Schüler aus Ukraine sind eine Herausforderung
An der Löhrschule lernen inzwischen fast 40 Kinder und Jugendliche aus Kriegsgebieten – „Kommen und Gehen“
TROSSINGEN - Fast 40 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine hat die Löhrschule derzeit aufgenommen bei einer Gesamtschülerzahl von 240. Das stellt die Werkrealschule vor gewaltige Herausforderungen. Und auch an den anderen Schulen im Raum Trossingen ist der organisatorische Aufwand teilweise groß, um den Andrang zu bewältigen.
Genau 38 Mädchen und Jungen, die mit ihren Familien aus der Ukraine geflüchtet sind, gehen derzeit an die Löhrschule. „Insgesamt sind zurzeit 53 Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Nationen in unseren beiden Vorbereitungsklassen“, erläutert Schulleiter Steffen Finsterle. Bereits im April vergangenen Jahres habe sich die Schule entschlossen, eine zweite Vorbereitungsklasse (VKL) zu starten. „Dafür haben wir Personal gesucht, „eine Frau, die ukrainisch spricht“.
Fündig wurde man mit Katrin Grin aus Durchhausen, die aus der Ukraine stammt. „Sie hat keine pädagogische Ausbildung, aber die notwendige Zweisprachigkeit - und sie hat es sich zugetraut, dass sie es macht“, sagt Finsterle. Die zweite VKL leitet die aus Russland stammende Olesya Tarasova. „Sie hatten wir bereits vor dem Ukrainekrieg eingestellt für eine VKL - zuvor hatte sie Nachhilfe gegeben.“Insgesamt unterrichten 25 Lehrerinnen und Lehrer an der Löhrschule.
An der Werkrealschule sind auch einige russischstämmige Schüler Konfliktpotenzial mit Blick auf die Neuankömmlinge aus dem Kriegsgebiet. „Sie kommen teilweise aus ProPutin-Familien - es gibt verbale Konflikte“, berichtet Finsterle. Die Schule versuche in diesen Fällen, zu schlichten und mittels der Schulsozialarbeit die Situation durch Gespräche zu entschärfen. „Spannungen sind vorhanden, aber nicht ausgeartet.“
Bei den VKL seien Deutsch und Demokratiebildung als Fächer vorgeschrieben, erläutert der Löhrschulleiter. „Wir gehen einen etwas anderen Weg.“Je nach Sprachstand würden Schüler in Regelklassen integriert - „vor allem in Mathematik und Englisch sowie musischen Fächern und Sport“. In der VKL sollen die Kinder und Jugendlichen zwei Jahre bleiben „und dann in die Regelklassen wechseln“, so der Plan. „Zu jeden Ferien schauen wir mit den Lehrerinnen, wie der Lernfortschritt bei den einzelnen Schülern ist“, so Finsterle.
Einige Schüler aus der Ukraine seien bereits ans Gymnasium gewechselt. „Wir merken im Unterricht schnell, wenn die Kinder und Jugendlichen an andere Schulen gehen können“, sagt der Schulleiter. Manche seien motiviert, Deutsch zu lernen, „andere eher nicht“. Einige hätten auch gesagt, „dass sie nicht zu uns wollen, sondern lieber am Online-Unterricht in der Ukraine teilnähmen. Aber im Prinzip herrscht ab dem ersten Tag, an dem sie in Deutschland sind, Schulpflicht.“Ab Januar gelte indes für Abschlussschüler die Regelung, „dass sie von der Schulpflicht freigestellt sind und am Online-Unterricht in ihrer Heimat teilnehmen können“.
Manche Schüler seien unmotiviert, weil sie eh nur einige Monate hier seien. „Es ist natürlich immer auch die Frage, was das Elternhaus vermittelt“, sagt die stellvertretende Leiterin der Löhrschule, Nina Henne. Ukrainische Eltern habe die Schule im Herbst zu einem Elternabend eingeladen. „Wir haben ihnen das deutsche Schulsystem erklärt der Zulauf war gut“, so Henne und Finsterle.
