Drei Frauen und jede Menge Hass
Sie standen alle schon im Auge eines Shitstorms. Und das nicht nur einmal. Wie damit umgehen? Die Journalistin Ronja von Rönne, die Politikerin Renate Künast und die Kabarettistin Carolin Kebekus haben da verschiedene Wege
Hätten doch alle die Gelassenheit des Lebenskunst-Philosophen. Der aus Krumbach stammende und in Berlin lebende Bestsellerautor Wilhelm Schmid nämlich sagt über das Problem des Hasses im Internet, er sei sicher, dass sich das geben werde: „Ich vertraue auch da in das Leben.“Die Menschen würden also nach und nach lernen, dass mit dem Verbreiten von Negativem auch für sie selbst nichts Positives herauskomme. Und überhaupt zeige sich auch in Phänomenen wie dem Shitstorm, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrem viel verhöhnten Ausspruch eigentlich recht gehabt habe: „Das Internet ist Neuland für uns alle.“Was gesetzliche, aber auch Regeln des Umgangs miteinander angehe, stünden wir noch immer erst am Anfang. Sagt der Philosoph der Lebenskunst.
Gelassenheit also? In einer gesamtgesellschaftlichen Langzeitperspektive zeugt das womöglich von Weisheit. Aber wenn man mittendrin steht in einem solchen Shitstorm und aufs Übelste beschimpft wird? Was dann tun? Und wie könnten die Regelungen gegen Hetze aussehen? Das ist das Thema der Augsburger Mediengespräche am kommenden Mittwoch. Und nicht von ungefähr sitzt da auch die junge Journalistin Ronja von Rönne mit auf dem Podium. Sie hat ihn nicht erst einmal geballt abbekommen, den „Hass im Netz“.
Ihre Art, darauf zu reagieren, ist eine von drei persönlichen Strategien – für die beiden anderen stehen hier beispielhaft zwei andere Frauen mit reichlich Shitstorm-Erfahrung: die Politikerin Renate Künast und Carolin Kebekus. Beginnen wir mit der Kabarettistin.
Der Fall Kebekus
Dass die erfolgreichste Komikerin Deutschlands keine der zartesten ist, signalisieren schon die Titel ihrer Fernsehshow „PussyTerror TV“und der Bühnenshow „AlphaPussy“. Carolin Kebekus nimmt sich die Freiheit, über alles Mögliche herzuziehen. Ziemlich böse. Das brachte auch schon Veganer sehr gegen sie auf („Ein Typ, der Veganer ist, dem ist doch der Pimmel abgefallen“), Frauke-Petry-Freunde und auch Helene-Fischer-Fans („Hirntote“). Ihr grundsätzliches Reaktionsmuster auf den Shitstorm ist, sich den Reaktionen persönlich nur sehr selektiv auszusetzen. Sie liest kaum etwas (höchstens auf Twitter), um frei davon in ihrem Denken und Schaffen zu bleiben; antwortet nie. Die Provokation gehört zum Geschäft – und dann: „Sol- len sie reden, was sie wollen.“Selbst wenn sie das, wie im Fall Fischer, einige Fans gekostet haben dürfte (die zuvor nämlich beide gut fanden). Bedrohungen aber werden an die Polizei weitergereicht.
Am offensivsten war Kebekus, als sie das Thema selbst zum Programm machte. Da hielt die Kölner Kabarettistin mit der ebenfalls bereits heftig angegriffenen Journalistin Dunja Hayali vor Live-Publikum ein Shitstorm-Quiz ab. Das Motto: „Wie geht die Scheiße weiter?“
Der Fall Künast
Die Politikerin hat mit ihrer Reaktion auf den Hass im Internet wohl noch mehr Aufmerksamkeit erregt als mit manchem Twitter-Beitrag, der ihr einen Shitstorm einbrachte. Zum Beispiel der im vergangenen Jahr, unmittelbar nach einem AxtAngriff in einem bayerischen Regionalzug, als sie anzweifelte, ob der Angreifer denn tatsächlich gleich erschossen hätte werden müssen – und dafür ordentlich Dresche kassierte. Was all die Beschimpfungen, die sie aber laufend über Facebook abbekommt, angeht – und die von persönlich verletzend bis zu offen mit Gewaltfantasien drohend reichen –, ging sie in die Offensive.
„Künast sagt, dass ihr die Stimmen aus dem Internet Angst machen. Angst, dass man in fünf Jahren sagen wird, man hätte doch sehen müssen, wo das hinführt, zu Gewalt und Verrohung“, schrieb vor eineinhalb Jahren der Spiegel. Und mit einer von dessen Reporterinnen fuhr sie dann los, um die Absender unvorangemeldet zu besuchen.
In einigen Fällen kam es zum Gespräch, in manchen zu einem guten, in wenigen sogar zu einer Entschuldigung. Die mutige Vorwärts-Taktik heißt persönliche Konfrontation, die Hoffnung ist: dass sich von Mensch zu Mensch eine andere Kommunikation ergibt. Oder: erst eigentliche Kommunikation. Denn inzwischen hat Renate Künast, deren Beruf und demokratische Funktion als Vertreterin der Partei Bündnis 90/Die Grünen in der Öffentlichkeit es ja ist, für eine Haltung zu Themen zu stehen, auch ein Buch veröffentlicht mit dem schönen Titel „Hass ist keine Meinung“(erschienen bei Heyne).
Der Fall Rönne
Aus zwei ganz unterschiedlichen Richtungen ist die Journalistin Ronja von Rönne bereits unter Beschuss geraten. Im einen Fall schrieb sie für Die Welt (inzwischen arbeitet sie für Die Zeit) einen Beitrag mit dem Titel: „Warum mich der Feminismus anekelt“. Eine persönliche, pointierte Abrechnung – Feminismus: eine „Charity-Aktion für unterprivilegierte Frauen“. Persönlich sind die Texte der 25-Jährigen im Zuge eines Personalisierungstrends des jungen Journalismus durchweg. Und so war Rönne auch, als sie im zurückliegenden Wahlkampf für den SWR die TV-Sendung „Der Politikercheck“an der Seite von Ingo Zamperoni „moderierte“. Die Journalistin (und Bloggerin und Romanautorin) ging die Politiker forsch mit Meinungen an.
Im ersten Fall stürmte es auf Rönne eher von klassisch links, im zweiten eher von neu-rechts auf sie ein. Und sie: antwortete. Ironisch, lässig, alle Aufgeregtheit unterlaufend. In einem Interview räumte sie zwar ein: „Es ist schwieriger, kein Misanthrop zu sein, wenn man einen Internetanschluss hat.“Sagte aber: „Wenn Hass gegen einen brodelt, kann man sich entscheiden, ob man ihn ernst nimmt – ich nehme ihn nicht ernst von Leuten, die nicht Weihnachten mit mir feiern.“Das ist schon ziemlich nah an Gelassenheit. Aber ob das eine Lösung ist?