Kohrs Karriereschritt
Den FCA hat der Fußballprofi im Sommer mit hohen Zielen verlassen. In Leverkusen lief es zu Saisonbeginn bestens. Jetzt bekommt der 23-Jährige den Konkurrenzkampf zu spüren
Augsburg Als Dominik Kohr im Sommer zu Bayer Leverkusen wechselte, galt das gemeinhin als wenig spektakulärer Wechsel. Der Werksklub machte von seinem vertraglich fixierten Rückkaufrecht Gebrauch, überwies zwei Millionen Euro an den FC Augsburg und holte den 23-Jährigen somit in jenen Verein zurück, in dem Kohr zum Fußballprofi ausgebildet worden war. Dorthin also, wo Kohr seine Jugend verbracht hatte.
Kohr hatte damals klare Vorstellungen. In Leverkusen wollte er den nächsten Schritt seiner Karriere machen. Nachdem er sich in Augsburg als Profi etabliert hatte, wollte er sich bei einem Klub mit Europapokalambitionen beweisen. Mit seiner Rückkehr ins Rheinland verknüpfte er Hoffnungen, sich in den Fokus der Nationalmannschaft zu spielen. Bundestrainer Joachim Löw sollte auf ihn aufmerksam werden. „Ich möchte nicht nur an der U21-Tür anklopfen, sondern auch an der Tür zur Nationalmannschaft“, betonte Kohr im Frühjahr, zwei Wochen nach Bekanntwerden des Wechsels.
Ehe er seinen Dienst in Leverkusen antrat, wartete auf ihn ein Höhe- punkt: die Europameisterschaft der U21-Junioren. Kohr saß während der Gruppenspiele auf der Ersatzbank. Im Halbfinale wurde er eingewechselt, ebenso im Finale, das die deutsche Auswahl mit 1:0 gewann.
Kohr holte seinen ersten Titel, der ihn zu beflügeln schien. Denn nicht die höher eingeschätzten Lars Bender, Charles Aranguiz, Julian Baumgartlinger oder Marlon Frey hatten im defensiven Mittelfeld zu Saisonbeginn einen Stammplatz inne, sondern der Rückkehrer aus Augsburg.
Kohr überzeugte mit jener Spielweise, die ihn in Augsburg zu einer festen Größe werden ließ. Zeigte sich präsent in den Zweikämpfen, spulte ein enormes Laufpensum ab und setzte gelegentliche Akzente in der Offensive. Er erzielte im DFBPokal einen Treffer, ebenso in der Bundesliga. Durch seine beherzten Auftritte lieferte Kohr jene Argumente, wegen derer Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler ihn verpflichtet hatte.
Kohr passt in das Leverkusener Muster. Stets ist der Klub auf der Suche nach gut ausgebildeten Jungprofis, die einerseits die Qualität mitbringen, in der Bundesligaspitze mitzuhalten, andererseits in Lever- kusen zum Top-Spieler werden sollen, der sich für eine Millionen-Ablöse an Europas Spitzenklubs veräußern lässt.
Wenn Bayer Heimspiele austrägt, sitzen Beobachter namhafter Vereine auf der Tribüne, Scouts des FC Barcelona sollen zu den Stammgästen zählen. Sie beäugen, wie etwa der 18-jährige Kai Havertz aus dem Zentrum heraus das Spiel gestaltet, wie die 21-jährigen Julian Brandt und Leon Bailey auf dem Flügel wirbeln oder wie der 21-jährige Jonathan Tah die Innenverteidigung mit seinem bulligen Körper stabilisiert.
Dass diesen jungen Spielern mitunter Konstanz fehlt, musste Trainer Heiko Herrlich zu Beginn seiner Tätigkeit erkennen. Mit Regensburg hatte der Ex-Profi den Aufstieg in die zweite Liga bewerkstelligt. Jetzt verantwortet er einen Neuanfang, nachdem Leverkusen in der vergangenen Saison weit hinter den eigenen Erwartungen zurückblieb und kurzzeitig sogar um den Klassenerhalt bangen musste.
Zunächst fiel die Punktausbeute mäßig aus, erst am dritten Spieltag gelang der erste Sieg. Nun allerdings scheint sich das junge, neu formierte Team gefunden zu haben. Herrlich hat in seiner Mannschaft klare Hierarchien hergestellt, Torwart Bernd Leno, die Bender-Zwillinge und Kevin Volland sollen mehr Verantwortung übernehmen und die Mitspieler auf dem Feld führen. Seit sechs Begegnungen ist Bayer ungeschlagen, zuletzt drehte es Rückstände gegen Mönchengladbach und Köln. Bayer zeigte Moral. Und damit eine Tugend, die in der vergangenen Saison abhanden gekommen war.
Mit reichlich Selbstvertrauen reisen die Leverkusener daher zum Auswärtsspiel nach Augsburg (Samstag, 15.30 Uhr). Bestärkt werden sie durch die Statistik: Gegen den FCA haben sie in sechs Spielzeiten kein einziges Mal verloren, gegen keinen anderen Bundesligisten liest sich die Bilanz des FCA derart negativ. Ob Kohr beim Wiedersehen mit früheren Kollegen in Leverkusens Startelf stehen wird, ist ungewiss. Seinen Stammplatz hat der robuste Zweikämpfer inzwischen verloren – auch wenn er im DFBPokal gegen Zweitligist Union Berlin (4:1) über die volle Distanz zum Einsatz kam. Im Fokus von Bundestrainer Joachim Löw stehen derzeit andere Spieler aus der Leverkusener Mannschaft.