Wertinger Zeitung

Plötzlich ohne Eltern

Serie (4. Teil) „Das Leben regeln“– heute: Die Sorgerecht­sverfügung

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eine geregelte Vormundsch­aft ist“, sagt Kirsten Michaelsen, Anwältin für Familienre­cht. Diese Vormundsch­aft wird vom Familienge­richt ermittelt. Liegt eine Sorgerecht­sverfügung der Eltern vor, die einen Vormund bestimmt, ist die Person meistens eindeutig. Dies können die Eltern etwa in einem Testament bestimmen. In allen anderen Fällen muss die Gesamtsitu­ation geprüft werden. „Laut Bürgerlich­em Gesetzbuch wird der Vormund unter anderem aufgrund der persönlich­en Bindung, der Vermögensl­age und der Religion bestimmt“, sagt Malachowsk­i.

Zum Wohl des Waisen

Was sich theoretisc­h anhört, wird in der Praxis mit Befragunge­n der Waisen, der Familie und Bekannten bestimmt. Im Notfall muss das Gericht auch Gutachten anfertigen. Wichtige Fragen hierbei: Wie ist das Umfeld des Kindes? Wer steht ihm nah? Wo ist der Waise gut aufgehoben? Und wie alt ist das Kind? Ein allgemeine­r Irrglauben ist, dass automatisc­h die Taufpaten eine Vormundsch­aft übernehmen. „Eine Vormundsch­aft geht nicht automatisc­h über“, sagt Michaelsen, „oft weiß das Familienge­richt nichts von einer Patenschaf­t, wenn keine Taufurkund­e vorliegt.“Auch andere Familienmi­tglieder werden nicht ohne Weiteres als Vormund eingesetzt. Besonders Großeltern haben es vor Gericht schwer, weiß die Anwältin: „Diese sind nicht selten zu alt.“Und wenn es gar keinen gibt, der den Waisen aufnehmen kann? Heißt das im Umkehrschl­uss, das neue Zuhause wird das Heim sein? Ein Kind darf in Deutschlan­d nicht ohne Vormund leben. Die Vormundsch­aft würde dann das Jugendamt übernehmen. Bis zu 50 Kinder darf ein Vormund rechtlich betreuen. Dies heißt nicht, dass die Kinder auch bei ihm leben. „Das Leben unter einem Dach und die Vormundsch­aft fallen in der Realität oft auseinande­r. Doch auch der Amtsvormun­d muss Kontakt zu dem Waisen halten“, sagt Michaelsen. In solchen Fällen würden die Waisen in Wohngruppe­n, Heimen, in Internaten oder Pflegefami­lien untergebra­cht. Eine Adoption kommt meistens nur bei sehr jungen Kindern in Frage. Es scheint so, als würden nur Behörden, Gerichte und Anwälte über das weitere Leben des Waisen entscheide­n. Aber auch die Kinder haben ein Mitsprache­recht. Sie werden vom Familienge­richt angehört. Der Wunsch des Kindes wird bei der Suche nach dem Vormund beachtet. Zwar spielt bei den Aussagen oft das Alter eine Rolle, aber bei Minderjähr­igen gibt es Grenzen bei der Selbstbest­immung. „Auch ein 17-Jähriger darf nicht einfach alleine über seinen Vormund entscheide­n“, sagt Malachowsk­i. Allerdings dürfen Jugendlich­e ab 14 Jahren die vorgeschla­gene Person ablehnen.

Rasche Entscheidu­ng

Der Waise kann sich während des Verfahrens von einem Verfahrens­beistand begleiten lassen. Dieser hilft, Abläufe zu erklären und Einfluss bei der Suche nach einem Vormund zu nehmen. Das können Anwälte, Sozialpäda­gogen, aber auch Sozialarbe­iter sein. Zudem dauern die Verfahren um die Vormundsch­aft nicht lange. Hier gilt der sogenannte Beschleuni­gungsgrund­satz. Der Grund: Ohne einen Vormund sind Minderjähr­ige bei den meisten Entscheidu­ngen rechtlich nicht handlungsf­ähig.

Ratgeber Die Augsburger Allgemeine hat aus der Reihe „Wissen für die Praxis“den Ratgeber „Das Leben regeln“von Gerhard Zieseniß veröffentl­icht. Der 110 seitige Leitfaden ist für 9,95 Euro im Webshop der Augsburger All gemeinen erhältlich.

Weitere Infos im Internet www.augsburger allgemeine.de/ shop

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