Stürzt Putin die Welt in die Zeit des atomaren Wettrüstens zurück?
Der Kreml provoziert den Westen mit einem neuen hochmodernen Raketenarsenal. Auch die USA planen neue Nuklearwaffen. Europäer muss diese Entwicklung beunruhigen
VON MICHAEL POHL Atom-U-Boot verfügen, dass völlig unentdeckt aus großer Tiefe zuschlagen könne. Um mögliche Zweifel an der Kreml-Propaganda zu zerstreuen, sendete das russische Staatsfernsehen Aufnahmen erfolgreicher Raketentests. „Das ist kein Bluff“, betonte Putin.
Dass Russland sein nukleares und konventionelles Waffenarsenal modernisiert, verfolgt der Westen bereits seit längerem mit Besorgnis. Schon vor Jahren warf der damalige US-Präsident Barack Obama Moskau vor, es verstoße mit neu entwickelten Fernlenkraketen gegen die Reichweitengrenzen der bestehenden Abrüstungs- und Atomwaffen-Kontrollverträge. Und seit dem Ukraine-Konflikt mit der Annexion der Krim wachsen die Spannungen zwischen Russland und dem Westen auch auf der militärischen Ebene.
Um Russland vor einem Übergriff auf die einst sowjetischen baltischen EU-Staaten Litauen, Lettland, Estland oder gar auf Polen abzuschrecken, hat die Nato ihre Militärpräsenz drastisch aufgestockt. Die Nato führt an der Grenze zu Russland Manöver mit drakonischen Namen wie „Flammender Donner“oder „Eiserner Wolf“mit tausenden Bündnissoldaten durch. Die meisten Soldaten stellt dabei nach den USA Deutschland mit der Bundeswehr.
Russland demonstriert im Sy- rienkrieg an der Seite des Machthabers Baschar al-Assad seine konventionelle Kampfkraft brachial in der Realität. Nun verschärft es die Ost-West-Spannungen mit der nuklearen Aufrüstung. Die jüngst von den USA angekündigte Entwicklung „kleinformatiger Nuklearwaffen“geht nicht etwa auf eine Kehrtwende des schillernden Präsidenten Donald Trump zurück. Das Projekt ist bereits die Reaktion des US-Militärs auf Putins langfristiges Aufrüstungsprogramm.
Die neuen „Mini-Atombomben“sollen vor allem eine Lücke im Abschreckungspotenzial gegenüber Russland schließen – aber auch gegen mögliche Nuklearmächte wie Nordkorea oder Iran. Denn sollte es tatsächlich doch zu einem regionalen Atomangriff auf ein Ziel außerhalb der USA kommen, bliebe den Amerikanern im Bündnisfall als atomare Antwort derzeit im Prinzip nur ein großer, alles verheerender Vernichtungsschlag als Antwort. Davor würden die US-Verantwortlichen aber dann möglicherweise doch zurückschrecken. Die „MiniAtomwaffen“sollen deshalb eine Abschreckung auf dieser begrenzten Kriegsebene garantieren.
In einer Welt, die voll von Krisen und Konflikten immer mehr an politischer Stabilität verliert, entfernen sich solche strategischen Gedanken bedrohlich vom Charakter rein theoretischer Sandkastenspiele. Deshalb muss das neue Wettrüsten die Europäer und mittendrin die Deutschen beunruhigen: Ein mögliches atomares Schlachtfeld könnte wie zu Sowjetzeiten im Herzen Europas liegen, auch wenn dies heute undenkbar erscheint.
Ein Ausweg kann nur – ähnlich wie in Zeiten des Kalten Krieges – in neuen Abrüstungsbemühungen, Verhandlungen und Entspannungspolitik liegen. Russland sucht in der militärischen Stärke jene verlorene Macht, die einst die Sowjetunion politisch hatte. Denn Putins Riesenland konnte diesen Verlust entgegen eigener Erwartungen nie wirtschaftlich kompensieren.
Doch eine Annäherung könnte heute möglicherweise noch schwieriger werden als zu Zeiten des alten Ost-West-Konflikts. Denn Russland macht durch sein Vorgehen auf der Krim, seine CyberAngriffe und die destabilisierenden Einflussnahmen auf die US-Wahl jedes Entgegenkommen immer schwieriger. Andererseits schwindet auch in den USA und Europa die politische Berechenbarkeit. Zum Beispiel, wenn Deutschland just seinen in Moskau respektierten Außenminister wegen interner Parteimachtspielchen opfern würde.
Die Spannungen zwischen Ost und West wachsen