Ist das Fahren mit E Bikes gefährlich?
Die Unfallzahlen mit elektrischen Fahrrädern steigen teils dramatisch. Trotzdem lassen Experten im Landkreis nichts auf die Technik und betagte Nutzer kommen. Sie nennen andere Gründe
Die Unfallwahrscheinlichkeit scheint höher zu liegen. Was Fahrradhändler aus dem Landkreis dazu sagen.
Landkreis Mit den E-Bikes ist das so eine Sache. Viele Radler, die damit in der Region auf die Strecke brettern, wissen nicht, dass sie eigentlich in sogenannte „Pedelecs“treten – Pedal Electric Cycles. Was bedeutet: Es ist der erforderliche Tritt, damit der installierte Motor Gas gibt. Viele Radler kennen kaum die Rasanz, das Antriebs- und Bremsverhalten sowie das Tempo der elektrischen Zweiräder. Und landen sogar in den Unfallstatistiken von Nordschwabens oder dem Landkreis Dillingen. Tendenz steigend. Laut Polizeipräsidium Schwaben Nord ereigneten sich in dessen Zuständigkeitsbereich 2016 mehr als 1400 Radunfälle, bei mehr als 50 spielten E-Gefährte eine Rolle. Zum Präsidiumsbereich gehören neben der Stadt Augsburg außerdem Donauwörth, Dillingen und die Landkreise Augsburg und Aichach-Friedberg. Zu den Unfallursachen gibt die Polizei vor allem Fehler beim Abbiegen, Wenden, mangelnder Sicherheitsabstand und Missachtung des Rechtsfahrgebotes an. Auch im Landkreis Dillingen holten die E-Biker mit sieben Unfallbeteiligten in negativer Weise auf. Mögen diese regionalen Zahlen noch eher überschaubar ausfallen, werden in ganz Bayern schon ein paar mehr Gänge hochgeschaltet: Im Erhebungsjahr 2016 verletzten sich bei fast 800 Unfällen mit den modernen Gefährten 760 Fahrer, für 18 ging der Zwischenfall tödlich aus. Noch dramatischere Werte ergeben sich aus bundesweiter Sicht: In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres wurden knapp 4300 Unfälle mit Personenschäden registriert. Dem Statistischen Bundesamt zufolge entspricht das fast einem Drittel mehr als im Vorjahreszeitraum.
Zwar gilt der deutsche Fahrradklub ADFC in Sachen Radlspaß nicht gerade als Spielverderber. Man weist dort aber auf die wachsende Gemeinde der elektrisierten Treter hin: Mittlerweile in ganz Deutschland rund dreieinhalb Millionen, nachdem 2017 nochmals beinahe eine Dreiviertelmillion dazugekommen ist. Grundsätzlich sei, so der ADFC, der Anstieg der Unfallzahlen durch die steigende Zahl der E-Fahrzeuge zu erklären. Auch das Bayerische Innenministerium erklärte auf Nachfrage unserer Zeitung, dass das Risiko, als Radfahrer zu verunglücken, bei den PedelecBedienern höher sei. „Auch in Bay- sind vor allem Senioren unter den getöteten Fahrern, von den 18 Umgekommenen waren 15 Senioren“, sagt der stellvertretende Pressesprecher Michael Siefener. Der jüngste Fahrer sei 48, der älteste 83 Jahre alt gewesen.
Auf diesen Sattel wollen erfahrene Fachhändler der Region keineswegs aufspringen. So wollen Radspezialisten an Donau wie Zusam die negativen Zahlen nicht allein der neuen Technik anlasten. „Man kann mit 80 vom Rad fallen, aber auch mit 20“, betont einer, der wie andere Kollegen bereits 40 Prozent der Verkäufe mit einem Akku abwickelt. Edgar Brachem vom gleichnamigen Fahrradhandel in Dillingen warnt zudem vor einer „Vergrei- sung“der Diskussion: „Bin ich denn mit meinen 59 Jahren bereits ein alter Knacker?“Auch als fortgeschrittener Jahrgang könne man ein Zweirad sicher beherrschen. Sicher sei die höhere Geschwindigkeit ein Faktor. „Aber bei einem Verkaufsgespräch schaue ich mir den Kunden genau an: Wenn er zum Wenden die ganze Straße braucht, rate ich ihm davon ab.“Oder empfiehlt schon mal ein Dreirad für Erwachsene, das es tatsächlich gibt.
Zweiradstadl-Betreiber Bernhard Hirschbolz in Wertingen kennt auch 80 Jahre alte Kunden, die ihr Gerät beherrschen: „Das ist keine Frage des Alters oder der Technik, sondern Kopfsache.“Der Experte, nach eigenem Verständnis der erern fahrenste Elektrorad-Verkäufer im Kreis, geht gerne auf Nummer sicher in Form eines Probefahrtages. Dabei kann ein neues Gefährt – ob konventionell oder motorisiert – ausprobiert werden. Wie Kollege Brachem warnt er beim Kauf eines Pedelects vor „Billigheimern, etwa ohne Rücktrittbremse“. Gerade im Namen der Sicherheit, so appellieren beide, sei beim Kauf auf Qualität zu achten. Der Anstieg der Unfallzahlen sei auch damit zu erklären, dass viel mehr als früher in die Pedale getreten werde. Edgar Brachem: „Die Leute fahren bis zu 5000 Kilometer pro Jahr, zehnmal so viel wie früher.“
Willibald Bock, Hauptkommissar und Verkehrsexperte bei der Polizeiinspektion Dillingen, weiß: „Die Bürger steigen nicht mehr kurz aufs Rad, um durchs Dorf zu fahren, sondern machen sich gleich nach Kloster Holzen auf.“Dass sich dabei immer mehr verletzen, kann Sonja Greschner als Betriebsdirektorin am Kreiskrankenhaus St. Elisabeth in Dillingen für ihren Bereich allerdings nicht bestätigen: „Bei den Radlermeldungen in der Notaufnahme gibt es keine Steigerung.“Zum Glück. Kommen doch bei Angela Röder als Leiterin einer Dillinger Apotheke immer wieder Bedenken auf, wenn auf dem Weg zur Arbeit am steilen Stadtberg dynamisch fahrende Senioren auf elektrischen Bikes an ihr vorbeisausen. „Da wird mir schon ein wenig schummrig.“
Vor allem Senioren sind betroffen