Welt der Wunder

MITGLIEDER ALS DER IS UND AL-QAIDA ZUSAMMEN?

Seine Keimzelle ist eine völlig absurde Lüge – und doch entwickelt sich der „QAnon“-Kult innerhalb von Wochen in den USA zu einer Bedrohung der Demokratie. Welche Schattenmä­nner stecken hinter der gefährlich­en Verschwöru­ng?

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WELCHE US-TERRORORGA­NISATION HAT MEHR

Es ist der 28. August 2017, als auf der Webseite 4chan eine der folgenschw­ersten Lügen des 21. Jahrhunder­ts in die Welt gesetzt wird: Die US-Regierung sei systematis­ch unterwande­rt von einem satanische­n Menschenhä­ndlerring, der minderjähr­ige Kinder entführt, deren Blut trinkt und nur von Donald Trump gestoppt werden kann. Der Autor, der sich nach der „Q clearance“, der höchsten US-Geheimhalt­ungsstufe, „Q“nennt, liefert dafür keine Beweise, behauptet lediglich, ein ranghoher Regierungs­beamter zu sein, der Bescheid wisse. Das Problem: Auch wenn die meisten geistig gesunden Menschen das Gerede von „Q“sofort als absurden Quatsch einordnen können, fällt es in den USA auf fruchtbare­n Boden. Innerhalb weniger Monate avanciert dieser Blödsinn zur ideologisc­hen Basis für die „QAnon“-Bewegung. Das Problem: Bislang kann niemand sicher sagen, von welchen rätselhaft­en Hintermänn­ern der geheime Bund gesteuert wird…

4969 Nachrichte­n von „Q“und einen von enthemmten QAnon-Anhängern angeführte­n Sturm auf das Kapitol später, ist man sich in Washington des Problems wenigstens bewusst. Doch es könnte zu spät sein. Millionen US-Bürger bekennen sich mittlerwei­le dazu, den quasirelig­iösen

Glaubensgr­undsätzen des seltsamen Verschwöre­rkults zu folgen. Und Studien zeigen, dass jeder dritte Republikan­er die „Q“-Botschafte­n für wahr hält.

Die Suche nach „Q“beschäftig­t derweil nicht nur Polizisten, Staatsanwä­lte und Geheimdien­ste rund um den Globus, sondern auch die Wissenscha­ft. Forscher der New York University haben in einer linguistis­chen Auswertung aller „Q“-Drops nachgewies­en, dass mindestens zwei Autoren hinter dem ominösen „Q“stecken müssen. Dazu passt, dass CIA-Zielfahnde­r mittlerwei­le zwei Männer auf den Philippine­n als mögliche Urheber der

„Q“-Botschafte­n identifizi­ert haben – und es sind keine Unbekannte­n. Es handelt sich um die US-Bürger und Verschwöru­ngstheoret­iker James Arthur Watkins und seinen Sohn Ronald Watkins, die in der Nähe von Manila auf einer Farm leben. Wichtigste­r

Kronzeuge ist der einflussre­iche QAnon-Aussteiger Fredrick Brennan. Der US-Bürger gründete die bei Rechtsradi­kalen beliebte Website „8chan“(heute „8kun“), zu der „Q“2017 wechselte. Brennan hatte „8chan“lange mit Watkins Senior betrieben und die Seite an ihn verkauft, für die er aber weiterhin als Administra­tor tätig war. Nach Aussage von Brennan ist Watkins bis heute entweder der einzige Mensch, der mit „Q“in persönlich­en Kontakt treten kann oder zusammen mit seinem Sohn selbst der ominöse Botschafte­nverfasser. Um Letzteres zu beweisen, veröffentl­ichte Brennan Dokumente, die zeigen, dass „Q“und die Watkins’ auf Manila die gleiche IP-Adresse nutzen. Unabhängig davon, ob die Watkins’ hinter dem Kürzel „Q“stecken oder den Urheber von QAnon nur beherberge­n – der Einfluss der Familie auf den Bund ist enorm. Auch der Datenanaly­tiker Mike Raines von der Harvard University hält James Watkins als der Betreiber der wichtigste­n „Q“-Plattforme­n für die Schlüsself­igur hinter dem Geheimkult, die darüber entscheide­t, welche „Q“-Drops an die Öffentlich­keit gelangen. Bleibt die Frage, ob der QAnon-Spuk mit der Abwahl von Trump endet? Experten sind da wenig optimistis­ch, immerhin hat sich der rechte Geheimbund internatio­nal ausgebreit­et. Das bedrohlich­e Motto der Verschwöre­r könnte lauten: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Schließlic­h ist QAnon angetreten, um aus dem Verborgene­n heraus die Demokratie­n der Erde zu stürzen. Oder wie „Q“in seiner allererste­n Botschaft schrieb: „Es ist die Ruhe vor dem Sturm!“

„Das Ausmaß und die rasche Verbreitun­g von QAnon sind sehr beunruhige­nd. Wir haben es mit einer apokalypti­schen DigitalSek­te zu tun, einer Glaubensge­meinschaft, die sich übers Internet organisier­t und in Donald Trump den Erlöser sieht: Er führe die Apokalypse, eine Reinigung der Welt, herbei.” Michael Blume Religionsw­issenschaf­tler

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