Was tun gegen das Insektensterben?
Die Grünen wollen den Einsatz von „Ackergiften“begrenzen und fordern eine neue Landwirtschaftspolitik in Bayern. Die CSU wirft ihnen Verunglimpfung der Bauern vor
München Die Forderung der Grünen, dem Insektensterben und dem Rückgang der Artenvielfalt mit einem schrittweisen Verzicht auf „Ackergifte“und einer Ökologisierung der Landwirtschaft zu begegnen, hat im Landtag zu einem heftigen Streit geführt. Abgeordnete der CSU warfen der grünen Agrarpolitikerin und Biobäuerin Gisela Sengl vor, „Horrorszenarien“an die Wand zu malen und die Bauern in Bayern zu verunglimpfen.
Sengl kritisierte, dass die Felder immer größer werden und es immer weniger Hecken, Feldgehölze und Tümpel gebe. Sie sprach von „maschinengerechten Äckern“für „Biogas, Weltmarktmilch und Exportfleisch“und prangerte die Ausbeutung des Bodens an. Dass die Biomasse bei Insekten laut einer Studie aus Krefeld um bis zu vier Fünftel zurückgegangen sei, habe aber seine Hauptursache im „Einsatz von Ackergiften“.
An der Tatsache des Insektensterbens kann es nach ihren Worten keinen Zweifel geben. Dass Motten, Wildbienen und Schmetterlinge verschwinden, so Sengl, zeige schon Blick auf die Windschutzscheiben der Autos im Sommer. Früher habe man immer wieder mal anhalten müssen, um die Scheibe frei zu machen, heute nicht mehr. Daraus müsse die Politik Konsequenzen ziehen. „Wir müssen es der konventionellen Landwirtschaft ermöglichen, umwelt- und tierfreundlich zu arbeiten.“Der Einsatz von Pestiziden müsse „minimiert“, bestimmte Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat und Neonicotinoide total verboten werden. Gleichzeitig müsse es finanzielle Unterstützung und Beratung für Landwirte geben.
Aus der CSU kam heftiger Widerspruch. Der Abgeordnete Martin
Bayern ist in großen Teilen grün. Etwa ein Drittel der gesamten, gut drei Millionen Hektar umfassenden landwirtschaftlichen Fläche ist nach wie vor Grünland. Wiesen machen da von gut zwei Drittel aus, auf knapp einem Drittel weidet Vieh, wie das Bayerische Landesamt für Statistik am Dienstag in Fürth mitteilte.
Zwei Drittel der landwirtschaftlichen Schöffel zweifelte die Befunde über das Insektensterben an. Was „Hobbyforscher aus Krefeld“herausgefunden haben, ist nach seinen Worten wissenschaftlich nicht fundiert. Er kritisierte Sengl: „Sie zählen Fliegen auf der Windschutzscheibe. Das ist in keiner Form nachvollziehbar.“Außerdem seien die Autos stromlinienförmiger geworden. Da bleibe nicht mehr so viel hängen. Schöffel warf Sengl vor: „Sie verunglimpfen alle Bauern“– zumindest jene 92 Prozent der Bauern, die in Bayern ihre Höfe konventionell bewirtschaften. Es sei das Ziel jedes Landwirts, so wenig Pflanzenschutzmittel wie möglich einzusetder Fläche sind Ackerland. Auf rund der Hälfte davon bauen die Landwirte Ge treide an, auf einem Viertel Mais. Die Veränderungen zum Vorjahr waren geringfügig.
Allerdings stieg die Anbaufläche von Zuckerrüben stark um 16,2 Pro zent. Die Zuckerrübenquote innerhalb der EU war zum 1. Oktober wegge fallen. (dpa) zen, sagte der CSU-Abgeordnete und betonte die Leistungen der Agrarpolitik in Bayern: „Wir fördern den ökologischen Landbau wie kein anderes Bundesland.“
Auch die Vorsitzende des Agrarausschusses im Landtag, die Allgäuer CSU-Abgeordnete Angelika Schorer, und Landwirtschaftsminister Helmut Brunner wiesen die Forderungen der Grünen zurück. „Wir haben keine belastbaren Zahlen. Wir haben keine klare Ursachenforschung“, sagte Schorer. Die Studie aus Krefeld beziehe sich nur auf drei Bundesländer in Norddeutschland. Und der Fokus dürfe nicht darauf liegen, den Bauern die alleinige Schuld zuzuweisen. Brunner appellierte an die Abgeordneten: „Ich bitte einfach, hier etwas realistischer zu sein und keine Szenarien an die Wand zu malen, die insbesondere nicht für Bayern zutreffen.“Er listete auf, was in Bayern bereits für Naturschutz, ökologischen Landbau, Biotopverbunde und Erhalt der Kulturlandschaft getan werde. Den Grünen rief er zu: „Machen Sie die Augen auf, wenn Sie durch die Landschaft laufen, und vergleichen Sie Bayern mit anderen Bundesländern.“»Kommentar
Dass die CSU-Agrarpolitiker beim Thema Insektensterben so reizbar sind, hat einen einfachen Grund. Einerseits sehen sie sich traditionell als Hüter der Interessen der konventionell arbeitenden Landwirte in Bayern. Andererseits schwant ihnen, dass die Befunde über den Rückgang der Biomasse und der Artenvielfalt sehr wahrscheinlich eben doch etwas mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu tun haben.
Noch keine zwei Wochen ist es her, dass die CSU im Landtag eine ganze Reihe von Anträgen der Grünen abgelehnt hat, in denen gefordert wurde, den Schutz der Artenvielfalt in Bayern stärker in den Blick zu nehmen und intensiver nach den Ursachen zu forschen. Bereits eine Woche später legte die CSU-Fraktion selbst einen Antrag vor mit dem Titel: „Rückgang von heimischen Insekten und Vögeln stoppen – unverzüglicher Beginn der Ursachenforschung“.
Das zeigt zweierlei. Erstens: Die CSU hat das Thema bisher ignoriert. Zweitens: Sie beginnt es jetzt sehr wohl ernst zu nehmen. Der Landwirtschaftsminister und die Vorsitzende des Agrarausschusses haben das gestern in der Landtagsdebatte auch deutlich gemacht.
Nicht auf der Höhe der Zeit dagegen scheint der CSU-Abgeordnete Schöffel mit seinem Spott über die „Hobbyforscher aus Krefeld“. Schließlich waren sie es, die mit ihrer Studie Wissenschaft und Politik wachgerüttelt haben.
Bayerns Felder: Mehr Acker als Wiese