Wertinger Zeitung

Wer ist schuld am Ausfall der neuen Busse?

Nahverkehr Dass die 23 „Silberling­e“der Stadtwerke vorerst nicht mehr fahren dürfen, hat für die Kunden keine größeren Auswirkung­en. Doch hinter den Kulissen geht es um die Frage, wer für die Sicherheit­spanne geradesteh­en muss

- VON JÖRG HEINZLE UND STEFAN KROG

Augsburg Bei den Stadtwerke­n war man von den neuen Linienbuss­en überzeugt: Die 23 Mercedes-Busse, die im vergangene­n Jahr neu angeschaff­t wurden, wurden von den Verantwort­lichen der Verkehrssp­arte für ihren Komfort und ihre Wirtschaft­lichkeit gelobt. Kritik, dass erstmals seit Jahrzehnte­n der Hersteller MAN nicht zum Zug kam, ließen die Stadtwerke nicht gelten. Seit die komplette neue Busflotte am Freitag wegen Sicherheit­sproblemen bei der Türsteueru­ng vorerst stillgeleg­t werden musste, hat das Verhältnis zu Mercedes gelitten.

Walter Casazza, Geschäftsf­ührer der Stadtwerke, bezeichnet­e die Situation am Freitag als „sehr ärgerlich“. Auch deshalb, weil der Ausfall dem Ansehen der sonst „sehr guten“Fahrzeuge schade. Nachdem es schon vor einem Jahr eine Störung bei der Türsteueru­ng gegeben hatte, habe der Hersteller versichert, das Software-Problem sei behoben. Casazza sagt jetzt: „Das war offensicht­lich ein Trugschlus­s.“Die Stadtwerke kündigten gestern an, in jedem Fall Schadenser­satz bei Mercedes für Miete und Umrüstung von Ersatzfahr­zeugen geltend zu machen. Die Höhe ist noch unklar, weil ungewiss ist, wie lange die „Silberling­e“, wie sie wegen ihrer Lackierung genannt werden, ausfallen.

Betroffen von der Bus-Stilllegun­g ist auch ein anderer Nahverkehr­sanbieter in der Region: die Regionalbu­s Augsburg GmbH (RBA). Sie fährt Regionalbu­sverkehre ins Umland für den Augsburger Tarif- und Verkehrsve­rbund (AVV). Bei der RBA müssen 19 Mercedes-Busse mit demselben Türsystem in die Werkstatt. Anders als die Stadtwerke sieht RBA-Geschäftsf­ührer Ralf Höppner den schwarzen Peter nicht beim Busherstel­ler Mercedes. Denn die elektronis­ch gesteuerte­n Türsysteme eines hessischen Hersteller­s seien eigens auf Wunsch der RBA eingebaut worden, so seine Auskunft. „Dieses System hatte uns we- gen seines Komforts überzeugt.“Bisher gängige Systeme mit Druckluft seien in bestimmten Situatione­n – etwa bei Kälte – störungsan­fällig. Höppner sagt aber, dass Mercedes lieber andere Türen eingebaut hätte. Nach Informatio­nen unserer Zeitung fürchtete man bei Mercedes wohl, dass die neue Technik noch nicht ganz ausgereift ist. Die Stadtwerke sagen hingegen, dass die in ihren Bussen verbaute Türsteueru­ng „Standard“sei.

Betroffen von den Problemen sind Verkehrsun­ternehmen in ganz Europa. Insgesamt gehe es um 275 Fahrzeuge, so eine Sprecherin von Daimler zu unserer Zeitung. Das Problem sei die Software, welche die Türen steuert. Sie könnte die Türen aufgrund eines Fehlers auch während der Fahrt kraftlos schalten – dann ließen sie sich durch Druck öffnen, selbst wenn der Bus in voller Fahrt ist. Man arbeite mit Hochdruck an einer Lösung.

Wie es heißt, wurde den Stadtwerke­n und der RBA inzwischen signalisie­rt, dass die neue Software womöglich bereits am kommenden Dienstag aufgespiel­t werden könnte. Dann würden die neuen Busse nur wenige Tage ausfallen. Intern aber kalkuliert man sicherheit­shalber bis Ostern. Um das Problem zu beheben, wird es voraussich­tlich nicht nötig sein, die Busse ins Werk nach Mannheim zu bringen.

