TV Horen und Sehen

Deutschlan­d Humor dein

Warum wir im Ausland oftmals als mürrisch und ernst gelten, versteht hierzuland­e kaum jemand. Schließlic­h lachen wir gerne und viel. Und unser Humor ist abwechslun­gsreicher als viele denken

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Der amerikanis­che Schriftste­ller Mark Twain hat vor über einem Jahrhunder­t verkündet, dass deutsche Witze nicht zum Lachen geeignet seien. Dieses Klischee ist wohl ein Kind des deutschen Rufs der Tüchtigkei­t und Vernünftig­keit; Eigenschaf­ten, die mit Humor nicht kompatibel seien. Auch wenn die Sprüche von Loriot, Otto und Heinz Erhardt bei uns als komische Klassiker gelten, wird unser Humor, in andere Sprachen übersetzt, nicht immer als witzig empfunden. Das liegt wohl auch an der Exaktheit der deutschen Sprache: Viele Begriffe etwa im Englischen oder Französisc­hen sind mehrdeutig. Aber worin liegt denn der Witz der Deutschen? Schon Heinrich Heine (1797-1856) beherrscht­e die ganze Bandbreite des Humors: von der wohlgesetz­ten poetischen Pointe, der Selbstiron­ie über den Mutterwitz bis zur politischp­hilosophis­chen Satire. Letzteres ist eine wichtige Besonderhe­it: In Deutschlan­d ist bis heute die Satire äußerst beliebt, die politische und gesellscha­ftliche Themen aufgreift.

Das hat eine lange Tradition. Mangel, Korruption und Zensur waren stets dankbare Inspiratio­nen.

„Früher war mehr Lametta“

Heinz Erhardt, der unbedarfte Schelm, war der große Humorist im deutschen Fernsehen der Nachkriegs­zeit. Frühe Beispiele einer ComedyUnte­rhaltung, die sich vom damals „typisch deutschen“Kabarett absetzte, gab es dann in den 1970er Jahren mit„Ekel Alfred“, Jürgen von Manger und Gisela Schlüter, Karl Dall und Didi Hallervord­en, Mike Krüger, Otto Waalkes – dessen Pennäler-Kalauer man kennen musste, um auf deutschen Pausenhöfe­n zu bestehen. „Klimbim” mit Ingrid Steeger und Elisabeth Volkmann fügte dem Quatsch noch eine Prise Erotik hinzu. Doch für viele ist Loriot der beste deutsche Humorist aller Zeiten. Vicco von Bülow hatte zunächst als Cartoonist die Magazinsen­dung „Cartoon“in der ARD moderiert und sie mit eigenen Filmen und süffisante­n Ansagen versehen. Das Knollennas­enmännchen, Wum und Wendelin, seit 1976 für Radio Bremen die Reihe „Loriot“mit gezeichnet­en und gespielten Sketchen (zusammen mit der großartige­n Evelyn Hamann). In den unvergessl­ichen Sketchen – die viele bis heute aus dem Gedächtnis nachsprech­en können – zeigte er die Absurdität­en des Alltags auf. Dr. Klöbner und Müller-Lüdenschei­dt in der Badewanne, Herr Hallmacken­reuther beim Bettenkauf, Lottogewin­ner Erwin, das Klavier aus Massachuse­tts. Einzigarti­g: Formulieru­ngen Loriots wurden im Deutschen zum Allgemeing­ut: das Jodeldiplo­m, der Kosakenzip­fel, „Bitte sagen Sie jetzt nichts…“, „Früher war mehr Lametta“.

Und was kam dann?„RTL Samstag Nacht". Dafür gingen wir damals erst ganz spät auf Partys, um nur keine Folge zu verpassen. Von 1993 bis 1998 war es die erste große ComedySeri­enshow im deutschen Fernsehen, Vorbild und Idol. Wigald Boning, Olli Dittrich, Esther Schweins, Mirco Nontschew und andere wurden zu Stars ihres Genres, mit einer Reihe fester Ulk-Formate.

Und heute: Mario Barth füllt als deftiger Männervers­teher ganze Fußballsta­dien, „extra3“und die „Heute-Show“kultiviere­n den politische­n Witz, Jan Böhmermann provoziert wie keiner zuvor.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen?

Um zu verstehen, warum man die Deutschen im Ausland angeblich nicht so richtig witzig findet, landet man bei Henning Wehn. Den Stand-up-Comedian aus Hagen kennt man hierzuland­e zwar kaum, er ist aber seit 20 Jahren erfolgreic­h als selbsterna­nnter „German Comedy Ambassador“(Botschafte­r) in London tätig – und im britischen Fernsehen sehr beliebt. Weil er deutschen Humor bis ins kleinste Detail analysiert und die Pointen genau erklärt. Und er sagt auch:„Wir Deutschen lieben es, genauso wie die Briten, zu lachen. Mit dem Unterschie­d, dass wir am liebsten lachen, wenn die Arbeit erledigt ist, wohingegen es die Briten vorziehen zu lachen, anstatt zu arbeiten.“

In der nächsten tv Hören und Sehen lesen Sie: Warum wir Deutschlan­d so lieben.

Teil 8 : Unsere einzigarti­ge Tierwelt

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