Elfmeter – ja, nein, vielleicht
Ab der kommenden Saison entscheiden Videoassistenten in der Bundesliga. Wie hilfreich sie sein können, zeigt sich bei Testspielen in Augsburg und Hamburg. Ob das Projekt von DFL und DFB Erfolg hat, hängt von einigen Faktoren ab
Augsburg Manch einer hielt diesen Moment geradezu für historisch. Rund eine halbe Stunde war im Testspiel zwischen dem FC Augsburg und Greuther Fürth absolviert, ehe FCA-Spieler Scherzer Gegenspieler Steininger in die Beine fuhr. Schiedsrichter Marco Fritz entschied auf Strafstoß. Doch obwohl der Ball am Punkt ruhte und Fürths Gjasula Anlauf genommen hatte, durfte er nicht schießen. Fritz nahm die Entscheidung zurück, entschied auf Freistoß außerhalb des Strafraums. Korrigiert hatte ihn ein Videoassistent per Funk über einen Knopf im Ohr.
Diese Szene diente als Ausblick, worauf sich Profis, Verantwortliche und Zuschauer künftig bei Bundesligabegegnungen einstellen müssen. Ab der kommenden Spielzeit mischen sich die Helfer vor den Bildschirmen bei kniffligen Situationen ein. Ihr hehres Ziel: weniger Fehlentscheidungen und Diskussionen, dafür mehr Gerechtigkeit. Konkret werden die Videoassistenten vier Felder bearbeiten: Torentscheidung, Elfmeter, Rote Karte und Spielerverwechslung. Beim Spiel in Augsburg beratschlagten sich Schiedsrichter und Videoassistent viermal. FCA-Trainer Manuel Baum zog ein positives Fazit. Aus gutem Grund. Zunächst dachte er, der Elfmeter für Fürth sei berechtigt, wurde wie Spieler und Schiedsrichter aber eines Besseren belehrt. „Wenn eine Fehlentscheidung revidiert wird, bringt uns das alle voran. Und es gibt keinen Unmut.“
Seit zwei Jahren treiben die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) das Projekt voran. Es beinhaltet mehrere Testphasen. In Jugendspielen seien bewusst Situationen erzeugt worden, erklärt ein DFL-Sprecher. Nun wird, wie in Augsburg geschehen, unter Wettkampfbedingungen geprobt. Die DFL erklärt, in der laufenden Runde hätten bis zum 24. Spieltag 56 von 71 Szenen aufgelöst werden können. Heißt: Ein Restrisiko bleibt. Selbst mehrfache Zeitlupen lassen mitunter Raum für Interpretationen.
Dass noch nicht alles wie gewünscht abläuft, räumte Schiedsrichter Fritz nach der Testbegegnung ein. Knapp eine Minute verstrich, ehe er seine falsche Entschei- dung änderte. Hätte der Fürther Gjasula ausführen müssen, wäre der Torhüter psychologisch im Vorteil gewesen. Schiedsrichter Fritz versichert: „Das wird im Live-Betrieb nicht so lange dauern, weil mehr Kameras zur Verfügung stehen.“Beim Testspiel in Augsburg waren es deren sechs, an Bundesligaspieltagen sind bis zu zehn im Einsatz. Wobei noch geprüft wird, wie viele Perspektiven letztlich nötig sind. Umso mehr Bilder der Videoassistent begutachten muss, umso länger dauert der Entscheidungsprozess, umso länger zieht sich das Spiel.
Nur ein reibungsloser Ablauf in der Technik garantiert den Erfolg des Projekts. Im Replay-Center in Köln laufen die Bilder ein, die die DFL-Tochter Sportcast liefert und ein Systemspezialist verarbeitet. Es sind die gleichen Bilder, die den Fernsehsendern zur Verfügung gestellt werden. Die Videoassistenten sollen in einem neutralen Umfeld, ohne emotionale Einflüsse eines Stadions, entscheiden.
Kontakt aufnehmen kann sowohl der Schiedsrichter als auch der Assistent im Studio. Mit einem in die Luft skizzierten Bildschirm, bekannt aus Eishockey oder Hockey, kündigt der Schiedsrichter den Videobeweis an. Geschult werden derzeit alle 23 Bundesligaschiedsrichter. Sie rotieren, stehen mal auf dem Platz, überwachen mal das Geschehen am Bildschirm. Im Videoassistenten-Pool finden sich zudem Schiedsrichter, die aus Altersgründen ihre aktive Laufbahn beenden mussten.
Hellmut Krug, SchiedsrichterManager der DFL, erläutert die Schwierigkeiten. Auf dem Platz entscheide der Schiedsrichter aufgrund der Wahrnehmung der realen Situation. Jetzt müssten sie zudem ein Gefühl für die Wiederholung von Spielszenen bekommen, so Krug.
Nicht nur beim Test in Augsburg bewährte sich der Videobeweis, ebenso bei einem Übungsspiel des Hamburger SV. Lasoggas Treffer gegen den Oberligisten BarmbekUhlenhorst wurde aberkannt – der Videoassistent hatte ein Foul entdeckt. Weil DFB und DFL bereits in der Saison 2017/18 den Videoassistenten „scharf“stellen, erhoffen sie sich eine Vorreiterrolle. Sie sind weiter als andere Nationen. Neben Deutschland testen Belgien, Frankreich, Italien, Niederlande, Portugal und Tschechien, außerdem Australien, Brasilien, Katar und die USA. Bei der WM 2018 in Russland will der Weltverband Fifa den Videoassistenten einsetzen.
Selbst FCA Trainer Baum täuscht sich beim Elfmeter