, hat sich in den vergangenen Monaten und Jahren gezeigt. „Wir stehen immer in engem Kontakt mit unseren Teilnehmern und informieren, sobald wir etwas Neues wissen“, sagt Jahnel. Vor allem, als durch Corona so viele Kurse ausgefallen sind, sei das eine Mammutaufgabe gewesen. Finanzielle Unterstützung gab es in Form des Digitalpakets des Landes. Damit soll die digitale Infrastruktur weiter verbessert werden. „Wir möchten allerdings nicht komplett digital werden. Der Austausch und das gemeinsame Erlebnis bei unseren Kursen ist wichtig. Aber wir möchten beispielsweise Kursinhalte durch digitale Inhalte ergänzten“, sagt Jahnel und fügt hinzu, dass die
VHS bislang noch nicht auf kommunale Hilfen angewiesen war.
Wie beliebt das Online-Angebot ist, spürt der VHS-Leiter bei den Anmeldungen. So habe es 2021 dort im Vergleich zu 2020 einen Zuwachs von 92 Prozent gegeben. „Das ist eine wirklich positive Entwicklung. Auch, weil wir so auch Dozenten aus weit entfernten Städten gewinnen können, für die eine Präsenzveranstaltung aufgrund der Entfernung schwierig wäre“, sagt Jahnel. Trotz allem decke der Online-Bereich nur einen kleinen Teil der Gesamtkurse ab – besonders „Gesundheitsseminare“
oder EDV-Kurse würden viel digital stattfinden. Mittlerweile gebe es auch vermehrt Kochkurse, bei denen die Teilnehmer dann in der heimischen Küche mitkochen können.
Das größte Standbein seien aber nach wie vor die Sprach- und Integrationskurse. Denn auch die Geflüchteten aus der Ukraine hätten in den letzten Monaten vermehrt Kurse in der Volkshochschule wahrgenommen. „Da sind wir teilweise an die Kapazitätsgrenze gekommen – sowohl beim Personal, als auch bei den Räumlichkeiten“, erinnert sich Jahnel. Unterstützung gab es dann auch von Ukrainern und Ukrainerinnen selbst, die in ihrem Heimatland deutsch gelehrt haben. Ganz neu in diesem Semester ist übrigens der norwegische Sprachkurs.
Der VHS-Leiter selbst hat gleich mehrere Veranstaltungen im Auge, auf die er sich in diesem Semester freut. Unter anderem auf den Vortrag „Schwäbisch für Reingschmeckte“unter der Leitung von Erwin Ulmer. Auch die Veranstaltung mit dem Titel „Der Meeresspiegel steigt - was juckt uns das in Tuttlingen“empfiehlt er - passend zum Thema Zeitenwende. Genau so, wie die Veranstaltung „Zeitenwende - Putins Krieg und die Folgen“, mit dem Autor und Referent Rüdiger von Fritsch.
Für Reise-Interessierte gibt es in diesem Semester eine ganz neue Rubrik: „Reisende berichten“. Hier erzählen Menschen aus dem Kreis Tuttlingen von ihren Erfahrungen und Eindrücken auf Reisen. Zwei Veranstaltungen seien dazu eingeplant – über den Iran und über die Antarktis.
Neben vielen neuen Kursen, seien auch zahlreiche bewährte Veranstaltungen dabei, die in den vergangenen Jahren gut besucht waren. Umso mehr freut es den VHS-Leiter, dass das neue Kursprogramm nun festgezurrt ist und am Mittwoch durch den Südfinder in allen Haushalten verteilt wird. Auch in den VHS-Stellen und den Rathäusern kann man sich ein Exemplar abholen.