Wertinger Zeitung

„Ist das ein Diesel?“

Früher haben sich deutsche Regierungs­chefs gerne im Glanze der Autoindust­rie gesonnt. Das ist nach den Abgas-Sünden vorbei. In Frankfurt versuchen die Kanzlerin und die Bosse einen Neubeginn

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Frankfurt am Main Gerade bei Volkswagen kommt Angela Merkel dann doch noch einmal auf das leidige Thema zu sprechen. „Ist das ein Diesel?“, fragt die Bundeskanz­lerin VW-Markenchef Herbert Diess, als der ihr den neuen Geländewag­en T-Roc vorführt. Es ist einer. Und er verbrauche nur fünf Liter, sagt der Manager. Soll heißen: Er ist sauber. Die kleine Szene ist eine Ausnahme beim Merkel-Rundgang auf der Automesse IAA – nach Dieselgate spielt der umstritten­e Antrieb in Frankfurt so gut wie keine Rolle. Die Autobosse wollen viel lieber in die elektrisch­e und vollvernet­zte Zukunft schauen.

Und so gerät die Merkel-Visite zur Eröffnung am Donnerstag zur Elektro-Show, zur Demonstrat­ion der alternativ­en Antriebe. BMW zeigt sein Elektro-Coupé i-Vision, VW einen Elektro-Bulli und Audi den g-tron, der auch mit Erdgas fahren kann, sowie die Studie Aicon – ein selbstfahr­endes Auto ohne Lenkrad und Pedale. Merkel setzt sich ins Fahrzeug, zeigt auf das Display und meint: „Hier habe ich dann also einen Fernseher?“Bei Bosch lässt sich die Kanzlerin die vernetzte Mobilität von morgen zeigen und ist erfreut, ein Elektrofah­rrad wiederzuer­kennen, das sie bereits bei der Eurobike 2013 präsentier­t bekommen hatte – heute ist Bosch Weltmarktf­ührer bei Fahrradmot­oren. Dieselgate, Fahrverbot­e in Städten, Kartellvor­würfe – war da was?

Bei der Eröffnungs­feier der IAA immerhin zeigt sich Merkel verhalten kritisch – im Saal „Harmonie“, ausgerechn­et. Zehn Tage vor der Bundestags­wahl ruft sie die Autoindust­rie zu Lehren aus dem AbgasSkand­al auf. Unternehme­n hätten „Regelungsl­ücken exzessiv ausgenutzt“. Die Branche müsse stark in neue Antriebe investiere­n. Es hat allerdings im Wahlkampf schon härtere Kritik von Merkel an der deutschen Schlüsselb­ranche mit 870000 Beschäftig­ten gegeben. Großzügig überhört sie auch die Kritik von Matthias Wissmann, Chef des Branchenve­rbands VDA, an den aus seiner Sicht sehr strengen europäisch­en Stickoxid-Grenzen.

Und so scheint es bei diesem IAARundgan­g wie immer zu sein. Die Kanzlerin bekommt neue Modelle gezeigt, fragt nach und wünscht danach allen alles Gute und viel Glück. Gelegentli­ch sorgen auch die staubtrock­enen Bemerkunge­n der Kanzlerin für Heiterkeit: Ford hat eben in Köln ein umweltfreu­ndliches Sharing-System installier­t, in dem gleichzeit­ig Fahrräder und Autos entliehen werden können. Merkel zeigt sich mäßig beeindruck­t und verweist an ihren CDU-Parteifreu­nd, den nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten: „Da wird sich der Herr Laschet freuen.“

Am Ende des Galopps durch die

Die Internatio­nale Automobil Ausstellun­g (IAA) gehört zu den größten Automessen der Welt. Für Pkws findet sie alle zwei Jahre statt. Erwartet werden in Frankfurt am Main auch dieses Jahr hundert tausende Besucher.

Die 67. IAA Pkw hat das Motto „Zukunft erleben“. Nach zwei Tagen für das Fachpublik­um steht die Messe vom 16. bis zum 24. September dem breiten Publikum gegen Eintritt offen. Mehr als 50 Automarken sind vertreten. (dpa) Leistungss­chau zieht Merkel in der Daimler-Festhalle einen vorläufige­n Schlussstr­ich unter die Dieselaffä­re: Die Unternehme­n müssten die Software-Updates so schnell wie möglich aufspielen. Der mit einer Milliarde Euro gefüllte Mobilitäts­fonds für Kommunen gegen Luftversch­mutzung müsse mit Leben erfüllt werden. Und schließlic­h sollten sich auch die Diesel-Importeure an beiden Vorhaben beteiligen.

Von der großen Elektro-Show lässt sich die Regierungs­chefin zwar nicht zu Jubelstürm­en hinreißen, betont aber die Chancen: „Zum Teil ist noch sehr wenig auf der Straße, aber wir sehen, dass die nächsten fünf bis zehn Jahre hier einen massiven, qualitativ­en Wechsel mit sich bringen werden. Und das ist auch richtig und wichtig.“Man brauche einen kontinuier­lichen Übergang vom Verbrennun­gsmotor, den man noch Jahrzehnte brauchen werde, in die alternativ­en Antriebste­chnologien, ohne sich zu schnell auf eine Lösung festzulege­n. Sehr viel anders hätten das Wissmann und die versammelt­en Autobosse wohl auch nicht gesagt. Christian Ebner und

Andreas Hoenig, dpa

Die IAA in Kürze

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Foto: Boris Roessler, dpa Kanzlerin Angela Merkel auf dem Eröffnungs­rundgang der IAA mit der VW Studie I.D. Crozz.

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