JONAS DEICHMANN
Langsam wird es dunkel. Die Lichter am Ufer der kroatischen Küste funkeln schemenhaft. Jonas Deichmann krault gegen Wind und Wellen der Adria an, die ihn und ein an seinen Körper gebundenes Floß zu weit in Richtung offenes Meer getrieben haben. Seit Stunden quält er sich über die schier endlose Wasserfläche. An den Schultern scheuert der Neoprenanzug auf der mit Salz getränkten Haut. Der Extremsportler weiß: Schon tagsüber verschwindet sein winziger Körper zwischen den Wellenbergen, und um diese Zeit erwartet kein Schiffsführer hier draußen einen Verrückten und passt auf. Es wird gerade wirklich gefährlich. Und in seinem Hinterkopf meldet sich eine Stimme immer lauter: Was zum Teufel mache ich hier eigentlich?
Ein Triathlon rund um die Welt ist absolutes Neuland. Niemand zuvor hat jemals eine solche Aufgabe angegangen. Die Schwimm- (durch die Adria), Rad- (Europa und Asien) und Laufdistanzen (Nordamerika) entsprechen etwa 120 Iron Men hintereinander, dem härtesten Triathlon der Welt. Nach jahrelangem Training schaffen die besten Athleten der Welt EINEN in acht, neun Stunden. Für Deichmann heißt sein Projekt: bis zu 16 Kilometer am Tag schwimmen, zehn Stunden ohne Pause entlang von Fernverkehrsstraßen in die Pedale treten. Mit Gepäck einen Marathon und mehr am Tag laufen. Essen organisieren. Und dann irgendwo am Wegrand campieren, vielleicht auf der Bank einer Bushaltestelle. Oder auch im Zelt. Mücken, Kälte, Lärm durchleiden. Und sich dann am nächsten Morgen trotz Müdigkeit und schmerzenden Gliedern wieder neu zu motivieren.
Sechs Weltrekorde hält der Extremsportler, darunter die schnellsten RadDurchquerungen von Europa-Afrika (72 Tage), Eurasien (64 Tage) und Amerika (98 Tage). Alles Training für Arme und Beine, vor allem aber für die Mentalkraft: „Ich bin in Aufstände geraten, Lkw haben mich angefahren, Soldaten eingesperrt, Vergiftungen meinen Körper ausgebremst – aber ich habe noch nie aufgegeben. Nicht ein einziges Mal“, erklärt der gebürtige Stuttgarter. „Zu 90 Prozent ist der Erfolg Kopfsache, nur zehn Prozent sind Muskeln. Ein Trick: sich auch längste Strecken in kleine, übersichtliche Happen zu teilen.“
Eine solche Willensstärke ist selten. Ein Grund, warum der 34-Jährige meist nicht nur auf Begleiter verzichtet, sondern seine Reisen mithilfe von Sponsoren, Einkünften als Redner oder durch Bücher/Filmen allein organisiert und durchführt. Fehler – wie bei der Adriaquerung – entwickeln allein jedoch viel 2 KM/H
„schnell“ist Deichmann im Wasser. Da er Booten so kaum ausweichen kann, bezwingt er die Adria im Herbst: Der Verkehr ist dann geringer.
eher tödliche Konsequenzen: „Die dürfen mir einfach nicht passieren.“Nur mit Glück erreicht Deichmann an jenem Tag das Ufer. Als Nächstes macht sich der Ausnahmesportler auf den Weg durch Russland. Wenigstens die Routenplanung ist einfach: Bei Jekaterinburg rechts abbiegen – und dann 7200 Kilometer immer geradeaus …