Konfliktbewältigung unter Männern
Der Atomstreit um Nordkorea gilt als eine der gefährlichsten Krisen der Welt. Nun wollen sich Trump und Kim treffen – eine historische Sensation. Dabei ist die Strategie des Diktators offensichtlich, aber handelt der US-Präsident richtig?
Spieß um und versetzt Tokio in Aufregung. „Wir bestehen darauf, dass Nordkorea zuerst substanzielle Schritte in Richtung einer Denuklearisierung geht, damit so ein Gespräch Sinn hat“, betonte Verteidigungsminister Itsunori Onodera in Tokio. Nordkoreas Nachbar Japan hält Trumps Zusage für überhastet und wünscht sich eine härtere Linie gegen Nordkorea. Das schnelle Einknicken Trumps ist der Regierung in Tokio unheimlich, denn anders als die USA fürchtet Japan Nordkorea nicht nur als Atommacht, denn Kim könnte die Japaner jederzeit konventionell mit Mittelstreckenraketen und Nervengas angreifen.
Auch US-Verteidigungsminister James Mattis wurde während eines Treffens mit Beratern von der Nachricht des bevorstehenden Gipfels überrascht. Die New York Times meldete unter Berufung auf Regierungskreise, Washington habe kein ausgearbeitetes Konzept für die Kontakte mit Nordkorea. Dabei ist Kims Strategie offensichtlich: Er will Anerkennung seines Landes auf der internationalen Bühne. Anders als Trump hatte Kim seine Offerte sorgfältig vorbereitet, unter anderem durch seine Friedensouvertüren während der Olympischen Winterspiele in Südkorea. Mit Trumps Ja zu einem persönlichen Treffen hat Kim einen wichtigen Erfolg errungen: Er ist der erste Chef des Kim-Clans, der Nordkorea zu einer solchen Weltgeltung verhilft. Das weitgehend isolierte Nordkorea steht plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit.
Weder seinem Vater Kim Jong Il noch seinem Großvater, dem nordkoreanischen Staatsgründer Kim Il Sung, war das je gelungen. Diese hatten allenfalls mit Ex-US-Präsidenten zu tun: So traf Bill Clinton im Jahr 2009 Kims Vater, um über die Freilassung inhaftierter Amerikaner zu verhandeln. Für den damaligen Präsidenten Barack Obama kam nicht einmal ein Telefonat mit Kim infrage. Zuvor hatte im Jahr 1994 Jimmy Carter den Großvater des derzeit regierenden Kim besucht. Erfahrene Außenpolitiker hätten Trump deshalb empfohlen, den nordkoreanischen Machthaber erst dann zu treffen, wenn Nordkorea wichtige Zugeständnisse in der Frage seines Atomprogramms gemacht hat – und nicht vorher. Trump ist dagegen überzeugt, dass er mit Kim einen Deal aushandeln kann, auch wenn er sein Gegenüber als nicht zurechnungsfähigen „kleinen Raketenmann“betitelt hat. Der 36-jährige Kim nannte Trump im Gegenzug einen verrückten „Tattergreis“.
Im vergangenen Jahr hatte Trump den Nordkoreanern noch mit „Feuer und Zorn“gedroht. Seine Regierung arbeitete zuletzt an Plänen für einen begrenzten Militärschlag gegen das Kim-Regime, um die Entwicklung nordkoreanischer Interkontinentalraketen zu stoppen. Der Präsident bezeichnete Verhandlungen mit Nordkorea als Zeitverschwendung – all das ist jetzt Gerede von gestern. Auch Kim hat eine beachtliche Kehrtwende hingelegt. Vor nicht allzu langer Zeit drohte sein Regime noch mit Raketenangriffen auf die amerikanische Insel Guam im Pazifik und mit einer Atomattacke auf Washington selbst. Mehrere Raketentests demonstrierten angebliche technische Fortschritte der Nordkoreaner. Jetzt zieht Kim plötzlich die atomare Abrüstung in Betracht. Allerdings zeigen auch die mehrfach verschärften Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea immer mehr Wirkung.
Experten werten das geplante Gipfeltreffen als Chance für einen Durchbruch im Korea-Konflikt. Zugleich warnen sie Trump aber davor, von Nordkorea sofortige und umfassende Zugeständnisse zu erwarten. Auch Trump selber hatte in den vergangenen Monaten immer wieder betont, dass er Gespräche mit Nordkorea deshalb ablehne, weil dies Pjöngjang mehr Zeit zur Vollendung des Atomprogramms gebe. Doch genau das könnte Kims Taktik sein. Evan Medeiros, ein Asien-Experte in der Regierung von Trumps Vorgänger Barack Obama, sagte der New York Times, Kim werde „niemals“seine Atomwaffen aufgeben. Der nordkoreanische Machthaber führe sowohl die südkoreanische Regierung als auch Trump an der Nase herum.
In Japan hält man Trumps Schritt für überhastet