Augen zu und durch
SPD-Chef Martin Schulz bekommt vom Vorstand den Auftrag für Sondierungen mit der Union. Ganz glücklich wirkt er dabei nicht. Wo die Stolpersteine liegen und auf wessen Hilfe er dringend angewiesen ist
Berlin SPD-Chef Martin Schulz hat einen Etappensieg errungen, doch richtig glücklich sieht er nicht aus. „Für mich sind die Weihnachtsferien abgesagt“, sagt er am Freitag auf dem Podium im Willy-BrandtHaus. Der 45-köpfige Vorstand hat ihm soeben das Mandat gegeben, mit der Union über eine Regierungsbildung zu verhandeln.
Wie wahrscheinlich ist nun eine Große Koalition? Das hängt davon ab, ob Schulz in den Sondierungen in den ersten beiden Januarwochen genug herausholen kann, sodass er beim Sonderparteitag – wahrscheinlich am 14. Januar – das Okay der Basis für konkrete Koalitionsverhandlungen bekommt. Bisher sind nach Schätzungen in einzelnen SPD-Landesverbänden bis zu zwei Dritteln der Delegierten gegen die GroKo. Schulz will bei den Sondierungen mit der Union für einen „anderen Stil“sorgen als bei den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen von Union, FDP und Grünen. „Bei uns wird es keine Balkonbilder geben, auch kein Winken.“Intensives Twittern von Zwischenständen will er auch unterbinden.
Wie lautet die Taktik beider Seiten? Merkel weiß, dass Schulz ein paar „Leuchtturmprojekte“braucht, um den Parteitag zu überstehen. Und wenn es zum Koalitionsvertrag kommt, auch noch das abschließende Votum der rund 440 000 Mitglieder. Doch CDU und CSU wollen nur über eine Große Koalition reden. Schulz dagegen will auch andere Modelle „ergebnisoffen“verhandeln – wie eine von der SPD tolerierte Minderheitsregierung oder eine „Kooperationskoalition“, bei
Zwölf Wochen nach der Bundestagswahl raffen sich die Sozialdemokraten eher halbherzig dazu auf, die Tür zu weiteren Sondierungen mit der Union über die Bildung einer stabilen Regierung offenzuhalten, ohne gleich den roten Teppich für die Bundeskanzlerin ausrollen zu müssen. Um den Schein zu wahren, wiederholt Martin Schulz wie eine tibetanische Gebetsmühle die auf dem Parteitag beschlossene der die SPD zwar Minister in die Regierung schickt, aber nur bei Kernprojekten wie dem Haushalt und Auslandseinsätzen mit der Union kooperiert.
Warum liegt hier eine große Gefahr für Schulz? Die Juso sammeln Verbündete für ihre Kampagne #NoGroKo. Sie argwöhnen, die Parteispitze habe sich längst auf GroKo-Verhandlungen eingestellt und nähre nur noch die Illusion von anderen Optionen. Schulz hat in sein zwölfköpfiges Sondierungsteam auch den SPDLandeschef in Nordrhein-Westfalen, Michael Groschek, geholt. Im größten Landesverband, der fast ein Viertel der Parteitagsdelegierten stellt, gibt es großen Widerstand; hier wird eine Minderheitsregierung favorisiert. Hat Schulz zu wenig zu bieten, droht eine Ablehnung, dann wäre auch er als Parteichef kaum zu halten.
Wer sind die entscheidenden GroKo-Figuren bei der SPD? Natürlich Parteichef Schulz, dem aber nach seinem wiederholten Nein zur Großen Koalition Misstrauen entgegenschlägt. Wichtig dürfte sein, ob Groschek die NRW-SPD auf GroKo-Kurs bringt, und wie viel Überzeugungsarbeit die Fraktionschefin Andrea Nahles im linken Flügel übernimmt. Eine gewichtige Rolle kommt auch dem neuen „Parteiliebling“Malu Dreyer zu. Der von der SPD für die Sondierungen benannten zwölfköpfigen Verhandlungskommission gehören dagegen keine Mitglieder der derzeitigen Bundesregierung an – auch nicht Außenminister und Ex-Parteichef Sigmar Gabriel. (dpa)