US-POLITIK?
Wie christliche Fundamentalisten seit Jahrzehnten Einfluss auf die US-Führung nehmen – und nun auch in Europa an Macht gewinnen …
WELCHE „FAMILIE“LENKT SEIT JAHRZEHNTEN DIE
Am Morgen des 6. Februar 2020 fährt eine Kolonne schwarzer Limousinen vor dem Hilton Hotel (u.) in Washington vor, das von einem Großaufgebot der Polizei wie eine Festung abgeriegelt wurde. Der Grund für die Sicherheitsmaßnahmen: Wie jedes Jahr im Februar treffen sich hier Wirtschaftsbosse, Geistliche und Spitzenpolitiker aus aller Welt zum „National Prayer Breakfast“. Rund 3500 Gäste aus 150 Ländern sind es insgesamt, auch Donald Trump gibt sich die Ehre – wie jeder US-Präsident vor ihm seit 1953. Organisiert wird das Nationale Gebetsfrühstück von einer Gruppe, die sich nur „die Familie“nennt und als älteste christlich-konservative politische Bewegung in den USA gilt. Dem Investigativjournalisten Jeff Sharlet zufolge, der selbst lange Mitglied der „Familie“war, handelt es sich um einen Geheimbund christlicher Fundamentalisten, der nur selten öffentlich in Erscheinung tritt und doch seit Jahrzehnten die amerikanische Politik beeinflusst. Ihm gehe es nicht darum, die Massen zu bewegen, sondern gezielt auf einzelne Entscheidungsträger einzuwirken, so Sharlet, indem er Führungsfiguren aus Politik, Wirtschaft und Militär rekrutiere. Das Wirken der Familie sei dabei nicht auf die USA und den Kampf für ein Abtreibungsverbot, das Recht auf politische Predigten in Kirchen und Gebete in Schulen begrenzt. Sie habe in der Vergangenheit beispielsweise mehrfach autoritäre Regime in Afrika unterstützt und dabei geholfen, Diktatoren an der Macht zu halten. Auch in Europa gewinnen christliche Hardliner mittlerweile an Einfluss, sie profitieren dabei stark von der Unterstützung populistischer Regierungen – und der finanziellen Hilfe von konservativen Gruppen aus den USA wie der „Familie“. Deren Gebetsfrühstück musste 2021 wegen der Corona-Pandemie zwar erstmals virtuell stattfinden – dafür aber mit einem neuen Gastredner: US-Präsident Joe Biden.