Auch ohne Schwarzgeld geht’s rund
Der Verdacht der Geldwäsche ist vom Tisch. Trotzdem plant die Opposition fünf Jahre nach dem Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft GBW einen Untersuchungsausschuss
München Obwohl der Geldwäscheverdacht wie eine Seifenblase geplatzt ist, halten SPD, Freie Wähler und Grüne im Landtag an ihrem Plan fest, zu dem seit Jahren umstrittenen Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft GBW mit ihren bayernweit rund 33 000 Wohnungen einen Untersuchungsausschuss im Landtag einzurichten. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher nannte als Begründung „die fundamentale Kehrtwende“von Finanzminister Markus Söder (CSU) in der Wohnungspolitik. Die Staatsregierung zeigte sich unbeeindruckt. „Ich wüsste nicht, wovor wir da Angst haben sollten“, sagte Finanzstaatssekretär Albert Füracker.
Gestritten wird über den milliardenschweren Verkauf der GBWAnteile der Bayerischen Landesbank an ein Käufer-Konsortium unter Führung der Augsburger Patrizia Immobilien AG schon seit dem Jahr 2013. Der Verkauf damals war, wie berichtet, eine Folge der Landesbank-Pleite vor rund zehn Jahren. Nach Ansicht der Opposition hätte die Staatsregierung aus Gründen des Gemeinwohls und des Mie- terschutzes dafür sorgen sollen, dass die Wohnungen in staatlicher Hand bleiben oder an die Kommunen gehen. Die Staatsregierung hält dagegen, dass dies nicht möglich gewesen wäre, ohne sich neuen Ärger mit der EU-Kommission einzuhandeln und die Rettung der Landesbank zu gefährden. Aus einem Bieterverfahren ging schließlich die Patrizia mit ihrem Konsortium als Siegerin hervor. Das Angebot der Kommunen war zu niedrig. Wer die Investoren sind, blieb bis vorgestern geheim.
Dass das Thema zu Beginn des Wahljahres 2018 wieder hochkocht, hat zwei Gründe. Zum einen hatte der designierte Ministerpräsident Markus Söder, der als Finanzminister für den GBW-Verkauf zuständig war, die Gründung einer staatlichen Wohnungsbaugesellschaft angekündigt, um den Wohnungsmangel zu bekämpfen. Zum anderen hatte das Handelsblatt über einen angeblichen Geldwäscheverdacht und russisches Schwarzgeld im Umfeld von Geschäftspartnern der Patrizia berichtet, obwohl Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dafür keinen Anhaltspunkt ergeben hatten. Die Patrizia ging vor Gericht mit Erfolg gegen diese Behauptungen vor.
Völlig überraschend wurde dann auch noch das Finanzministerium tätig, schaltete die Rechtsaufsicht ein, erzwang so bei der BayernLB die Herausgabe der Investorenliste und legte sie vorgestern dem Haushaltsausschuss in geheimer Sitzung vor. Die Abgeordneten bekamen schwarz auf weiß zu sehen, dass die Beteuerungen der Patrizia zutreffen und bei dem Geschäft kein Schwarzgeld im Spiel war. In der Liste der 27 Käufer – 26 aus Deutschland, einer aus der Schweiz – finden sich nur Sparkassen, Versicherungen, Pensionskassen und berufsständische Versorgungswerke.
Einem Untersuchungsausschuss schien damit jede Grundlage entzogen, zumal auch alle anderen strittigen Fragen zum GBW-Deal im Landtag schon rauf und runter diskutiert worden waren. Die drei Oppositionsfraktionen im Landtag aber wollen sich dadurch, wie sich gestern bei einer gemeinsamen Pressekonferenz zeigte, nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen.
Treibende Kraft dabei sind offenbar die Freien Wähler. Fraktionschef Hubert Aiwanger warf Söder vor, er habe „ein Massaker auf dem Wohnungsmarkt angerichtet“. Aiwanger sagte: „Der GBW-Verkauf war ein schmutziger Deal zum Schaden Bayerns und der Mieter.“Er will auch wissen, wie das mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft war: „Hätte man da nicht vielleicht das Gras wachsen hören müssen?“
SPD-Fraktionschef Rinderspacher begründete einen möglichen Untersuchungsausschuss politisch. Söder habe vor fünf Jahren Wohnungen verkauft, jetzt kündige er die Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft an. „Das ist ein Wahlkampf-Gag, den Herr Söder hier plant.“Katharina Schulze, Fraktionschefin der Grünen, beschränkte sich auf die Forderung nach „Aufklärung und Transparenz“.
In einer zweiten Pressekonferenz im Finanzministerium traten Staatssekretär Füracker und der CSUHaushaltspolitiker Ernst Weidenbusch den Vorwürfen entgegen. Es gebe die Wohnungen noch, es gebe keine Nachteile für die Mieter und, so Füracker: „Es gibt weit und breit keinen Skandal.“
So schnell kann es gehen in der Politik. Vor wenigen Tagen noch sah es so aus, als könnte die Opposition im Landtag vielleicht doch noch schweres Geschütz gegen den Finanzminister und designierten Ministerpräsidenten Markus Söder auffahren. Geldwäscheverdacht, russisches Schwarzgeld, Immobilienmilliardäre, arme Mieter. Das sind lauter wuchtige Stichworte, mit denen man im Wahlkampf – auch wenn es nur ein vager Verdacht ist – seinen Gegner unter Beschuss nehmen kann. Just in dem Moment aber, in dem SPD, Freie Wähler und Grüne loslegen wollten, mussten sie feststellen, dass sie für eine Fortsetzung der Skandalisierung des GBW-Verkaufs gar keine Munition haben. Keine russischen Mafiosi, sondern deutsche Sparkassen und Versicherungen haben die GBW mit ihren 33 000 Wohnungen gekauft.
Selbstverständlich darf man Söder unterstellen, dass er zu seiner Vereidigung gerne als Ritter in makellos weißer Rüstung antreten will und deshalb nach Jahren des Streits schließlich doch noch mit der Liste der Investoren rausrückte. Aber wie die Opposition im Licht der neuen Erkenntnisse noch einen Untersuchungsausschuss rechtfertigen will, ist beim besten Willen nicht zu erkennen.
Der tiefere Grund für das seltsame Spektakel liegt vermutlich auch in der Konkurrenz der Oppositionsfraktionen untereinander. Wer jetzt noch ausschert und sagt, man solle den Untersuchungsausschuss bleiben lassen, der setzt sich im Wahlkampf dem Vorwurf der anderen aus, gekniffen zu haben. So ist das, wenn in der Politik nur der Verdacht herrscht: Dann setzen sich Verschwörungstheoretiker durch, nicht die vernünftigen Köpfe.
Aiwanger: „Ein Massaker auf dem Wohnungsmarkt.“