Der Kurden Konflikt erreicht Deutschland
Eine Serie von Anschlägen auf türkische Einrichtungen hängt offenbar mit dem Krieg in Nordsyrien zusammen
Augsburg In ganz Deutschland werden Moscheen beschmiert, Kulturzentren angegriffen oder türkische Läden verwüstet. Es scheint, als hingen die Taten mit dem Krieg Erdogans gegen die Kurden zusammen, denn nachdem türkische Streitkräfte die syrische KurdenHochburg Afrin einkesseln, häufen sich derartige Anschläge. Die größte Islam-Dachorganisation Ditib spricht von mehr als zwei Dutzend Vorfällen innerhalb weniger Tage.
Die Ermittlungen zu den Anschlägen stehen noch am Anfang. In den meisten Fällen geht die Polizei aber davon aus, dass politische Extremisten hinter den Angriffen stecken. Hinweise gibt es viele. In der Nacht zum Sonntag fliegen in Meschede in Nordrhein-Westfahlen Molotowcocktails auf das Gebäude eines deutsch-türkischen Freundschaftsvereins. Später prahlen Extremisten auf eine Internetseite mit Videos von der Aktion. Sie rufen zu weiteren Aktionen gegen die türkische Offensive in Afrin auf. In der Nacht zum Dienstag verüben Unbekannte einen Anschlag auf zwei türkische Läden in Hannover. Die Beamten finden handgeschriebene Zettel mit Botschaften wie „Fight 4 Afrin“(Kämpft für Afrin).
Die Liste der Vorfälle ist lang. Im schleswig-holsteinischen Itzehoe werden die Fenster einer Moschee eingeschlagen. Auch in Köln, Berlin und Stuttgart werden Moscheen durch Schmierereien und Brandanschläge beschädigt. Das seien Gewalttaten, die nicht ernst genug genommen würden, sagt Gökay Sofuoglu, Bundesvorsitzender der türkischen Gemeinde in Deutschland: „Man diskutiert sehr viel über kriminell gewordene Asylbewerber. Aber man redet sehr wenig über rassistische Angriffe auf Moscheen und Geflüchtete.“Sofuoglu befürchtet, dass der Konflikt zwischen Türken und Kurden nun „hier auf den Straßen ausgetragen“wird. Eine Sorge, die auch die Neu-Ulmer GrünenAbgeordnete Ekin Deligöz teilt. „Es ist davon auszugehen, dass die Anschläge in Verbindung zum Krieg in Syrien stehen“, sagt sie. Sie trügen die Handschrift von Extremisten und müssten verfolgt werden.
Ihr ehemaliger Parteichef Cem Özdemir pflichtet Deligöz bei. „Wer Moscheen hierzulande anzündet, um seinen Protest kundzutun, kann sich weder mit der türkischen Invasion in Afrin noch mit den Menschenrechtsverletzungen rausreden – seien sie noch so schlimm“, sagt er auf Anfrage unserer Zeitung. Özdemir spricht von einer Spirale der Gewalt. Sie könne nur durchbrochen werden, „wenn Türken gemeinsam mit Kurden solidarisch gegen den Hass zusammenstehen“. Doch ein Ende des Konflikts sei nicht in Sicht, erklärt Deligöz. Dazu müssten alle Parteien in Verhandlungen miteinander treten. Deligöz: „Momentan sehe ich aber keine Bereitschaft dazu, in Syrien herrscht ein Machtvakuum.“
Knapp zwei Monate nach Beginn der Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien haben die türkischen Streitkräfte die Stadt Afrin eingekesselt. Die Kurden haben der türkischen Armee mit massiver Gegenwehr gedroht. „Wir werden den Widerstand fortsetzen, was immer es kosten wird“, sagt der Sprecher der Kurdenmiliz YPG in Afrin, Brosik Hassakah. Die Offensive auf die Region ziehe sich hin, noch immer schlügen die kurdischen Einheiten die Angriffe „der türkischen Armee und der Söldner“zurück. Seit Ende Januar führt die Türkei unter dem Motto „Operation Olivenzweig“Krieg gegen die Kurdenmiliz in Syrien. Die türkische Regierung stuft die YPG wegen ihrer Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK als Terrororganisation ein. Ankara argumentiert, dass das militärische Eingreifen in Nordsyrien nicht gegen internationales Recht verstoße. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat zuletzt aber Zweifel daran geäußert. (mit dpa)