Die Verweildauer ist ein Grundproblem. Finsterle weist auf die beiden Gemeinschaftsunterkünfte in Trossingen für Flüchtlinge hin, in denen diese nur sechs Monate bleiben dürften. „Wir haben viele neue Schüler wieder abgeben müssen, weil ihre Familien auf andere Kommunen verteilt wurden.“Finsterle: „Wir versuchen, sie zu integrieren - aber es ist ein Kommen und Gehen“. Auch für die Lehrer stelle dies ein „Riesenproblem“
dar. „Und für die Schüler ist es eine Katastrophe“, sagt Nina Henne. „Gerade haben sie sich integriert und Freundschaften geschlossen - schon heißt es für sie wieder von vorne anzufangen.“
„Im großen und ganzen“funktioniere die Integration der Schüler aus verschiedenen Nationen ganz gut, stellt Henne fest - auch afghanische, syrische und türkische Kinder lernen in den beiden Vorbereitungsklassen. „Bei manchen klappt es gut, bei manchen weniger.“Zwecks Integration habe die Schule im Dezember einen Kulturabend organisiert mit einem Beitrag der ukrainischen Kinder: In Kooperation mit Studierenden der Musikhochschule seien Weihnachtslieder einstudiert worden, „sie haben ukrainische Lieder ins Deutsche übersetzt und umgekehrt“, berichtet Finsterle.
Aber trotz aller Aktivitäten zur Einbindung seien Konflikte nicht ausgeblieben. Es habe Eltern gegeben, die wollten, dass ihre Kinder nicht mehr zum Unterricht kommen, berichtet Finsterle. Diese habe man auf die Schulpflicht hingewiesen, und nach vermittelnden Gesprächen der Schulsozialarbeit seien die Schüler weiter an der Werkrealschule.
Von den ersten ukrainischen Schülern, die im vergangenen Frühjahr an der Löhrschule angefangen hatten, seien noch einige da, sagt Finsterle. Die überwiegende Zahl der Kinder und Jugendlichen sei privat untergebracht, „sie können länger bleiben als die Bewohner der Gemeinschaftsunterkünfte“.
Die Vorgabe vom Land laute, dass sie 16 Stunden die Woche Deutsch lernen in der VKL. „Bei uns sind es 20“, so Finsterle. Jedoch würden nicht nur Grammatik und Vokabeln gepaukt, „es gibt auch spielerische Elemente wie Basteln, Kochen oder mal Grillen“. Die Entwicklung sei „für alle eine Herausforderung, weil die Kinder in den Regelklassen noch nicht viel Deutsch reden können“. Viele der Pädagogen an der Löhrschule seien jedoch bereits seit Jahren an der Schule. Auch durch die vielen aus Rumänien stammenden Kinder, die nach Trossingen gekommen waren, hätten sie bereits „Erfahrung mit Kindern, die nicht aus Deutschland sind“.
Weil die ukrainischen Schüler in den Regelklassen in einzelnen Fächern gemeinsam mit den deutschen Kindern und Jugendlichen unterrichtet würden, „gibt es inzwischen Annäherungen unter ihnen“, sagt Steffen Finsterle. „Ich habe noch nicht gehört, dass es zu Abneigung oder Befremden gekommen ist.“
Bei Koordinationstreffen des Schulamts zur Ukraine-Thematik vertritt er die weiterführenden Schulen Trossingens, „für die Grundschulen macht das Kathrin Gass, die Rektorin der Rosenschule“. Finsterles Zwischenfazit: „In allen Kommunen auf Schulamtsebene gibt es die gleichen Probleme.“
Wie ist die aktuelle Situation an den anderen Schulen in Trossingen und im Umland? „Wir haben derzeit sechs Schüler bei uns, die in der Folge des Krieges aus der Ukraine hier nach Deutschland geflohen sind“, berichtet der Leiter des Trossinger Gymnasiums, Markus Eisele. Ursprünglich sei es so gewesen, dass alle ukrainischen Schüler die Vorbereitungsklassen in der Löhrschule besucht haben und vom Bürgerbüro als „Erstanlaufstelle“dorthin vermittelt wurden. „Seit Anfang Dezember hat das Gymnasium Trossingen aber eine eigene Vorbereitungsklasse für diejenigen Schüler, die dem gymnasialen Niveau gewachsen sind.“
Die Vermittlung laufe unterschiedlich, berichtet Eisele: „Teils melden sich die Schüler selbstständig bei uns und müssen dann einen Einstufungstest absolvieren. Teils werden sie von Lehrern der Löhrschule weiter vermittelt.“Den separaten Sprachunterricht Deutsch in der Vorbereitungsklasse (VKL) erteile eine junge Germanistin, „die im Frühjahr selbst aus der Ukraine hierher geflohen ist und hervorragend Deutsch spricht“. Der Unterricht finde an drei Vormittagen in der Woche statt. „Wir teilen uns die junge Lehrerin mit der Gemeinschaftsschule Aldingen.“
Die VKL werde teilintegriert gestaltet. „Das heißt, jeder Schüler hat gleichzeitig eine Heimatklasse, in der er dann den normalen Unterricht besucht, wenn kein VKL-Unterricht läuft.“
„Zum Teil gehen wir jetzt auch dazu über, für die ukrainischen Schüler individuelle Stundenpläne festzulegen, damit sie den Englisch- und den Mathematik-Unterricht der Klasse auf jeden Fall mitbekommen“, sagt Eisele. „Deutschlernen hat aber im Moment in jedem Fall Vorfahrt.“Die Ukrainer seien von den Klassen „sehr offen und freundlich in Empfang genommen worden und es haben sich bereits richtige Freundschaften gebildet“.
