Mein Lieblingsauto ist die U-Bahn
Es war ein Tag wie jeder andere, konzentriert lenkte ich das Auto. Die Straßen zogen vorbei und auf einmal schien die ganze Welt mir zuzuwinken. Ein Wink hier, ein Wink da. Als würden mich plötzlich alle kennen. Ich kannte kaum ein Gesicht. Es war schwer zu erkennen, auf den Scheiben der entgegenkommenden Autos spiegelte sich der Himmel. Ein seltsames Gefühl der Anerkennung umhüllte mich. Normalerweise bin ich nur ein weiteres Gesicht im Straßenverkehr. Zuerst verstand ich es nicht, dann fiel mir ein: Ich lenke das Auto eines Freundes. Die entgegenkommenden Fahrer haben nicht mir gewunken, sondern dem Auto. Eine kurze Fahrt, aber ein Moment, der mich über die Verbindung von Mensch und Auto nachdenken ließ.
Ich dachte, der Hype um Autos als Statussymbol sei längst passé, ist es vielleicht auch ein wenig. Aber Autos scheinen hier Teil der Identität zu sein. Die Nummernschilder enthalten persönliche Codes. Ein fremdes Thema für mich, U-Bahn Monatskarten sehen alle gleich aus. Auch die Witze über Autos mit Schildern vom Nachbarkreis verstehe ich nicht. Der Führerschein war sehr lange Zeit ein Dekorationsobjekt in meinem Portemonnaie.
Nach meiner Rückkehr wurde mir klar, dass es hier von größerer Bedeutung ist, welches Auto man fährt. Es ist nicht nur ein Fortbewegungsmittel, sondern auch ein Gesprächsthema. Ich kann leider nie mitreden. Straßen habe ich bisher meistens im Bus, mit dem Fahrrad oder zu Fuß auf Demos genutzt. Mittlerweile düse ich mit meinem eigenen Auto herum, versuche aber immer noch so oft es geht die öffentlichen Verkehrsmittel zu nehmen, erinnert mich an mein Leben in der Großstadt. Trotzdem bevorzuge ich hier das Auto. Anstatt fünf Minuten auf die UBahn zu warten, muss ich hier eine Stunde auf den langsamen Bus warten. Wenn ich mal Lust habe länger in der Bar zu sitzen, verpasse ich den letzten Zug. Ins Auto setze ich mich und fahre los wann immer ich will. Ein Gefühl der Unabhängigkeit.
“Hier geht es nicht ohne Auto“wurde ich gewarnt und mittlerweile auch überzeugt. Als Teil meiner Identität sehe ich es aber nicht, verstehe aber, warum Menschen über ihre Fahrzeuge sprechen. An einem Abend in meiner ehemaligen WG haben wir uns über unsere Lieblings UBahn Haltestationen unterhalten. Das ist wohl das Gleiche.