Die Gefahren lauern überall
Bei der zweitägigen Klausur des Bezirksverbands Schwaben hörten die Teilnehmer in Wertingen vieles, was ihnen Unbehagen bereitete. Denn auch Kommunen können jederzeit Opfer von Hackern werden
Wertingen
Als der IT-Spezialist Dr. Holger Kaschner seinen Vortrag vor den Mitgliedern des Gemeindetags abgeschlossen hatte, wurde ihm vom Vorsitzenden Josef Walz mit ungewöhnlichen Worten gedankt. „Vielen Dank für ihren erschreckenden Vortrag“, sagte Walz. „Ich habe mir mehrmals gedacht: War das jetzt gut, sie einzuladen?“
Denn was der Computerfachmann aus Frankfurt dabei hatte, glich in Teilen einem Untergangsszenario für die Sicherheit der öffentlichen Einrichtungen. Die Gefahr für jeden Rechner, so Kastner, ist heute allgegenwärtig. In den Schattenwelten des Internets haben sich teils mafiöse, teils terroristische Strukturen entwickelt. Hacker, die aus politischen Gründen oder reiner Gier Computer attackieren.
Ein Beispiel, dass sich vor einem Jahr ereignete, machte laut Kaschner Schule. Damals wurden Rechner der Gemeindeverwaltung von Dettelbach in Unterfranken von Hackern mit einem Schadprogramm infiziert. Dieses Programm blockierte den Zugriff auf sensible Daten. Damit die Mitarbeiter wieder Zugriff erlangten, zahlten sie an die Hacker umgerechnet rund 500 Euro.
„Diese Masche – „Ransomware“genannt, vom englischen Ransom = Lösegeld, – wird immer populärer“, sagte Kaschner. „Und die geforderten Summen werden mit Sicherheit noch viel größer werden.“Mitunter ginge den Angriffen dabei sogar eine höfliche Warnung voraus. Dann erhalten die Betroffenen zunächst eine Mitteilung, dass ihr System schlecht geschützt sei. Und wenn dann nicht bald eine geforderte Summe fließt, wird alles lahmgelegt. Mit jedem Tag, der dann verstreicht, erhöht sich normalerweise die geforderte Summe beträchtlich.
Wertingens Bürgermeister Willy Lehmeier konnte hier eine Anekdote aus eigener Erfahrung beisteuern. Ein Mitarbeiter des städtischen Betriebshofs öffnete einen E-Mail-Anhang einer als Rechnung getarnten Mail. Dieser war leer, der Mitarbeiter wunderte sich, ging dann aber nach Hause. Am nächsten Arbeitstag waren die Systeme nicht mehr zugänglich. Mitarbeiter der Stadtverwaltung schafften es jedoch, die befallenen Rechner selbstständig von dem Virus zu befreien.
Das sei allerdings nicht die Regel, warnte Kaschner die rund 20 versammelten Gemeindeoberhäupter aus Schwaben. Zudem sei die Übertragung von Schadsoftware nicht einmal das Gefährlichste, was Städten und Gemeinden in Zukunft bevorstehen könnte. Denn gegen diese könne man sich durch diverse Präventionsmaßnahmen – beispielsweise Schulung der Mitarbeiter oder eine Analyse der Schwachstellen – einigermaßen schützen. Bei den sogenannten „DDoS-Attacken“wird das allerdings noch schwieriger. Diese Attacken funktionierten nach folgendem Prinzip: Sehr viele internetfähige Geräte werden, meist ohne dass die Nutzer dies überhaupt bemerken, zu einem „Botnetz“zusammengeschlossen. Ein einzelner Hacker kann dann mit einem entsprechenden Befehl von all diesen Rechnern gleichzeitig Anfragen absenden. Die Flut von vielen tausend Anfragen gleichzeitig kann ein einzelnes System nicht verkraften, es schaltet dann ab. So können Hacker gezielt die Angebote von Kommunen attackieren. Das gruseligste Detail: Die Werkzeuge dafür sind im Internet ganz legal mit wenigen Mausklicks zu bekommen – genauso wie Anleitungen zum Gebrauch. „Auf Youtube finden sie dafür Anleitungen in einer Präzision, die ich erschreckend finde“, sagte Kaschner. Die gute Nachricht: Das Benoch wusstsein für Internetsicherheit wachse immer mehr sowohl bei Behörden als auch Bürgern.
Apropos Bürger: Eine sonderbare Gattung Mitmenschen stellte der Amtschef des Bayerischen Justizministeriums, Professor Dr. Frank Arloth, den Bürgermeistern vor. „Reichsbürger“, „Germaniten“oder „Exilbürger des deutschen Reiches“– all diese Gruppen weichen nur in Nuancen in der Einstellung ab, denn alle eint eine gemeinsame Überzeugung: Der Staat und jede seiner Institutionen wird abgelehnt.
Mitunter sehr selektiv, denn wie unter anderem auch Josef Walz berichten konnte, wollen die Reichsbürger sehr wohl oft Geld vom Staat bekommen, ebenso wie genehme Dienstleistungen. Im Gegenzug werden Mitglieder aber zunehmend aggressiver, wenn der Staat Gebühren oder Strafgelder einziehen will. So könnten Angestellte der Kommunen mit Pech ins Visier von gewaltbereiten Wirrköpfen geraten. „Eine wichtige Regel: Schulen sie ihre Mitarbeiter dahingehend, dass sie nie inhaltliche Gespräche mit diesen Leuten führen sollen“, sagte Arloth. Sensibilisierung für das Thema sei das Gebot der Stunde. Und Unterstützung, sollte ein Mitarbeiter bedroht werden. „Die Sprache des Strafrechts ist die Sprache, die diese Leute verstehen“, sagte Arloth. »Diese Woche