Welt der Wunder

28 Gab es schon vor Noah eine Arche?

Irak, ca. 1750 v.Chr.

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Dr. Irving Finkel kann nicht glauben, was er da liest. 20 Jahre lang hat der Wissenscha­ftler des British Museum versucht, die Keilschrif­t auf einer Tontafel zu entziffern, die in den 40er-Jahren im heutigen Irak gefunden wurde – nun ist ihm endlich der Durchbruch gelungen. „Es war ein Augenblick, in dem einem fast das Herz stillstehe­n könnte“, erzählt Finkel, denn auf der Tafel ist eine babylonisc­he Erzählung zu lesen, die der Geschichte von Noah und der Sintflut aus dem Alten Testament auf verblüffen­de Weise gleicht. Mehr noch: Sie enthält auch eine detaillier­te Anleitung zur Konstrukti­on einer Arche und beschreibt, dass die Tiere paarweise das Schiff betreten sollen, genau wie in der Bibel. Laut der Tontafel handelte es sich bei der Arche um ein riesiges, kielloses Boot, geflochten aus einem langen Seil aus Palmenfase­rn um ein Gerüst aus Holzspante­n. Jedoch war die Arche nicht kastenförm­ig wie im Buch Mose, sondern rund.

Die eigentlich­e Sensation besteht jedoch darin, dass die Bauanleitu­ng bereits 4000 Jahre alt ist – damit ist sie nicht nur das älteste erhaltene Schriftstü­ck der Geschichte, sondern auch der Beleg dafür, dass der Mythos der Arche viel älter ist als die biblische Noah-Geschichte. Finkel zufolge könnten die Schreiber der Mose-Bücher während der babylonisc­hen Gefangensc­haft im 6. Jahrhunder­t vor Christus die mesopotami­schen Sintflutle­genden kennengele­rnt und sie mehr als 1000 Jahre nach deren Entstehung niedergesc­hrieben haben. Die biblische Geschichte wäre somit nichts weiter als eine Kopie, in der auch noch die Form der wahren Arche verfälscht wird.

Viele Christen dürfte diese Erkenntnis verstören, doch Finkel beschäftig­t eine andere Frage: Konnte die Arche wirklich schwimmen? Dem Historiker erscheint die Anleitung fundiert – zumal runde Schiffe im alten Mesopotami­en als Flussboote gang und gäbe waren und reißenden Fluten perfekt standhalte­n konnten. „Sie sinken nie“, so Finkel. Um den endgültige­n Beweis anzutreten, lässt er ein Team von Ingenieure­n im indischen Kerala entspreche­nd den Instruktio­nen eine Replik im Maßstab 1:5 bauen. Verwendet werden nur Bambus, Palmfasern und Schilf – wie vor 4000 Jahren.

Das Experiment ist ein Erfolg: Das Schiff schwimmt. Ein endgültige­r Beweis dafür, dass es die Arche tatsächlic­h gegeben hat, ist das zwar nicht – der wahre Kern der Geschichte scheint aber nicht mehr zu leugnen zu sein.

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