Wertinger Zeitung

Sie packen’s gemeinsam an

Beim Morgengebe­t gibt Pfarrer Rupert Ostermayer die Richtung vor. Coach Markus Kratzer ist von Anfang an dabei. Während der Sportler die körperlich­e Ruhe schätzen lernt, hat der Pfarrer einen „Schubs“bekommen

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN „Ich halte tatsächlic­h be wusster Ausschau nach Be wegungsmög­lichkeiten im Alltag.“Rupert Ostermayer, Stadtpfarr­er in Wertingen

Wertingen „Wenn du die Richtung bestimmst, dann mach ich mit“, sagt Markus Kratzer, packt die eine Seite des Tisches und wartet auf die Ansage von Wertingens Stadtpfarr­er Rupert Ostermayer. An diesem Morgen haben sie die Rollen getauscht. Beim frühmorgen­dlichen Gebet im Wertinger Pfarrheim weiß klar der Pfarrer wo’s lang geht. Coach Kratzer lässt sich interessie­rt darauf ein, was kommt. Nachdem sich die beiden ehemaligen Klassenkam­eraden am Aschermitt­woch erstmals getroffen hatten, kam Markus Kratzer spontan am nächsten Tag gleich um 6 Uhr aus Biberbach zum Morgengebe­t – und das seitdem Woche für Woche. Das „Losgehen“sieht der 50-Jährige als wichtigste­n Schritt. Ob jemanden ein anziehende­s Ziel dazu bewegt oder irgendein „Schubs“, sei egal.

Irgendeine­n „Schubs“scheint auch Pfarrer Ostermayer bekommen zu haben. „Die vergangene­n drei Wochen haben etwas verändert“, erzählt er offen. Tags zuvor hatte er sich spontan auf sein Fahrrad geschwunge­n und war zum 80. Geburtstag nach Geratshofe­n geradelt. Wenn er privat telefonier­t, stellt er sich mittlerwei­le auf seine Minigymnas­tikmatte – Kratzer hatte sie ihm wie versproche­n gleich nach dem vorigen Gespräch gebracht – und übt sich in Balance. Und wenn er am Schreibtis­ch merkt, dass ihm das Denken schwer fällt, hüpft der Pfarrer ein wenig auf dem Trampolin. „So schüttelt’s auch meinen Rücken durch“, freut er sich – auch darüber, dass dies alles leicht in seinen Alltag zu integriere­n ist. „Ich halte tatsächlic­h bewusster Ausschau nach Bewegungsm­öglichkeit­en“, staunt er über sich selbst. Noch zögert der kräftig gebaute Pfarrer, das Wort „Leichtigke­it“in den Mund zu nehmen. Jedenfalls könne er über große Strecken leichter arbeiten. Sein Gürtel lässt sich deutlich enger schnallen. Problemlos kann er seine Knie beugen. „Das Leben fühlt sich leichter an“, fasst er heiter zusammen.

„Durch das Fasten des Leibes erhebst du den Geist“, rezitiert der Pfarrer aus einer der Fasten Präfatione­n (Vorgebete). Parallel zur Bewegung hält er sich nach wie vor an die selbst vorgegeben­e 16:8-Regelung während der Fastenzeit – acht Stunden Essen, 16 Stunden Fasten. Gegen Mittag fängt der Pfarrer gewöhnlich erst mit dem Essen an.

An diesem Morgen allerdings frühstückt er mit Genuss am Ende des Morgengebe­ts. Draußen war es noch dunkel, als die rund 30 Frauen und Männer sich im Kreis singend auf die Andacht einstimmte­n: „Menschen auf dem Weg durch die dunkle Nacht, habt Vertrauen, der Tag bricht an.“Abwechseln­d lesen sie Verse eines Psalms, wiederhole­n bewusst noch einmal die Zeilen, die sie besonders ansprechen, setzen sich mit einem Ausschnitt des diesjährig­en Hungertuch­s auseinande­r und singen erneut: „Alle meine Quellen entspringe­n in dir...“

Ganz selbstvers­tändlich hat sich Markus Kratzer in die Wertinger Glaubensge­meinschaft eingefügt. Der Biberbache­r Coach schätzt das „scheinbare Nichtstun“am frühen Morgen. Als Schwabe habe er sich das „schaffe, schaffe“eingeprägt. „Wer viel macht ist ein Guter in un- serer Gesellscha­ft“, reflektier­t der sportliche Coach. Nur atmen, die Gedanken laufen lassen, nach dem Aufstehen nochmals vorsätzlic­h in Ruhe gehen, das alles lernt er als etwas Neues kennen und schätzen. „Dein Sport ist für mich schwierig und meine Ruhe für dich“, macht Ostermayer aufmerksam. Gegensätze anzunehmen und gleichzeit­ig Neues kennenzule­rnen empfinden beide als erfrischen­d und weitend.

Wann bleibe im Alltag schon die Zeit hinzuspüre­n, was man wirklich wolle. Die beiden ehemaligen Schulkamer­aden bleiben an diesem Morgen – nach Gebet und Frühstück – noch eine ganze Weile sitzen. Bei einigen Tassen Kräutertee tauschen sie sehr persönlich­e Erfahrunge­n aus. Beide Männer mussten sich vor rund drei Jahren endgültig von ihren Müttern verabschie­den, hatten davor die eigene Verbundenh­eit mit ihr nochmals intensiv gespürt. Ebenso den Schmerz und die Freiheit nach dem Tod. „Reden ist das eine, erleben das andere“– persönlich­e Erfahrunge­n stärken das Mitgefühl von Coach und Pfarrer, sind sie sich einig. „Ströme von lebendigem Wasser brechen hervor“, hatten sie noch vor einer Stunde gemeinsam gesungen.

Das Sterben ermöglicht neues Leben – was sich die Christen im Hinblick auf Ostern immer wieder klar machen, zeigt derzeit intensiv die Natur. Ostermayer: „Tag und Licht nehmen zu, der Schnee verschwind­et, die ersten Blümchen kommen raus.“Gerade zwei Wochen ist es her, dass er mit Walking Stöcken und „seinem“Coach durch tiefen Schnee gestapft war.

Große Aktionen für die er sich ausrüsten und eigene Zeitfenste­r einplanen muss, wehrt der Pfarrer auf Dauer ab. Beim Blick aus dem Fenster – mittlerwei­le scheint die Sonne – entscheide­t sich Rupert Ostermayer dennoch ganz spontan für ein nächstes Treffen in freier Natur in der kommenden Woche. Wie es wohin geht, wird sich wie immer zeigen ....

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Coach Markus Kratzer (links) und Pfarrer Rupert Ostermayer packen derzeit manches gemeinsam an, so auch das Aufräumen der Tische nach dem Morgengebe­t.
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Fotos: Hassan Für das gemeinsame Frühstück nach dem Morgengebe­t durchbrich­t Pfarrer Rupert Ostermayer allwöchent­lich sein derzeitige­s 16:8 Fasten. Ein Frühaufste­her ist er nicht wirklich. Umso mehr schätzt er die vielen Menschen, die kommen.
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Foto: Auch des Pfarrers Katze Mariele schaut beim Morgengebe­t vorbei. Mit Leichtig keit bückt sich Ostermayer.
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Markus Kratzer hat sich schon an die Ge wohnheiten des Morgengebe­ts und an schließend­en Frühstücks gewöhnt.

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