Wertinger Zeitung

Was der Nikolaus so alles erlebt...

Gestern Abend war der heilige Mann in Wertingen und Umgebung unterwegs. Horst Baltruscha­t ist einer von vielen Nikolausen, die im Auftrag der Kolpingfam­ilie Wertingen ausziehen. Und das seit 30 Jahren

- VON HERTHA STAUCH

Wertingen Gottmannsh­ofen Lektion eins: Heutzutage kommt der Nikolaus mit dem Auto. Lektion zwei: Die Emanzipati­on zeigt neuerdings sogar in himmlische­n Kreisen Wirkung – Knecht Rupprecht kann auch eine Frau sein. Lektion drei: Die Digitalisi­erung macht auch vor Nikoläusen nicht Halt – bevor sie die Stuben betreten, in denen sie einkehren sollen, bekommen sie vom Hausherrn oder der Hausfrau einen Computerau­sdruck mit den wichtigste­n Daten ausgehändi­gt. Und – Lektion vier: Nikoläuse haben heutzutage unter Umständen eigene Reporter und Fotografen im Gefolge. „Ruppi“stellt KolpingNik­olaus Horst Baltruscha­t seine mit Block, Bleistift und Kamera ausgestatt­ete Begleitung vor.

Die versammelt­e Familie sitzt in Gottmannsh­ofen mit Kindern um den Wohnzimmer­tisch. Der Kleinste, Luis, drückt sich auf dem Sofa an die Mama, hält sich ein Kissen vors Gesicht. Die Neugierde siegt – mit einem Auge spitzelt der Vierjährig­e hinter seinem Schutzwall hervor. Die Großen sind zuerst dran: Ben – seine Hausaufgab­en macht er nicht immer gerne – gelobt Besserung und Philipp – er haut manchmal zornig die Türen zu – nickt eifrig, wenn Nikolaus ihn mahnt, sich im Zaume zu halten. Auch Luis hinter dem Kissen entpuppt sich zuweilen als kleines Sünderlein. Was ihn nicht daran hindert, beherzt dem heiligen Mann zu erzählen, dass es im Kindergart­en einen gibt „der mich immer zwickt“. Nikolaus Baltruscha­t verspricht, dass er da mal nach dem Rechten schauen wird.

Das Wort des großen Weißbärtig­en mit der Bischofsmü­tze auf dem Kopf hat Gewicht in den Augen und Ohren der andächtige­n Kinder. Denn Horst Baltruscha­t, ausgesandt von der Kolpingfam­ilie Wertingen, hat seit 30 Jahren Nikolaus-Erfahrung. So lange zieht er schon am 5. und 6. Dezember durch Wertingen und Umgebung – und das nicht alleine.

Tochter Julia begleitet ihn seit drei Jahren als Knecht Rupprecht – schweigsam, aber eindrucksv­oll kündigt sie mit der Schelle die Ankunft des Nikolaus an. Baltruscha­t und Tochter sind nur zwei vom großen Kolping-Nikolauste­am, das in fünf bis sechs Gruppen seit langer zeit in Wertingen und Umgebung den Brauch aufrecht hält und nun zum dritten Mal schon nicht nur den Kindern gute Gaben bringt, sondern auch der Kartei der Not. Denn auch diesmal geht der Erlös der Aktion – Spenden, die beim Nikolausbe­such entgegen genommen werden – an das Leserhilfs­werk unserer Zeitung und kommt somit Bedürftige­n in der Region zugute.

„Papa, der Nikolaus hat die gleichen Schuhe wie du.“Diesen Satz hat Horst Baltruscha­t vor langer Zeit von seinem eigenen Sohn gehört. Damals war der junge Vater als Nikolaus auf dem Wertinger Christkind­lesmarkt unterwegs und be- schenkte als solcher unerkannt sein Söhnchen mit Mandarinen. Geschichte­n wie diese sind es, die Baltruscha­t am Nikolaus-Job so Spaß machen.

Und auch das Erlebnis, mal Einblick in Familien zu bekommen, wenn auch nur ganz kurz. Meist sind es gute Eindrücke, manchmal aber auch nicht: „Es kann schon mal sein, dass der Nikolaus sagen muss, dass der Fernseher ausgemacht werden soll.“

Und es kommt auch vor, dass Familien gar nicht wissen, wer Nikolaus eigentlich ist, erzählt Knecht Rupprecht Julia. Von Beruf Erzieherin, bedauert sie, dass der christlich­e Heilige oft mit dem Weihnachts­mann, „den es bei uns gar nicht gibt“, verwechsel­t wird.

Nächste Station in Gottmannsh­ofen. Ein Weihnachts­stern leuchtet am Fenster und heißt den Nikolaus willkommen. Wieder sitzt eine Familie um den adventlich geschmückt­en Tisch. Sofia hat wohl – wie viele Jugendlich­e – ein kleines Handyprobl­em. Sie nickt entschuldi­gend, als Nikolaus ihr empfiehlt, es auch mal beiseite zu legen. KleinSimon, Cousin von Sofia, versprüht dagegen zu Recht noch Unschuld pur. Andächtig hält er sich am Bischofs-Stab fest. Nur Gutes weiß Nikolaus über ihn zu berichten. Außer mit dem Aufräumen von Spielsache­n – das klappt nocht nicht so gut.

Dafür aber scheint Simon ansonsten ein fixes Kerlchen zu sein. Als der Nikolaus auf Autos zu sprechen kommt, wird auch Simon gesprächig – er kennt alle Automarken. Und BMW ist übrigens seine Lieblingsm­arke...

 ?? Fotos: Hertha Stauch ?? Knecht Rupprecht Julia und Kolping Nikolaus Horst Baltruscha­t – Vater und Tochter – unterwegs in einer Gottmannsh­ofer Familie. Sofia knetet ein bisschen verlegen ihr Hän de, weil der Nikolaus ihre Schwächen kennt. Der kleine Cousin Simon hingegen hält...
Fotos: Hertha Stauch Knecht Rupprecht Julia und Kolping Nikolaus Horst Baltruscha­t – Vater und Tochter – unterwegs in einer Gottmannsh­ofer Familie. Sofia knetet ein bisschen verlegen ihr Hän de, weil der Nikolaus ihre Schwächen kennt. Der kleine Cousin Simon hingegen hält...

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