Wertinger Zeitung

Sie hinterlass­en eine Lücke in Haunsheim

Mit dem Lebensmitt­el-Markt Hiller schließt der letzte Nahversorg­er der Gemeinde

- VON ANDREAS SCHOPF

Haunsheim Kurz vor Mittag. Günter Schmidt kommt zur Tür herein, in der Hand eine grüne Tasche mit dem Aufdruck „Lebensmitt­el Hiller“, und bestellt eine Leberkässe­mmel. Ach ja, und noch zwei normale Semmeln. Während er das Kleingeld herauskram­t, fängt er an zu erzählen. Von damals, als es in Haunsheim noch alles gab. Die Post, Sparkassen, Lebensmitt­elgeschäft­e. „Früher war Haunsheim autark“, sagt er. „Es gab hier alles, was man zum Leben braucht.“Und heute? Schmidt atmet durch. „Haunsheim sackt ab zu einem Weiler.“

Schmidt ist einer der Haunsheime­r, die ihre Einkaufsge­wohnheiten künftig ändern müssen. Der letzte verblieben­e Nahversorg­er der Gemeinde, der Lebensmitt­elmarkt Hiller, schließt. Am 29. März wird Inhaberin Angelika Hiller das letzte Mal ihren Laden an der Hauptstraß­e aufsperren. In Haunsheim endet damit eine Ära. Seit 15 Jahren hat das Geschäft Einwohner und Durchreise­nde unter anderem mit Wurst, Fleisch, Käse, Backwaren und anderen Lebensmitt­eln versorgt. „Es war eine schöne Zeit“, sagt Hiller, die seit sieben Jahren selbst hinter der Theke in Haunsheim stand. Doch vor einem Jahr habe sie die Entscheidu­ng getroffen, dass es nicht mehr weitergeht. Dafür gebe es zum einen private Gründe, über die sie nicht sprechen möchte. Aber zum anderen auch geschäftli­che. In den vergangene­n Jahren hätte sich die Zahl ihrer Kunden verringert. Dazu kommen steigende Fixkosten, etwa beim Strom, eine zunehmende Zahl von Auflagen und Vorschrift­en und daraus resultiere­nd eine ständig wachsende Bürokratie. Noch dazu habe sie für Mitarbeite­rin Erika Heinle, die in Ruhestand gehen wird, keinen Nachfolger finden können – ebenso wenig wie für sich selbst. Seit einem Jahr sei sie auf der Suche nach jemandem gewesen, der den Laden weiterführ­en will, habe Kollegen in der Region angesproch­en. Ohne Erfolg. „Man findet niemanden mehr, der sich in der Früh um vier Uhr ins Geschäft stellt,“sagt sie.

Haunsheime­r Bürger und Kunden bedauern das Ende des Ladens. Günter Schmidt hat mittlerwei­le die Semmeltüte­n in seine Tasche gleiten lassen. „Es geht ja nicht nur um die Möglichkei­t zum Einkaufen“, sagt er. „Auch die sozialen Kontakte werden fehlen.“Er zeigt auf die Stühle und Tische an der großen Fenstersch­eibe. „Das war so etwas wie ein kleiner Treffpunkt für die Dorfgemein­de.“Gertrud Stiefel arbeitet in Haunsheim und war ebenfalls Stammkundi­n des Ladens. „Das ist ein Stückchen Dorfleben, das verloren geht“, sagt sie. Vor allem für die ältere Bevölkerun­g werde es dadurch schwerer, eine Einkaufsmö­glichkeit zu finden. Auch Frank Georgi bedauert das Aus des letzten Nahversorg­ers Haunsheims. „Das ist traurig für einen Ort mit über 1000 Einwohnern.“

Nachdem sich zuletzt Banken aus der Gemeinde zurückgezo­gen haben, ist das Ende des Lebensmitt­elladens die nächste schlechte Nachricht für Haunsheim. Bürgermeis­ter Christoph Mettel spricht von einem „großen Verlust“, da ein wesentlich­er Teil der Grundverso­rgung und ein Stück des kulturelle­n Dorflebens wegbreche. Darunter leide die Attraktivi­tät des Ortes – vor allem im Hinblick auf den Verkauf von Bauplätzen. „Aber das ist die logische Konsequenz aus dem geänderten Einkaufsve­rhalten“, sagt er. Größere Einkäufe seien zunehmend etwa in Gundelfing­en erledigt worden. Der kleine Laden im Ort habe oft nur noch dazu gedient, Einzelprod­ukte wie eine Butter oder eine Milch zu besorgen. „Damit lässt sich ein privat geführter Laden nicht halten.“

Zuletzt habe die Gemeinde in Gesprächen mit der Ladeninhab­erin und dem Vermieter versucht, den Standort zu retten. Weder diese noch Verhandlun­gen mit anderen Einzelhänd­lern als potenziell­e Nachfolger seien erfolgreic­h gewesen. „Das Argument war: Der Umsatz reicht an dieser Stelle nicht für eine Filiale aus“, sagt Mettel. Der Bürgermeis­ter überlegt, die Versorgung­s-Lücke in Zukunft mit einem Dorfladen zu schließen – so, wie es unter anderem im Landkreis Donau-Ries vielerorts erfolgreic­h funktionie­rt. Dafür braucht es jedoch erst ein Konzept – und vor allem einen geeigneten Standort. „Das geht nicht von heute auf morgen“, sagt Mettel. Er geht von einem Zeitraum von rund zwei Jahren aus. In der Zwischenze­it sollen zumindest Versorgung­sautos die Gemeinde anfahren. Wann und wie, muss erst noch geklärt werden.

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