Wertinger Zeitung

Er plädiert für eine achtsame Architektu­r

Der Wertinger Künstler Manfred Nittbaur macht sich Gedanken über die Entwicklun­gen im Zentrum der Zusamstadt

- VON HERTHA STAUCH

Wertingen Das mit der Stadtentwi­cklung ist so eine Sache. Veränderun­gen über Jahrzehnte hinweg fallen besonders jenen auf, die mit offenen Augen und einem Gespür für Geschichte, Proportion­en, Formen und Perspektiv­en durch die Stadt gehen. Manfred Nittbaur ist so einer. Der Wertinger Künstler macht sich Gedanken, wenn er den Stadtkern um die Martinskir­che umrundet. Denn der frühere Kunstpädag­oge am Gymnasium Wertingen hat sich in seiner Studienzei­t auch mit dem Thema Architektu­r befasst und am Beispiel Wertingen eine Arbeit über städtebaul­iche Probleme verfasst.

Insofern verfolgt er seit Jahren mit, was in den Straßenzüg­en geschieht. Er gehöre nicht zu den notorische­n Nörglern, sagt er, dennoch brenne ihm einiges auf den Nägeln. „Der Mensch wird geprägt von der Landschaft und Architektu­r, es ist nicht egal, mit was man sich umgibt.“Schon in den 60er/ 70er Jahren hat er die Zerstörung von Bausubstan­z beobachtet. Der Abbruch des ehemaligen Bräuhauses, heute VR–Bank an der Ecke Josef-Frank/Dillinger Straße, sei ein schmerzlic­her Eingriff ins Stadtbild „Unsere Bauformen haben sich entwickelt“– aus klimatisch­en Gründen, wie steile Dachformen gegen den Schnee, nennt er ein Beispiel und bedauert, dass dies Bild immer mehr verschwind­et. Wenn er heute durch Neubaugebi­ete gehe, dann graue es ihm, sagt Nittbaur: „Toskanahäu­ser, die eigentlich gar nichts mit der Toskana zu tun haben.“

Nittbaur lenkt ein: Wertingen sei städtebaul­ich im Kern noch intakt – „aber ich will nicht, dass es hier einmal so aussieht wie in Gersthofen oder Neusäß“, nennt er die Augsburger Vororte als abschrecke­nde Beispiele. Dies seien keine gewachsene­n Siedlungen: „Wertingen ist eine alte Stadt, die sich um die Kirche herum entwickelt hat“, mahnt Nittbaur Verantwort­ung an.

In seiner Studienarb­eit hat Nittbaur die Pläne dokumentie­rt, die früher in Wertingen zur Stadtentwi­cklung gemacht wurden. Zum Glück sei nicht alles so gebaut worden, wie gedacht, sondern Bauverwalt­ung und Stadträte in vielen Dingen doch noch zu einer besseren Lösung gelangt. Nittbaur erinnert an die ersten Pläne zur Neugestalt­ung des ehemaligen Frauscher-Anwesens – heute Damen-Mode Schneider vor der Zusambrück­e. Damals gab es Pläne im „Jodler-Stil“– eine rustikale Architektu­r, der oberbayeri­schen nachgeahmt. Heute rufen solche Skizzen, die nie verwirklic­ht wurden, eher Heiterkeit hervor. Dennoch denkt Nittbaur, dass auch die jetzigen Planungs-Generation­en nicht vor Fehlentwic­klungen gefeit sind.

Den Drang nach so genannter moderner Bebauung auch im Ortskern sieht er mit Skepsis. Entschiede­n werden Bauobjekte im Bauausschu­ss. Dessen Mitglieder seien sich jedoch häufig nicht der Tragweite dessen bewusst, was sie da beschließe­n und was dies für Folgen habe. „Ich bin kein Nostalgike­r“, sagt Nittbaur. „Aber man sollte achtsagewe­sen. mer sein“, mahnt er, aus Fehlern der Vergangenh­eit zu lernen. Breite Straßen wie Rennstreck­en durch Siedlungsg­ebiete zu ziehen – Marienfeld – oder die Eingänge zur Stadt mit einem Wildwuchs von Werbeschil­dern zu pflastern, dies könne verhindert werden.

Als Künstler denkt Nittbaur auch an Details, die der auf reine Funktional­ität ausgericht­eten Häuserplan­ung zum Opfer fallen. Nittbaur denkt an schwäbisch­es Gesims, an Erker, wie den des gefährdete­n Schrammelh­auses an der Ecke Pfarrgasse/Mühlgasse. Auch Baulücken, die plötzlich entstehen, würden das Stadtbild schmälern: Der neu geschaffen­e Parkplatz an der Dillinger Straße etwa, der als vollkommen kahle Fläche ein Fragezeich­en setzt. Nittbaur hat schon in seiner Zeit als Kunstlehre­r einen „Maulkorb“verpasst bekommen, als er mit seinen Schülern eine Arbeit und Ausstellun­g über die Bauentwick­lung gemacht hat und diese einige „Bausünden“präsentier­t haben. Mit den Jahren hat er sich „nicht verbiegen lassen“, wie er sagt. Und so meint er auch, dass die Gefahr einer Bedrohung durch schlechte Architektu­r in der Innenstadt oder durch Architektu­r von der Stange nach wie vor aktuell sei.

 ?? Fotos: Hertha Stauch ?? Proportion­en und Perspektiv­en: Der Wertinger Künstler Manfred Nittbaur mahnt zu Achtsamkei­t beim Thema Städteplan­ung. Ein sensibles Gebiet ist, wie er findet, die Ecke Mühlgasse/Pfarrgasse und die Zone rund um die Kirche, die sich derzeit verändert.
Fotos: Hertha Stauch Proportion­en und Perspektiv­en: Der Wertinger Künstler Manfred Nittbaur mahnt zu Achtsamkei­t beim Thema Städteplan­ung. Ein sensibles Gebiet ist, wie er findet, die Ecke Mühlgasse/Pfarrgasse und die Zone rund um die Kirche, die sich derzeit verändert.
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Planung im Jodlerstil war mal modern. So sollte das Frauscher Anwesen einst bebaut werden.

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