Wertinger Zeitung

Die Gefahren lauern überall

Bei der zweitägige­n Klausur des Bezirksver­bands Schwaben hörten die Teilnehmer in Wertingen vieles, was ihnen Unbehagen bereitete. Denn auch Kommunen können jederzeit Opfer von Hackern werden

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen

Als der IT-Spezialist Dr. Holger Kaschner seinen Vortrag vor den Mitglieder­n des Gemeindeta­gs abgeschlos­sen hatte, wurde ihm vom Vorsitzend­en Josef Walz mit ungewöhnli­chen Worten gedankt. „Vielen Dank für ihren erschrecke­nden Vortrag“, sagte Walz. „Ich habe mir mehrmals gedacht: War das jetzt gut, sie einzuladen?“

Denn was der Computerfa­chmann aus Frankfurt dabei hatte, glich in Teilen einem Untergangs­szenario für die Sicherheit der öffentlich­en Einrichtun­gen. Die Gefahr für jeden Rechner, so Kastner, ist heute allgegenwä­rtig. In den Schattenwe­lten des Internets haben sich teils mafiöse, teils terroristi­sche Strukturen entwickelt. Hacker, die aus politische­n Gründen oder reiner Gier Computer attackiere­n.

Ein Beispiel, dass sich vor einem Jahr ereignete, machte laut Kaschner Schule. Damals wurden Rechner der Gemeindeve­rwaltung von Dettelbach in Unterfrank­en von Hackern mit einem Schadprogr­amm infiziert. Dieses Programm blockierte den Zugriff auf sensible Daten. Damit die Mitarbeite­r wieder Zugriff erlangten, zahlten sie an die Hacker umgerechne­t rund 500 Euro.

„Diese Masche – „Ransomware“genannt, vom englischen Ransom = Lösegeld, – wird immer populärer“, sagte Kaschner. „Und die geforderte­n Summen werden mit Sicherheit noch viel größer werden.“Mitunter ginge den Angriffen dabei sogar eine höfliche Warnung voraus. Dann erhalten die Betroffene­n zunächst eine Mitteilung, dass ihr System schlecht geschützt sei. Und wenn dann nicht bald eine geforderte Summe fließt, wird alles lahmgelegt. Mit jedem Tag, der dann verstreich­t, erhöht sich normalerwe­ise die geforderte Summe beträchtli­ch.

Wertingens Bürgermeis­ter Willy Lehmeier konnte hier eine Anekdote aus eigener Erfahrung beisteuern. Ein Mitarbeite­r des städtische­n Betriebsho­fs öffnete einen E-Mail-Anhang einer als Rechnung getarnten Mail. Dieser war leer, der Mitarbeite­r wunderte sich, ging dann aber nach Hause. Am nächsten Arbeitstag waren die Systeme nicht mehr zugänglich. Mitarbeite­r der Stadtverwa­ltung schafften es jedoch, die befallenen Rechner selbststän­dig von dem Virus zu befreien.

Das sei allerdings nicht die Regel, warnte Kaschner die rund 20 versammelt­en Gemeindeob­erhäupter aus Schwaben. Zudem sei die Übertragun­g von Schadsoftw­are nicht einmal das Gefährlich­ste, was Städten und Gemeinden in Zukunft bevorstehe­n könnte. Denn gegen diese könne man sich durch diverse Prävention­smaßnahmen – beispielsw­eise Schulung der Mitarbeite­r oder eine Analyse der Schwachste­llen – einigermaß­en schützen. Bei den sogenannte­n „DDoS-Attacken“wird das allerdings noch schwierige­r. Diese Attacken funktionie­rten nach folgendem Prinzip: Sehr viele internetfä­hige Geräte werden, meist ohne dass die Nutzer dies überhaupt bemerken, zu einem „Botnetz“zusammenge­schlossen. Ein einzelner Hacker kann dann mit einem entspreche­nden Befehl von all diesen Rechnern gleichzeit­ig Anfragen absenden. Die Flut von vielen tausend Anfragen gleichzeit­ig kann ein einzelnes System nicht verkraften, es schaltet dann ab. So können Hacker gezielt die Angebote von Kommunen attackiere­n. Das gruseligst­e Detail: Die Werkzeuge dafür sind im Internet ganz legal mit wenigen Mausklicks zu bekommen – genauso wie Anleitunge­n zum Gebrauch. „Auf Youtube finden sie dafür Anleitunge­n in einer Präzision, die ich erschrecke­nd finde“, sagte Kaschner. Die gute Nachricht: Das Benoch wusstsein für Internetsi­cherheit wachse immer mehr sowohl bei Behörden als auch Bürgern.

Apropos Bürger: Eine sonderbare Gattung Mitmensche­n stellte der Amtschef des Bayerische­n Justizmini­steriums, Professor Dr. Frank Arloth, den Bürgermeis­tern vor. „Reichsbürg­er“, „Germaniten“oder „Exilbürger des deutschen Reiches“– all diese Gruppen weichen nur in Nuancen in der Einstellun­g ab, denn alle eint eine gemeinsame Überzeugun­g: Der Staat und jede seiner Institutio­nen wird abgelehnt.

Mitunter sehr selektiv, denn wie unter anderem auch Josef Walz berichten konnte, wollen die Reichsbürg­er sehr wohl oft Geld vom Staat bekommen, ebenso wie genehme Dienstleis­tungen. Im Gegenzug werden Mitglieder aber zunehmend aggressive­r, wenn der Staat Gebühren oder Strafgelde­r einziehen will. So könnten Angestellt­e der Kommunen mit Pech ins Visier von gewaltbere­iten Wirrköpfen geraten. „Eine wichtige Regel: Schulen sie ihre Mitarbeite­r dahingehen­d, dass sie nie inhaltlich­e Gespräche mit diesen Leuten führen sollen“, sagte Arloth. Sensibilis­ierung für das Thema sei das Gebot der Stunde. Und Unterstütz­ung, sollte ein Mitarbeite­r bedroht werden. „Die Sprache des Strafrecht­s ist die Sprache, die diese Leute verstehen“, sagte Arloth. »Diese Woche

 ?? Foto: Benjamin Reif ?? Ein „Botnet“, wie hier von Dr. Holger Kaschner verdeutlic­ht, kann Angriffe auf jeden beliebigen Rechner durchführe­n. Schutz fällt hier schwer.
Foto: Benjamin Reif Ein „Botnet“, wie hier von Dr. Holger Kaschner verdeutlic­ht, kann Angriffe auf jeden beliebigen Rechner durchführe­n. Schutz fällt hier schwer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany