INTERVIEW MIT PETER LAUFMANN
Peter Laufmann hat Forstwissenschaften und Publizistik an der Universität Göttingen studiert. Er ist Redakteur des Umweltmagazins „natur“und Textchef beim Deutschen Landwirtschaftsverlag. 2020 erschien sein Buch „Der Boden – das Universum unter unseren Füßen“im Bertelsmann Verlag.
Meist stellen wir uns das Erdreich als etwas Kompaktes vor. Wenn man aber einen Fingerhut voll natürlichem Boden auffaltet, kommt man auf eine Fläche von 100 Quadratmetern. Und in einer Handvoll lebt eine unglaubliche Zahl von Lebewesen – Regenwürmer, Asseln, Spinnen, Schnecken, Springschwänze, aber eben auch Millionen und Abermillionen von Geißeltierchen und noch mehr Bakterien und Pilze und Algen.
Insgesamt steckt in so einer Hand voll Boden mehr Leben, als es Menschen auf der Erde gibt.
Sie bezeichnen den Boden als buchstäbliche Grundlage unseres Lebens und als von unschätzbarem Wert. Was meinen Sie damit?
Die Leistungen der Ökosysteme werden auf 44000 Milliarden
Dollar geschätzt, während der jährliche Verlust an Ökosystemdienstleistungen 60 Milliarden Dollar kostet. Das sind gewaltige Summen.
Es gibt zwei Wege, sich dem zu nähern. Zum einen über die Frage: Wie hängen wir alle vom Boden ab? Er ist ja nicht nur Standort für unsere Häuser und Straßen, sondern auch Wuchsort für alle lebenswichtigen Dinge, die wir so brauchen – vom Getreide bis hin zu den Tieren, die darauf leben. Man kann ihm aber auch einen Wert verleihen, der sich entweder im reinen Bodenwert niederschlägt, sprich: was ein Hektar landwirtschaftliche Fläche kostet, oder eben in sogenannten Ökosystemdienstleistungen. Die Reinigung von Wasser und Luft, das Recycling im Boden, die Speicherung von CO2 – all das bekommen wir von der Natur frei Haus geliefert. Und da gibt es Modelle, die versuchen, diese Leistungen mit einem Wert zu belegen. Das kann auch für Landwirte interessant sein, etwa wenn man sagt, ihr kriegt nicht nur Geld für den Weizen, den ihr darauf anbaut, sondern ihr bekommt auch eine finanzielle Entschädigung dafür, dass ihr durch eure Art der Bewirtschaftung dafür sorgt, dass der Boden mehr CO2 speichert.
Es ist immer etwas schwierig zu fassen, aber man kann ganz gut eine Vorstellung bekommen, wenn man das mal auf die einzelnen Bestandteile im Boden herunterbricht. Zum Beispiel hat man mal errechnet, dass allein die Regenwürmer in Irland rund eine Milliarde Euro erwirtschaften, indem sie den Nährstoffkreislauf am Laufen halten. Ich würde sogar sagen, dass der Wert ein noch höherer ist, weil es eben nicht nur die reine Ökosystemdienstleistung ist, sondern auch der ideelle Wert einer schönen Landschaft, der den der einzelnen Lebewesen sicher noch übersteigt.
Wie viele Bodentypen gibt es eigentlich in Deutschland, und wo findet man die fruchtbarsten Äcker?
Aktuell haben wir 52 Bodentypen in Deutschland plus Subtypen. Als Goldstandard gelten die Schwarzerdeböden in der Magdeburger Börde und Umgebung. Das sind Böden mit einer noch von der letzten Eiszeit stammenden Auflage aus Löss – ein lockeres Sediment, das vom Wind herbeigetragen wurde und ideale Grundvoraussetzungen für einen fruchtbaren, gut durchlüfteten Boden mit viel Humus bietet. Lössauflagen bedecken circa ein Zehntel
der gesamten Landoberfläche, man findet sie in Südrussland ebenso wie im Süden der USA oder Argentinien.
Wie ermittelt man denn so einen Bodentyp?
Dafür benötigt man zunächst mal ein Bodenprofil, also einen von der Erdoberfläche aus erfolgten senkrechten Schnitt durch den Boden. Anhand bestimmter Parameter lässt sich dann sagen, ob es sich zum Beispiel eher um eine Braunerde oder eine Parabraunerde handelt. Das wiederum hilft mir, einzuschätzen, wie fruchtbar der Boden ist, wie viel Regenerationspotenzial er hat, ob er bestimmte Mengen an Wasser halten kann oder wie nährstoffreich er ist. Das Profil ist so eine Art Ausweis, wie der Boden an einem bestimmten Standort unter bestimmten Bedingungen entstanden ist. Das ist aber nichts Endgültiges – so ein Bodentyp kann sich immer wieder verändern. Wachsen beispielsweise in einer Braunerde in Südniedersachsen über viele Generationen Nadelbäume, dann gibt es durch die Nadeln, die auf den Boden fallen und verrotten, bestimmte organische Säuren, die Teile des Bodens bleichen – das schlägt sich dann im Bodenprofil nieder und verändert langfristig auch den Bodentyp.
