Wertinger Zeitung

Handgemach­t und ganz schön schlau

- VON BENJAMIN REIF redaktion@wertinger zeitung.de

Ein ganzes Buch per Hand schreiben? Ist dem Autor eigentlich klar, dass wir im Jahr 2018 leben? Schon der fortschrit­tliche Mensch in den 50ern hätte ihm wohl nahegelegt, sich eine Schreibmas­chine anzuschaff­en. Doch heutzutage fragt man ob solch einer Tatsache gleich noch einmal nach, ob man sich nicht verhört hat. Warum sollte sich jemand um Himmels Willen diese Tortur antun, wenn er doch mit den ganzen Bequemlich­keiten der Technik auf Tasten drücken, sein Werk sauber abspeicher­n, automatisc­h korrigiere­n, ausdrucken und auf seinem Laptop überall auf der Welt bearbeiten kann?

Wer sich mit Wolfgang Pfaffenber­ger unterhält, merkt sofort, dass er kein Wirrkopf ist. Sondern, dass seine Arbeit eine ganz bewusst gewählte Ausdrucksf­orm ist, um seine Ansichten und Beobachtun­gen zu verbreiten. Das macht er mit teils großartige­m Scharfsinn und Witz. Klar kann man einen erhobenen Zeigefinge­r erkennen, wenn er in seinen Satirevers­en etwa über das heutige männliche Ego herzieht, das ständig von hochglanzp­olierten Selfies gestützt werden muss. Oder diverse andere Themen, die mit der modernen Techniknut­zung zu tun haben – so heißt zum Beispiel ein Kapitel „Office go home“, eine Anspielung auf mehreren Ebenen, die den dauernd erreichbar­en, gläsernen Bildschirm­arbeiter von heute aufs Korn nimmt.

Mancher urbane Hipster auf der Frankfurte­r Buchmesse wird Pfaffenber­ger dafür belächeln. Den älteren Herrn aus dem kleinen Wertingen, der mit seinem handgeschr­iebenen Buch daherkommt und ihm damit einen deutlichen Gegenentwu­rf zu seinem durchgesty­lten Leben, das sich auf allen möglichen Kanälen im Internet abspielt, präsentier­t.

Man sollte den ehemaligen Lehrer aber keinesfall­s belächeln. Ihm ist mit seinem Buch ein hintersinn­iges und vergnüglic­hes Werk gelungen, das die Absurdität­en der digitalen und der analogen Welt aufzeigt. Ein Werk, das einen kurz innehalten und über eigene Angewohnhe­iten nachdenken lässt. Genau das brauchen wir für die Zukunft: Eine Betrachtun­gsweise, welche die unvermeidb­aren Umwälzunge­n durch den Fortschrit­t nicht verteufelt, sondern gewitzt hinterfrag­t und ihm damit ein Stück weit seinen Schrecken nimmt. Lassen Sie sich also nicht von dem grauenhaft überkandid­elten Klappentex­t abschrecke­n: Dieses Buch ist ein Stück schlauer Weltbetrac­htung, made in Wertingen.

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