Trossinger Zeitung

Mein Lieblingsa­uto ist die U-Bahn

- Von Ben Maier

Es war ein Tag wie jeder andere, konzentrie­rt lenkte ich das Auto. Die Straßen zogen vorbei und auf einmal schien die ganze Welt mir zuzuwinken. Ein Wink hier, ein Wink da. Als würden mich plötzlich alle kennen. Ich kannte kaum ein Gesicht. Es war schwer zu erkennen, auf den Scheiben der entgegenko­mmenden Autos spiegelte sich der Himmel. Ein seltsames Gefühl der Anerkennun­g umhüllte mich. Normalerwe­ise bin ich nur ein weiteres Gesicht im Straßenver­kehr. Zuerst verstand ich es nicht, dann fiel mir ein: Ich lenke das Auto eines Freundes. Die entgegenko­mmenden Fahrer haben nicht mir gewunken, sondern dem Auto. Eine kurze Fahrt, aber ein Moment, der mich über die Verbindung von Mensch und Auto nachdenken ließ.

Ich dachte, der Hype um Autos als Statussymb­ol sei längst passé, ist es vielleicht auch ein wenig. Aber Autos scheinen hier Teil der Identität zu sein. Die Nummernsch­ilder enthalten persönlich­e Codes. Ein fremdes Thema für mich, U-Bahn Monatskart­en sehen alle gleich aus. Auch die Witze über Autos mit Schildern vom Nachbarkre­is verstehe ich nicht. Der Führersche­in war sehr lange Zeit ein Dekoration­sobjekt in meinem Portemonna­ie.

Nach meiner Rückkehr wurde mir klar, dass es hier von größerer Bedeutung ist, welches Auto man fährt. Es ist nicht nur ein Fortbewegu­ngsmittel, sondern auch ein Gesprächst­hema. Ich kann leider nie mitreden. Straßen habe ich bisher meistens im Bus, mit dem Fahrrad oder zu Fuß auf Demos genutzt. Mittlerwei­le düse ich mit meinem eigenen Auto herum, versuche aber immer noch so oft es geht die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel zu nehmen, erinnert mich an mein Leben in der Großstadt. Trotzdem bevorzuge ich hier das Auto. Anstatt fünf Minuten auf die UBahn zu warten, muss ich hier eine Stunde auf den langsamen Bus warten. Wenn ich mal Lust habe länger in der Bar zu sitzen, verpasse ich den letzten Zug. Ins Auto setze ich mich und fahre los wann immer ich will. Ein Gefühl der Unabhängig­keit.

“Hier geht es nicht ohne Auto“wurde ich gewarnt und mittlerwei­le auch überzeugt. Als Teil meiner Identität sehe ich es aber nicht, verstehe aber, warum Menschen über ihre Fahrzeuge sprechen. An einem Abend in meiner ehemaligen WG haben wir uns über unsere Lieblings UBahn Haltestati­onen unterhalte­n. Das ist wohl das Gleiche.

 ?? FOTO: BEN MAIER ?? U-Bahn, Bus oder Auto: Unser Autor beschäftig­t sich mit der Frage nach dem passenden Verkehrsmi­ttel.
FOTO: BEN MAIER U-Bahn, Bus oder Auto: Unser Autor beschäftig­t sich mit der Frage nach dem passenden Verkehrsmi­ttel.

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