Das liege aber auch an den sechs Jugendlichen, „die sich sehr dankbar zeigen, dass sie an unserer Schule sein dürfen, und die vor Energie für das Lernen bei uns nur so platzen. Das wirkt natürlich auf unsere Schüler inspirierend zurück.“
Udo Kohler, Rektor der Realschule Trossingen, weist darauf hin, dass für Kinder und Jugendliche, die aus der Ukraine nach Deutschland kämen, zunächst einmal der Spracherwerb im Mittelpunkt stehen müsse. Dies werde in eigens dafür vorgesehenen Vorbereitungsklassen, in Trossingen zum Beispiel an der Löhrschule vollzogen, bevor sie zu einem späteren Zeitpunkt in eine Regelklasse überwechselten. „An der Realschule selbst haben wir bislang noch keine ukrainischen Kinder und Jugendlichen.“
„Da die Solwegschule ein sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit dem Schwerpunkt Lernen ist, können wir nur Schüler aufnehmen, welche einen Anspruch auf sonderpädagogische Förderung haben“, erläutert deren Leiterin Andrea Vanoucek. Diese Information liege jedoch meistens bei Kindern aus der Ukraine mit ausschließlicher Einschränkung im Bereich Lernen nicht vor, „anders als bei Kindern in anderen sonderpädagogischen Fachrichtungen, zum Beispiel geistige Entwicklung oder körperliche Entwicklung - somit betreuen wir derzeit keine Kinder aus der
Ukraine“.
„Aktuell werden bei uns elf Kinder aus der Ukraine beschult, insgesamt sind 30 Kinder in der VKL, die verteilt sind auf alle Klassenstufen“, erläutert Kathrin Gass, Rektorin der Rosenschule. Die VKL sei teilintegrativ, „das heißt, die Kinder sind einer Regelklasse zugeordnet und werden in den VKL-Stunden aus dem Unterricht zur Sprachförderung geholt“.
Verteilt auf die Regelklasse würden sie meist nach dem Alter, so Gass. „Wir haben drei Kolleginnen, die stundenweise in der VKL unterrichten.“Die VKL sei an der Rosenschule „ein schon lange etabliertes Modell, welches je nach aktueller Situation angepasst wird“. Die Verteilung der VKL-Schüler der Grundschulen erfolge in Absprache unter den Schulen.
An der Friedensschule werden momentan elf ukrainische Schüler/ innen unterrichtet, „der Großteil bereits länger als ein halbes Jahr“, berichtet Sandra Heizmann, Leiterin der Friedensschule. „Sie sind ihrem Alter entsprechend in die Klassenstufen eingegliedert, werden jedoch sechs bis sieben Unterrichtsstunden pro Woche aus den Klassen geholt, um in der VKL-Klasse Kleingruppenunterricht in Deutsch zu erhalten - maximal fünf Kinder“.
„Die Integration der Kinder in die einzelnen Klassen kann von optimal bis äußerst schwierig beschrieben werden - so wie bei Kindern aller anderen Nationalitäten“, resümiert Sandra Heizmann. „Auch tun sich die einen leichter, andere schwerer. Manchen wollen lernen und machen große Fortschritte, vor allem in Deutsch, manche nicht“, sagt die Rektorin. „Da wir auch eine ebenso große Anzahl an rumänischen Kindern haben, die ohne DeutschKenntnisse zu uns an die Schule kommen und mit den ukrainischen Kindern zusammen ebenfalls VKLUnterricht erhalten, fühlen die ukrainischen Schüler/innen sich auf diesem Gebiet nicht allein. Das ist zumindest mein Eindruck.“
Christiane Freund, Rektorin der Kellenbachschule in Schura, berichtet, dass derzeit neun ukrainische Schülerinnen und Schüler je nach Alter und bisherigem Schulbesuch verteilt auf die Klassen eins bis vier, insgesamt fünf Schulstunden Sprachförderung in Kleinstgruppen mit zwei bis drei Kindern erhielten realisiert durch das Sozialwerk Trossingen.
„Derzeit werden an unserer Schule noch keine Kinder aus der Ukraine beschult“, teilt Marianne Bernhard, Leiterin der Grundschule Talheim, auf Anfrage mit.