Notaufnahme hat mehr Platz, aber kein Personal
Angesichts der Grippewelle kommen bis zu 300 Patienten täglich ins Klinikum. Um die Kapazitäten zu erweitern, wurde extra angebaut. Doch weil Schwestern und Pfleger fehlen, können die Räume nicht genutzt werden
Augsburg/Neusäß Am Klinikum wird es angesichts der Grippe- und Erkältungswelle momentan in der Notaufnahme wieder eng. „Die Kollegen arbeiten hart am Anschlag, denn auch unter den Mitarbeitern gibt es viele Krankheitsfälle“, so Dr. Markus Wehler, Leiter der Notaufnahme und stellvertretender Ärztlicher Vorstand, auf Anfrage. Momentan kommen rund 250 bis 300 Patienten pro Tag dort an – das sind bis zu 80 Patienten mehr als im Tagesdurchschnitt aufs Jahr gerechnet.
Verschärft wurde die Situation dadurch, dass sich in den vergangenen Tagen mehrere Kreiskrankenhäuser aus der Region bei der Leitstelle der Feuerwehr wegen Überfüllung zeitweise abmeldeten. Das Klinikum als Maximalversorger in der Region, der so etwas wie die letzte Verteidigungslinie ist, muss Patienten aufnehmen. Die Überlastung der Kreiskliniken sei „selbstverständlich spürbar“, sagt Wehler. In einer Presseerklärung fordert der Augsburger Kreistagsabgeordnete Fabian Mehring (FW), dass eine Lösung gefunden wird. „Wer einen Notarzt ruft, braucht schnelle Hilfe und hat schlichtweg keine Zeit, um Reise nach Jerusalem zwischen sämtlichen Notaufnahmen der Region zu spielen.“
Zuletzt war die NotaufnahmenSituation in der Region im Jahr 2015 in die Schlagzeilen geraten. Damals war eine sogenannte Überlastungsanzeige von 15 Klinikumsmitarbeitern öffentlich geworden, in der die Klinikleitung auf massive Probleme in der Notaufnahme hingewiesen wurde. In der Folge wurde eine Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung am Klinikum installiert, die sich um nicht-dringliche Fälle kümmern soll. 15000 Patienten wurden dort im vergangenen Jahr versorgt. Zudem wurde die Notaufnahme räumlich erweitert, indem der Bau eines Modulgebäudes, das für die Generalsanierung nötig ist, vorgezogen wurde. Zehn zusätzliche Behandlungsplätze entstanden auf diese Art und Weise.
Benutzt werden können die zusätzlichen Kapazitäten aber nicht. „Aufgrund von Pflegemangel können sie leider nicht betrieben werden“, so Wehler. Das Problem, nicht genug Personal zu finden, stellt sich auch für den Bereich der Intensivstationen, deren Kapazität ebenfalls erweitert wird. Auch auf anderen Stationen im Haus sind Stellen unbesetzt. Das Klinikum hat eine „Kopfprämie“für neue Pflegekräfte ausgelobt. Mitarbeiter, die einen examinierten Krankenpfleger anwerben, kassieren 2500 Euro Prämie. Der Angeheuerte selbst erhält 1000 Euro zur Begrüßung. Dies gilt auch für Pflegeschüler, die am Haus ausgebildet wurden und dort weiterarbeiten. Mit dem Rücklauf sei man bisher recht zufrieden, heißt es aus dem Klinikum.
Bezahlt wird die Aktion aus einem eine Million Euro großen Sonderbudget, das im vergangenen Jahr als Reaktion auf die Pflege-Streiks aufgelegt wurde. Im Rahmen einer bundesweiten Aktion bestreikte Verdi am Klinikum die Pflege an mehreren Tagen, um auf die Überlastung der Beschäftigten aufmerksam zu machen. Inzwischen gibt es eine betriebliche Kommission, die Verbesserungsvorschläge und Mindestbesetzungsstandards erarbeitet. Die Prämie sieht man bei Verdi eher kritisch. „Damit löst man das grundsätzliche Problem nicht, zumal wenn sich Leute wieder wegbewerben“, so Verdi-Gewerkschafter Stefan Jagel. Wichtiger sei, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Am Klinikum herrscht – auch hervorgerufen durch die bundesweit schwierige Situation bei der Krankenhausfinanzierung – seit Jahren ein Konsolidierungskurs, weil die Träger Stadt und Landkreis Augsburg die hohen Millionendefizite der Vergangenheit nicht weiter tragen wollten. Allerdings ging damit auch eine Arbeitsverdichtung fürs Personal einher.
Andere Augsburger Krankenhäuser setzen nicht auf Prämien. Grundsätzlich sei es schwieriger, qualifiziertes Pflegepersonal zu finden, man habe aber eine geringe Fluktuation und könne alle Stellen besetzen, heißt es bei Hessing (230 Pflegestellen). Auch das Josefinum sagt, dass man alle Stellen (knapp 200 in Geburts- und Frauenklinik) besetzen könne. Ein Großteil der Bewerber komme auf Empfehlung.
Am Klinikum macht man geltend, einen viel größeren Personalbedarf zu haben. Die 2019 anstehende Umwandlung zur Uniklinik verstärke diese Situation noch weiter, heißt es. Speziell in den Bereichen Notaufnahme und Intensivstation gilt die Belastung für die Mitarbeiter zudem als besonders hoch.