Grippe und Streik: Klinikum schlägt Alarm
Heute Vormittag wird das Pflegepersonal im OP-Bereich die Arbeit niederlegen, um für mehr Lohn zu streiten. Nur Notfälle werden operiert. Doch wegen der Influenza ist die Versorgung ohnehin eingeschränkt
Augsburg Am Klinikum werden Pflegekräfte heute Vormittag in einen Warnstreik gehen. Betroffen sind davon ein Großteil der Operationssäle und die Anästhesie sowie die Zentralsterilisation. Es wird damit gerechnet, dass etliche Eingriffe ausfallen werden. Lediglich drei Säle – das entsprich der Wochenendbesetzung – stehen für Notfälle zur Verfügung.
Die Klinikumsführung schlug am Freitagnachmittag, als der Streikaufruf öffentlich wurde, Alarm: Wegen der momentanen Grippewelle arbeite man ohnehin schon am Rand der Kapazitäten. Weil Personal krank ist, sind auf einigen Stationen Betten geschlossen. Wegen krankheitsbedingter Engpässe in der Anästhesie sind seit einer Woche zwei Operationssäle außer Betrieb, sagt der stellvertretende Pflegevorstand Jörg Roehring. Der Zeitpunkt des Streiks gefährde die Patientenversorgung. „Wir fühlen uns wie ein Ertrinkender, dem man jetzt noch den Kopf unter Wasser drückt“, so der Ärztliche Vorstand Prof. Michael Beyer.
Die Gewerkschaft Verdi fordert im Rahmen der laufenden Tarifrunde für den öffentlichen Dienst sechs Prozent mehr Lohn und eine Anhebung des Nachtarbeitszuschlags auf 20 Prozent, wie er auch in anderen Bereichen des öffentlichen Diensts üblich ist. Nur so bleibe der Beruf der Krankenpflege in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels attraktiv.
Auch Verdi-Gewerkschafter Stefan Jagel ist sich der Grippewelle in den Krankenhäusern bewusst. Er hält einen vierstündigen Warnstreik aber für auffangbar. „Vor zwei Jahren haben wir mit einem 24-stündigen Warnstreik auf einer Station gestartet. Jetzt werden Operationen verschoben werden müssen, aber die können nachgeholt werden.“Das eigentliche Problem sei, dass der Pflegebereich auch schon ohne Grippewelle auf Kante genäht sei. „Wir brauchen eine strukturelle Lösung für die Region. Die Notmedizin ist gerade am Kippen.“Dass es im Winter eine Grippewelle gebe, sei schließlich nicht überraschend. Vor einigen Jahren hätten solche Krankheitswellen noch nicht dazu geführt, dass Krankenhäuser so gravierende Probleme bekamen, ihren Versorgungsauftrag zu erfüllen, sagt Jagel. Dies sei ein Hinweis auf strukturelle Defizite im Pflegebereich. „Die Patientensicherheit ist trotz Streiks gegeben.“Verdi hatte im vergangenen Herbst im Rahmen einer bundes- weiten Aktion das Klinikum mit Streiks mehrere Tage lahmgelegt, um Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen für Schwestern und Pfleger zu erringen. Inzwischen gibt es eine Arbeitsgruppe aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern am Klinikum, die Vorschläge im Bereich Mindestbesetzung und Ausbildung erarbeitet. Wie berichtet bezahlt das Klinikum Augsburg zudem eine Prämie für neue Pflegemitarbeiter.
Die Klinikumsleitung kontert, dass man die bundesweite Diskussion über die Arbeitsbedingungen in der Pflege nicht mit dem jetzigen Streik für mehr Lohn vermischen solle. Warnstreiks seien im Rahmen von Tarifrunden nicht außergewöhnlich, er habe aber wenig Verständnis für den Zeitpunkt und die sehr kurzfristige Ankündigung, so Vorstandsvorsitzender Alexander Schmidtke.
Man habe aktuell zahlreiche kranke Mitarbeiter in der Pflege (eine Gesamtzahl konnte das Klinikum am Freitag nicht nennen), zusätzlich gibt es rund 35 schwangere Krankenschwestern, die auf Empfehlung des Gesundheitsamtes aufgrund der Grippewelle vorsichtshalber zu Hause bleiben sollen. „Gleichzeitig fluten mehr Patienten wegen der Grippe bei uns an“, so Ärztlicher Vorstand Beyer.
Wie berichtet geriet das Krankenhaus in Günzburg wegen der Grippewelle zuletzt in Bedrängnis. „Aber auch am Klinikum als gefühlt letzter Bastion wird es eng“, so Beyer. Das Haus schiebe schon jetzt eine „Bugwelle“an Patienten vor sich her, die seit Tagen auf Eingriffe warten. Aktuell habe man nur zwei Intensivbetten frei. Verzögerungen durch den Streik gingen nicht nur zu Lasten von Patienten, die ohne Probleme erst in ein paar Wochen operiert werden können, sondern auch zu Lasten von akut Erkrankten.
Die Lage, so Beyer, sei flächendeckend angespannt. Vor einigen Tagen habe es eine Anfrage aus Rosenheim gegeben, ob man eine Frau mit geplatzter Schlagader operieren könne. Aufgrund der Kapazitätsengpässe musste Augsburg ablehnen. „Am Tag darauf gab es wieder eine Anfrage, weil alle Versorger in Süddeutschland und Österreich dicht waren.“