Wer ist schuld am Ausfall der neuen Busse?
Nahverkehr Dass die 23 „Silberlinge“der Stadtwerke vorerst nicht mehr fahren dürfen, hat für die Kunden keine größeren Auswirkungen. Doch hinter den Kulissen geht es um die Frage, wer für die Sicherheitspanne geradestehen muss
Augsburg Bei den Stadtwerken war man von den neuen Linienbussen überzeugt: Die 23 Mercedes-Busse, die im vergangenen Jahr neu angeschafft wurden, wurden von den Verantwortlichen der Verkehrssparte für ihren Komfort und ihre Wirtschaftlichkeit gelobt. Kritik, dass erstmals seit Jahrzehnten der Hersteller MAN nicht zum Zug kam, ließen die Stadtwerke nicht gelten. Seit die komplette neue Busflotte am Freitag wegen Sicherheitsproblemen bei der Türsteuerung vorerst stillgelegt werden musste, hat das Verhältnis zu Mercedes gelitten.
Walter Casazza, Geschäftsführer der Stadtwerke, bezeichnete die Situation am Freitag als „sehr ärgerlich“. Auch deshalb, weil der Ausfall dem Ansehen der sonst „sehr guten“Fahrzeuge schade. Nachdem es schon vor einem Jahr eine Störung bei der Türsteuerung gegeben hatte, habe der Hersteller versichert, das Software-Problem sei behoben. Casazza sagt jetzt: „Das war offensichtlich ein Trugschluss.“Die Stadtwerke kündigten gestern an, in jedem Fall Schadensersatz bei Mercedes für Miete und Umrüstung von Ersatzfahrzeugen geltend zu machen. Die Höhe ist noch unklar, weil ungewiss ist, wie lange die „Silberlinge“, wie sie wegen ihrer Lackierung genannt werden, ausfallen.
Betroffen von der Bus-Stilllegung ist auch ein anderer Nahverkehrsanbieter in der Region: die Regionalbus Augsburg GmbH (RBA). Sie fährt Regionalbusverkehre ins Umland für den Augsburger Tarif- und Verkehrsverbund (AVV). Bei der RBA müssen 19 Mercedes-Busse mit demselben Türsystem in die Werkstatt. Anders als die Stadtwerke sieht RBA-Geschäftsführer Ralf Höppner den schwarzen Peter nicht beim Bushersteller Mercedes. Denn die elektronisch gesteuerten Türsysteme eines hessischen Herstellers seien eigens auf Wunsch der RBA eingebaut worden, so seine Auskunft. „Dieses System hatte uns we- gen seines Komforts überzeugt.“Bisher gängige Systeme mit Druckluft seien in bestimmten Situationen – etwa bei Kälte – störungsanfällig. Höppner sagt aber, dass Mercedes lieber andere Türen eingebaut hätte. Nach Informationen unserer Zeitung fürchtete man bei Mercedes wohl, dass die neue Technik noch nicht ganz ausgereift ist. Die Stadtwerke sagen hingegen, dass die in ihren Bussen verbaute Türsteuerung „Standard“sei.
Betroffen von den Problemen sind Verkehrsunternehmen in ganz Europa. Insgesamt gehe es um 275 Fahrzeuge, so eine Sprecherin von Daimler zu unserer Zeitung. Das Problem sei die Software, welche die Türen steuert. Sie könnte die Türen aufgrund eines Fehlers auch während der Fahrt kraftlos schalten – dann ließen sie sich durch Druck öffnen, selbst wenn der Bus in voller Fahrt ist. Man arbeite mit Hochdruck an einer Lösung.
Wie es heißt, wurde den Stadtwerken und der RBA inzwischen signalisiert, dass die neue Software womöglich bereits am kommenden Dienstag aufgespielt werden könnte. Dann würden die neuen Busse nur wenige Tage ausfallen. Intern aber kalkuliert man sicherheitshalber bis Ostern. Um das Problem zu beheben, wird es voraussichtlich nicht nötig sein, die Busse ins Werk nach Mannheim zu bringen.
Einschränkungen für die Fahrgäste soll es laut Stadtwerken nicht geben. 23 Busse fallen weg und nur zwölf Ersatzfahrzeuge wurden ausgeliehen, doch das reicht nach den Rechnungen der Verkehrsbetriebe. Die Leihbusse sollen vor allem in Spitzenzeiten am Morgen eingesetzt werden. „Den Rest des Tages werden wir mit unserer restlichen Flotte bestreiten“, so Casazza. Dafür werden die verbliebenen rund 65 Busse verstärkt nachts gewartet, damit sie tagsüber zur Verfügung stehen. Am Montag hat das Ersatzkonzept seine Feuertaufe. „Es werden alle Fahrten stattfinden, einschließlich der Verstärkerfahrten im morgendlichen Berufsverkehr“, so Stadtwerkesprecher Jürgen Fergg.
Was den Komfort angeht, gibt es keine größeren Abstriche: Bei den Ersatzbussen handelt es sich zum Teil ebenfalls um Gelenkbusse mit ähnlicher Kapazität wie die neuen Fahrzeuge. Es sind ebenfalls Niederflurbusse, sodass auch Gehbehinderte, Rollstuhlfahrer und Eltern mit Kinderwagen ohne größeren Aufwand zusteigen können. Neben privaten Busunternehmen helfen auch andere Verkehrsbetriebe, etwa aus Stuttgart, mit Bussen aus. Auch Fahrkarten sollen in den Fahrzeugen erhältlich sein, sagt Casazza.
Trotz des Ärgers hält man bei den Stadtwerken an Mercedes fest. „Die Fahrzeuge haben grundsätzlich voll überzeugt“, so Casazza. Für die nächsten Jahre hat das Unternehmen eine Option für rund 50 weitere Busse. Sie sollen ältere MAN-Busse, die turnusgemäß ausgemustert werden, ersetzen. Man sehe momentan keinen Anlass, diese Entscheidung infrage zu stellen, so Casazza.
Die Mercedes-Busse der RBA sind im Raum Augsburg vor allem im südlichen Bereich im Einsatz – etwa in Königsbrunn und Bobingen. „Es ist uns zum Glück gelungen, ausreichend Ersatz zu beschaffen“, sagt Ralf Höppner. Allerdings seien diese Busse teils deutlich älter. Man habe sich aber mit dem AVV abgestimmt und die Situation erklärt. Laut AVV ist die RBA das einzige betroffene Unternehmen bei den Busfirmen, die im Auftrag des Verkehrsverbundes fahren.
Normalerweise droht den Busfirmen eine Strafzahlung, wenn sie ältere Busse einsetzen, die etwa bei Ausstattung und Gestaltung nicht den Vorgaben des AVV entsprechen. Nach Informationen unserer Zeitung geht es um rund 250 Euro pro Bus und Tag. Bei der Regionalbus Augsburg GmbH, die überwiegend im Besitz mittelständischer Busunternehmer ist, rechnet man aber nicht damit, dass der Verkehrsverbund in dieser Lage auf Strafzahlungen besteht. »Kommentar