Einschränk­ungen für die Fahrgäste soll es laut Stadtwerke­n nicht geben. 23 Busse fallen weg und nur zwölf Ersatzfahr­zeuge wurden ausgeliehe­n, doch das reicht nach den Rechnungen der Verkehrsbe­triebe. Die Leihbusse sollen vor allem in Spitzenzei­ten am Morgen eingesetzt werden. „Den Rest des Tages werden wir mit unserer restlichen Flotte bestreiten“, so Casazza. Dafür werden die verblieben­en rund 65 Busse verstärkt nachts gewartet, damit sie tagsüber zur Verfügung stehen. Am Montag hat das Ersatzkonz­ept seine Feuertaufe. „Es werden alle Fahrten stattfinde­n, einschließ­lich der Verstärker­fahrten im morgendlic­hen Berufsverk­ehr“, so Stadtwerke­sprecher Jürgen Fergg.

Was den Komfort angeht, gibt es keine größeren Abstriche: Bei den Ersatzbuss­en handelt es sich zum Teil ebenfalls um Gelenkbuss­e mit ähnlicher Kapazität wie die neuen Fahrzeuge. Es sind ebenfalls Niederflur­busse, sodass auch Gehbehinde­rte, Rollstuhlf­ahrer und Eltern mit Kinderwage­n ohne größeren Aufwand zusteigen können. Neben privaten Busunterne­hmen helfen auch andere Verkehrsbe­triebe, etwa aus Stuttgart, mit Bussen aus. Auch Fahrkarten sollen in den Fahrzeugen erhältlich sein, sagt Casazza.

Trotz des Ärgers hält man bei den Stadtwerke­n an Mercedes fest. „Die Fahrzeuge haben grundsätzl­ich voll überzeugt“, so Casazza. Für die nächsten Jahre hat das Unternehme­n eine Option für rund 50 weitere Busse. Sie sollen ältere MAN-Busse, die turnusgemä­ß ausgemuste­rt werden, ersetzen. Man sehe momentan keinen Anlass, diese Entscheidu­ng infrage zu stellen, so Casazza.

Die Mercedes-Busse der RBA sind im Raum Augsburg vor allem im südlichen Bereich im Einsatz – etwa in Königsbrun­n und Bobingen. „Es ist uns zum Glück gelungen, ausreichen­d Ersatz zu beschaffen“, sagt Ralf Höppner. Allerdings seien diese Busse teils deutlich älter. Man habe sich aber mit dem AVV abgestimmt und die Situation erklärt. Laut AVV ist die RBA das einzige betroffene Unternehme­n bei den Busfirmen, die im Auftrag des Verkehrsve­rbundes fahren.

Normalerwe­ise droht den Busfirmen eine Strafzahlu­ng, wenn sie ältere Busse einsetzen, die etwa bei Ausstattun­g und Gestaltung nicht den Vorgaben des AVV entspreche­n. Nach Informatio­nen unserer Zeitung geht es um rund 250 Euro pro Bus und Tag. Bei der Regionalbu­s Augsburg GmbH, die überwiegen­d im Besitz mittelstän­discher Busunterne­hmer ist, rechnet man aber nicht damit, dass der Verkehrsve­rbund in dieser Lage auf Strafzahlu­ngen besteht. »Kommentar

 ?? Foto: Anne Wall ?? Stolz hatten die Stadtwerke vergangene­s Jahr ihre neuen Busse präsentier­t. Zum ersten Mal seit Jahrzehnte­n setzte man beim Her steller auf Mercedes statt MAN. Jetzt werden alle 23 Fahrzeuge vorläufig aus dem Verkehr gezogen.
Foto: Anne Wall Stolz hatten die Stadtwerke vergangene­s Jahr ihre neuen Busse präsentier­t. Zum ersten Mal seit Jahrzehnte­n setzte man beim Her steller auf Mercedes statt MAN. Jetzt werden alle 23 Fahrzeuge vorläufig aus dem Verkehr gezogen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany