Glauben gegen Wissen
Erst vor 25 Jahren hat der Papst Galileo Galilei rehabilitiert. Ein historischer Krimi über Geist, Gott und den Menschen
Ein kleiner Schritt für einen Menschen: An einem Frühsommertag 1633 verlas Galileo Galilei im römischen Dominikanerkloster Santa Maria sopra Minerva ein Dokument der Inquisition, mit dem er seiner Lehre von der Erdbewegung um die Sonne abschwor. Der Akt rettete ihm das Leben, aber er wurde zum Symbol einer Spaltung zwischen Naturwissenschaft und Kirchenlehre. Erst dreieinhalb Jahrhunderte nach dem Tod des knorrigen Gelehrten vollzog Johannes Paul II. am 31. Oktober 1992 so etwas wie den Versuch einer reichlich späten Versöhnung… Jedenfalls endlich das Ende eines Krimis über den Menschen und die Macht zwischen Wissenschaft und Glauben.
Schon als Student hatte sich Galilei mit den revolutionären Ansichten des Astronomen Nikolaus Kopernikus (1473–1543) befasst, die Planeten vollzögen eine Kreisbahn um die Sonne – statt dass die Erde unbewegt im Mittelpunkt des Universums stünde, wie es dem Weltbild der Kirche entsprach. Seine Erforschung der Fallgesetze und der Pendelschwingung – dies noch in Pisa, wo er 1564 zur Welt gekommen war und teils auch vom Schiefen Turm aus forschte –, schließlich auch seine Beobachtungen durch das neu erfundene Fernrohr überzeugten ihn: Ab 1609 bekannte sich Galilei zu dem neuen Bild vom Kosmos.
Der Streit entbrannte und eskalierte schnell. Denn es ging um Aristoteles gegen Kopernikus, Bibel gegen Naturwissenschaft. Mit dem Zerbrechen des alten, auf den antiken Lehren des Aristoteles fußenden Weltbildes stand nämlich auch die philosophisch-theologische Begründung der katholischen Eucharistielehre auf dem Spiel. 1616 wurde Galilei beim Heiligen Offizium in Rom angezeigt. Das Urteil der Inquisition: Die Lehre von der Bewegung der Erde um die Sonne ist als nicht bewiesen anzusehen und darf von Katholiken nur als reine Hypothese dargestellt werden – Galilei musste abschwören. Im Jahr 1600 noch war sozusagen sein Vorgänger, Giordano Bruno, wegen Ketzerei und Magie auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden.
Mit dem Amtsantritt von Papst Urban VIII. (1623–1644) schöpfte Galilei neue Hoffnung. Der frühere Kardinal Maffeo Barberini hatte sich ihm einst gewogen gezeigt. In mehreren Besuchen beim Papst versuchte er, eine Aufhebung des Edikts von 1616 zu erreichen. Erfolglos. 1630 holte Galilei von Neuem aus: In seinem Hauptwerk, dem „Dialogo“, demontierte er die Argumente seiner Gegner.
Zwar erhielt er eine kirchliche Druckerlaubnis, doch er ignorierte die Änderungswünsche des Papstes. Der Verkauf wurde verboten, Galilei 1632 erneut nach Rom vor die Inquisition geladen. Der Prozess endete mit seinem umfassenden Widerruf – und der Legende eines Satzes. Galilei soll ihn beim Verlassen des Gerichts trotzig gesprochen haben: „Und sie bewegt sich doch.“Die letzten acht Jahre bis zu seinem Tod 1642 verbrachte Galileo Galilei dann in Hausarrest.
337 Jahre vergingen. Erst Papst Johannes Paul II. nämlich rief zu Beginn seines Pontifikats 1979 eine Kommission aus Theologen, Naturwissenschaftlern und Historikern ins Leben, die den Fall Galilei aufarbeiten sollte. 1984 verfügte er die Öffnung des ersten Teils der Prozessakten. Der Durchbruch geschah aber 1992, als der Papst öffentlich die Leistungen des Mathematikers und Astronomen würdigte und Fehler seitens der Kirche einräumte.
Die Verurteilung Galileis bezeichnete Johannes Paul II. als ein „tragisches gegenseitiges Unverständnis“. Die Kirche habe geirrt, als sie den Forscher wegen des vermeintlichen Widerspruchs zum biblischen Weltbild verurteilte. Schließlich, so sagte der Papst unter Verweis auf Kardinal Cesare Baronio (1538–1607), will die Heilige Schrift lehren, „wie wir in den Himmel kommen, nicht wie der Himmel im Einzelnen aussieht“. Aber auch Galilei war aus Sicht des Papstes ein bisschen verbohrt: Hätte er, wie die von ihm selbst eingeführte experimentelle Methode fordert, seine Erkenntnis etwas vorsichtiger als Annahme formuliert, wäre ihm viel Ungemach erspart geblieben. Am 2. November 1992 erhielt Galilei seine formelle Rehabilitierung – ein Meilenstein im Verhältnis von Kirche und Wissenschaft. Und am 12. März 2000 erklärte Johannes Paul II. nach Beratung mit seiner Kommission dann auch, dass die Hinrichtung Giordano Brunos nunmehr auch aus kirchlicher Sicht als Unrecht zu betrachten sei. Burkhard Jürgens, kna