Es ist zum Verzweideln!
Über den Wahlkampf Auch dieser Bundestagswahlkampf ist wieder mehr Krampf als Kampf. Was sich schon daran zeigt, dass intensiver über die Moderation eines „TVDuells“diskutiert wurde als über (Wahlkampf-)Themen wie Bildung, Pflege oder Digitalisierung. Oder dass die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel für Aufmerksamkeit sorgte, weil sie aus der ZDF-Wahlsendung „Wie geht’s, Deutschland?“flüchtete (unser Bild) oder ein Interview mit der Tageszeitung
Oberhessische Presse abbrach. Talksendungen vorzeitig zu verlassen, scheint im Trend zu liegen – siehe Wolfgang Bosbach (CDU). Ein Skandal? Ach! „TalkshowEklats waren früher auch spektakulärer ...“, schrieb der BR in einem Facebook-Beitrag samt zweiminütigem Video, in dem er die schönsten Eklats aus seinem Archiv hervorholte. Wie sie einst stritten, Kohl und Brandt! Das war in jedem Fall spektakulärer, als Weidels einminütiges „Interview“mit den Zeitungskollegen aus Hessen.
Die jedoch gingen damit und mit Weidels anschließenden Vorwürfen vorbildlich um. Indem sie Transparenz schufen. Weidel nämlich sagte bei einer Wahlveranstaltung: „Ich hatte auch gerade ein lustiges Interview, das ich gleich nach zwei Fragen abbrechen musste, weil die Fragen so blöd gewesen sind.“Wirklich? Hintergründe und das „Interview“im Wortlaut unter www.op-marburg.de (unter „Suche“„Weidel“eingeben, der Artikel heißt: „Das sind mir zu unqualifizierte Fragen“). Überall Weidel. Sogar in diesem Moment, in dem ich diese Zeilen in mein Smartphone tippe. Und die Autokorrektur mysteriöserweise aus dem Wort „Verzweifeln“stets „Verzweideln“ macht: „Verz-weidel-n“! Immer, wenn es schier zum Verzweifeln ist, wollte ich schreiben, hilft Kabarettist Gerhard Polt.
Denn der hat sich in „dieses Internetz“gewagt, um es fortan mit seinen Kommentaren zu beglücken. „Jetzt is soweit! Schon ein rechtes Gfrett bis man drin ist im Netz, da hats der Marder ja vergleichsweise einfach, aber wenn man amal drin is, is ma auch drin – wie der Marder“, erklärt er auf seiner Internetseite. Im ersten Video seiner Webserie „Auhwehzwick 2.0“geht es um „Relative Bagatellen“. Sehen Sie es sich selbst an – unter www.polt.de.
Mehr Polt wagen in Wahlkampfzeiten, sage ich da. Und frage mich nach wie vor, warum das ZDF seinen Kurz-Polit-Talk mit Maybrit Illner „illner intensiv“nannte. Klingt wie eine Gesichts-Creme. Weidel übrigens sagte einen Auftritt bei „illner intensiv“kurzfristig ab. Hatte nicht die AfD im Juli erwogen, sich in Talkshows von ARD und ZDF einzuklagen? Ach! Mehr noch treibt mich die Frage um, was nach „illner intensiv“kommen könnte: „maischberger mondän“? „lanz laktosefrei“? Egal.
Bis zum Wahltag am 24. September schaue ich mein Lieblingsprogramm „Parteien zur Bundestagswahl“. Gerne den Spot der jungen Partei „Die Grauen – Für alle Generationen“. Der wirkt in seiner Bildschirmschonerhaftigkeit wohltuend beruhigend. Man darf nur nicht zu lange hinsehen, sonst hat er etwas Hypnotisierendes. Ein Fall für Polt.