Seltsam natürlich
Manchmal ist der Mensch ein seltsames Wesen, der Bayer im Speziellen. Da lebt er in einem der schönsten Bundesländer, mit grünsten Wiesen, klarsten Seen, höchsten Gipfeln – und wo zieht er hin? In die Stadt! Trotz horrender Mieten und Eigenheimpreisen lockt das Urbane immer mehr Menschen in Bayerns Metropol(ch)en.
Weil der Mensch aber auch in der Stadt nicht genug von der Natur haben kann, holt er sich das Landleben gerne zu sich. So wie in München, wo gerade der erste Almauftrieb der Stadtgeschichte gefeiert wurde. Nahe des Ostbahnhofs wurden mit großem Hurra fünf Walliser-Schwarznasen-Schafe und zwei Lämmer auf das Dach einer alten Produktionshalle eines Knödelherstellers getrieben. Blitzlichtgewitter. Grüner Teppich. Nach oben ging’s stilecht im Aufzug.
Auf der Dachterrasse sollen die Tiere mit Blick auf Baukräne und Betonwüste nun friedlich grasen, sich vermehren und in stickoxidluftiger Höhe zum Erhalt der vom Aussterben bedrohten eigenen Rasse beitragen. Gleichzeitig können Eltern ihren naturentwöhnten Kindern das Leben auf dem Land näherbringen, ohne die geliebte Stadt verlassen zu müssen.
Bei so ein paar Schafen wollen es die Münchner „Almhirten“freilich nicht belassen. Vom Nachzug einiger Bienenvölker ist die Rede. Auch Hühner sollen eines Tages auf dem Dach Eier legen. Alles bio natürlich. Und warum nicht noch Hasen, Ziegen und Meerschweinchen? Ein Streichelzoo wäre doch toll. Und dazu eine Herde bayerischer Hochlandrinder, die in 59 Metern Höhe echte „Münchner Alpenmilch“geben. Weil der Aufzug für all das Futter, die Milchkannen und die Schubkarren voller Mist dann bald zu klein wäre, müsste natürlich eine Seilbahn zum Gipfel her. Und wenn der Lift schon da ist, wäre eine Skipiste die logische Konsequenz. Mit Talabfahrt. Die „Münchner Ostwand“hinunter. Direkt zum Après-Ski in der Bahnhofskneipe. Ach, wäre das schön. Und so herrlich natürlich.