Für die Tafeln im Landkreis ist Solidarität der Grundsatz
Dass in Essen Flüchtlinge bei der Ausgabe ausgeschlossen wurden, stößt bei der Caritas vor Ort auf Unverständnis
Landkreis Lebensmittel retten, Menschen helfen: Die Mitarbeiter der Tafeln fahren zu Supermärkten und Einzelhändlern, sammeln überschüssige Lebensmittel und geben sie an sozial Benachteiligte. Vor 25 Jahren, im Februar 1993, wurde in Berlin die erste Tafel Deutschlands gegründet. In den Folgejahren zogen andere Städte nach – 2005 auch Dillingen. Bundesweit sind es inzwischen über 930 Standorte. Feiern will man das 25-jährige Jubiläum in Dillingen nicht. „Unser Auftrag ist helfen, nicht feiern“, sagt Stephan Borggreve. Er ist Geschäftsführer der Dillinger Caritas, Träger der hiesigen Tafeln. Vier Ausgabestellen gibt es im Landkreis: Dillingen, Lauingen, Höchstädt und Wertingen. Für rund 750 Menschen sind die Tafeln in der Region damit ein Rettungsanker.
Gerade sorgt die Tafel in einem anderen Teil Deutschlands für heftige Diskussionen: In Essen wurde beschlossen, nur noch Bedürftige mit deutscher Staatsangehörigkeit neu aufzunehmen. Als Grund gaben die Verantwortlichen an, der Migranten-Anteil sei auf drei Viertel angestiegen. Ältere und alleinerziehende Tafel-Nutzerinnen fühlten sich dadurch abgeschreckt. Der Dillinger Tafel-Chef will seinen Kollegen nicht sagen, wie sie ihren Job zu tun haben. Von der Entscheidung aber hält er wenig: „Der Grundsatz der Tafel ist Solidarität, unabhängig, ob die hilfesuchenden Christen, Moslems oder Buddhisten sind.“Auch in der Dillinger Tafel komme es hier und da zu Streitigkeiten zwischen Anstehenden. „Wenn Leute sich nicht benehmen können, dann fliegen sie halt raus, egal welche Religion. So einfach ist das“, sagt Borggreve. Blieben Leute aber weg, weil sie Ausländer nicht tolerierten, dann greife die Tafel nicht ein. „Niemand ist gezwungen, die Hilfeleistung anzunehmen, man kann den Hund ja nicht zum Jagen zwingen.“
Dass Anstehende drängeln, schubsen und um die besten Plätze kämpfen, ist gemeinhin bekannt. In der Dillinger Tafel werden die Menschen deshalb in Gruppen eingeteilt, die verschiedene Ausgabezeiten haben. Das passiert schon bei der Ausstellung des Tafelausweises: Der wird in verschiedenen Farben gedruckt. Die Gruppen bestehen immer aus etwa 30 Personen. „Je nach Farbe kommt eben einmal die Gruppe ‚Rot’ als erstes dran und ein anderes Mal die Gruppe ‚Blau’“, sagt Borggreve. Die Kollegen in Wertingen dagegen losen jedes Mal, um die Reihenfolge zu bestimmen.
Eine Aufnahmesperre musste die Dillinger Tafel auch schon verhängen. Das war 2015 im Zuge der Flüchtlingskrise. Für fünf Monate vergaben sie keine neuen Ausweise, unabhängig der Nationalität. Mit der niedrigen Arbeitslosigkeit entspannte sich die Lage wieder und die Zahl fiel von 1200 auf heute 750 Kunden ab. Wie hoch der Ausländeranteil ist, kann Borggreve nicht sagen: „Wenn wir Neue aufnehmen fragen wir nur nach Name, Alter und Größe des Haushalts. Die Nationalität interessiert uns gar nicht.“
Die Lebensmittel bei der Ausgabe reichen in der Dillinger Tafel immer gerade so. „Haben wir mal ein paar Joghurtbecher zu viel, dann bekommen die Leute halt mehr.“Bleibe trotzdem mal etwas übrig, werde das an andere Organisationen weitergegeben. Die Lebensmittel stünden immer kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum. Diese Ware bieten Supermärkte in den vergangenen Jahren verbilligt an. „Trotzdem bleibt immer genügend übrig, und wir können unsere Arbeit auch in Zukunft genauso weiter machen. Die Hilfsbereitschaft der Bürger ist weiterhin groß.“