Es gibt aber ja auch Pflanzen, die viel über den Boden verraten, in dem sie wachsen. In Ihrem Buch erwähnen Sie zum Beispiel eine Studie, laut der Misteln Indikatoren für mit Schwermetall verseuchte Böden sein können.
Ja, es gibt zahlreiche solcher Zeigerpflanzen, das kann man auch bei jedem Spaziergang durch die Nachbarschaft merken. Wenn Sie beispielsweise eine Stelle sehen, an der ganz viele Brennnesseln, Brombeeren oder Löwenzahn wachsen, ist das ein Indikator dafür, dass es dort viel Stickstoff gibt, was wiederum für einen eher sauren Boden spricht, der gut mit Nährstoffen versorgt ist. Neben den Pflanzen kann aber auch der Geruch des Bodens einem ganz viel erzählen.
Zum Beispiel?
Wenn man im Wald spazieren geht und einfach mal eine Hand voll Boden nimmt und daran riecht, ist das wie ein Erweckungserlebnis. Ein Nadelwald hat beispielsweise einen ganz pilzigen Geruch, daraus kann man auch auf die Bodenart und den Bodentyp schließen, denn der Geruch verrät, dass die Zersetzungsarbeit dort aufgrund eines bestimmten Milieus von Pilzen betrieben wird. Wenn man einen Buchenwald auf Kalk hat, ist der sehr viel erdiger, da kommt dann dieser typische Erdgeruch durch. Oder wenn Sie nach einem Sommergewitter infolge einer längeren Trockenzeit diesen Geruch von Regen in der Nase haben, liegt
das am Stoff Geosmin, der letztlich ein Abbauprodukt von Bakterien ist, das durch den Regen riechbar wird.
Wo sehen Sie die größten Gefahren für unseren Boden?
Das Grundproblem besteht darin, dass der Anteil der Böden, den wir für die Lebensmittelerzeugung benötigen, immer weiter schrumpft – zum einen weil wir Bodenverluste durch Erosion haben, und zum anderen, weil Flächen immer noch überbaut werden. Allein in Deutschland kommen täglich 60 Hektar Land durch Versiegelung abhanden – das sind mehr als 54 000 Fußballfelder im Jahr. Ein Wunsch an die Politik wäre daher, dass man die Bodenverduktion siegelung herunterschraubt auf 30 Hektar am Tag, das wäre ein wichtiger Schritt. Ich denke, die größte Gefahr für unseren Boden besteht nämlich darin, dass wir einfach weitermachen wie bisher und den Boden, genau wie Luft und Wasser, als unerschöpfliche Ressource sehen und leichtfertig Flächen zubauen.
Es gibt drei Möglichkeiten: den Boden, den wir haben, pfleglicher zu behandeln, zerstörte Böden zu heilen oder neuen Boden zu schaffen. In den letzten Jahren wurden viele interessante Ideen entwickelt, etwa dass man die landwirtschaftliche Pro
auf Meeresböden verlegt. Daneben gibt es erfolgreiche Versuche, Böden mit Pflanzen zu entgiften oder sie mit Zwischenfrüchten und anderen Bewirtschaftungsformen pfleglicher zu behandeln, indem man flachgründiger pflügt und versucht, den Boden bedeckt zu halten, damit keine Erosion gefördert wird. Die moderne Smart-Farming-Technik ermöglicht es zudem, nur dort zu düngen, wo es unbedingt nötig ist. Dadurch spart man dem Landwirt Geld und der Natur, dass sie belastet wird. Ich habe das Gefühl, dass wir eine ganze Menge von Werkzeugen zur Hand haben und die auch schon nutzen. Denn obwohl es immer noch Widerstände gibt, gegen die man ankämpfen muss, haben mittlerweile die meisten erkannt, dass der Schlüssel, den Boden gesundzuhalten, darin besteht, Erosion einzudämmen, die Wasserhaltefähigkeit zu verbessern und Humus aufzubauen.
Was kann noch getan werden, um den Boden zu schützen?
Und was kann ich selbst tun, um den Boden gesund zu halten?
Wichtig ist, dass man seinen Garten frei hält und darauf achtet, dass etwas darauf wächst, sodass es einen Austausch zwischen Boden, Pflanze und Atmosphäre geben kann. Wenn man nur einen Blumenkasten hat, sollte man keine Erde nehmen, die Torf enthält. Und man sollte darauf achten, dass man keine Plastiktüten in die Biomülltonne wirft. Das hört sich erst mal banal an, ist aber ein großes Problem, denn so gelangt Mikroplastik in die Böden. Generell wäre es wichtig, den eigenen Plastikverbrauch zu überdenken und einzuschränken, denn damit tut man mittelfristig auch etwas für den Boden. Wir wissen mittlerweile, dass schon feinste Mikroplastikfasern die Bodenstruktur verändern. Es ist nur noch nicht klar, wie dramatisch das ist. Fakt ist jedoch, dass die Konzentration an Mikroplastik im Boden bis zu 32-mal höher ist als in Ozeanen.