Im Weißen Haus geht es wieder drunter und drüber
John Kelly sollte für Ordnung sorgen. Dies schien ihm zunächst zu gelingen, doch jetzt sorgt er selbst für Chaos
Washington Er gilt als strenger Zuchtmeister, der das Chaos in Donald Trumps Weißem Haus beenden und dabei auch noch den Präsidenten zügeln soll: Seit einem guten halben Jahr arbeitet John Kelly, ehemaliger General der Marineinfanterie, als Stabschef im amerikanischen Präsidialamt. Bisher galt der 67-Jährige als Garant der Stabilität in einer Regierung, die Disziplinlosigkeit zu ihren Markenzeichen zählt. Doch jetzt sorgt Kelly selbst für Chaos in der Regierungszentrale an der Pennsylvania Avenue. Schon wird über den Abgang des Ex-Generals spekuliert: Im Weißen Haus geht es wieder drunter und drüber.
Kelly ist ins Gerede gekommen, weil er öffentlich lobende Worte für Rob Porter fand, den bisherigen Stabssekretär im Weißen Haus. Porter musste vor wenigen Tagen gehen, weil er gegenüber seinen beiden ExFrauen gewalttätig geworden sein soll. Die Vorwürfe wurden durch die Daily Mail bekannt: Die Zeitung veröffentlichte ein Foto von einer der ehemaligen Gattinnen mit einem blauen Auge, das angeblich von Porter stammte. Porter wies alles zurück. Doch dann wurde bekannt, dass die Bundespolizei FBI die Vorwürfe durchaus als glaubhaft wertet.
Als Stabssekretär legte Porter dem Präsidenten unter anderem streng geheime Dokumente vor: ein mutmaßlicher Schläger im Zentrum der Macht. Kelly betonte zunächst, der Sekretär sei ein Mann von „Integrität und Ehre“. Als Porter dann doch seinen Hut nehmen musste, wollte Kelly seine Mitarbeiter und die Öffentlichkeit glauben machen, dass er erst sehr spät über die mutmaßlichen Gewaltausbrüche seines Mitarbeiters informiert worden sei – dabei wusste das Weiße Haus schon seit gut einem Jahr Bescheid.
Kellys Ausrede und die merkwürdige Lobeshymne auf einen Mann, dem glaubhaft häusliche Gewalt vorgeworfen wird, sind aber nicht alles. Fast gleichzeitig kündigte ein weiterer Trump-Mitarbeiter wegen ähnli- cher Vorwürfe: Redenschreiber David Sorensen soll vor einigen Jahren seiner damaligen Ehefrau eine brennende Zigarette auf der Hand ausgedrückt haben. Trump bedauerte den Abgang von Porter und Sorensen und beklagte, die Karrieren beider Männer seien durch bloße Unterstellungen zerstört worden – für die betroffenen Frauen hatte der Präsident kein Wort der Anteilnahme übrig. Der Präsident, dem selbst sexuelle Übergriffe gegen Frauen nachgesagt werden, hat schon häufiger mit der Parteinahme für Männer unter dem Verdacht der sexuellen Nötigung für Schlagzeilen gesorgt.
Unterdessen wurde publik, dass Hope Hicks, Trumps Kommunikationsdirektorin und seit Jahren engste Mitarbeiterin des Präsidenten, die Freundin des mutmaßlichen Schlägers Rob Porter ist. Laut Medienberichten versuchte die 29-jährige Hicks, die Vorwürfe gegen ihren Lebensgefährten unter der Decke zu halten. Der Washington Post zufolge ging die Stellungnahme von Kelly zur Verteidigung von Porter zum Teil auf Hicks’ Initiative zurück. Kelly soll dem Ex-Model Hicks vorgeworfen haben, ihm Informationen über Porter vorenthalten zu haben. Auch Trump sei sauer auf Hicks, melden die Zeitungen.
Wenn das Weiße Haus mit solchen Dingen beschäftigt ist, wundert es nicht, dass kaum Zeit für politische Inhalte oder die diversen Krisenherde in der Welt bleibt. Da der Präsident sich weigert, das tägliche Dossier der US-Geheimdienste zu lesen, befürchten Sicherheitsexperten, dass dem Weißen Haus in einer ernsten Gefahrensituation die Kenntnisse für eine angemessene Reaktion fehlen werden. Kelly hat es in seiner bisherigen Zeit im Weißen Haus zudem nicht geschafft, den Präsidenten von unüberlegten Twitter-Botschaften abzuhalten.
Angesichts des teilweise von ihm selbst verschuldeten Durcheinanders hat Kelly intern seinen Rücktritt angeboten, wie die New York Times meldete.