In Bayern fehlen tausende günstige Wohnungen
Das könne zur Gefahr für die etablierten Parteien werden, sagt Verbandsdirektor Hans Maier. Was er fordert
Herr Maier, wir treffen Sie in Nördlingen im Landkreis Donau-Ries, die örtliche Baugenossenschaft feiert ihren 100. Geburtstag. Sie besitzt rund 700 Wohnungen – und kann den Bedarf an günstigem Wohnraum dennoch bei Weitem nicht abdecken: 490 Bewerber stehen aktuell auf ihrer Warteliste. Ist das ein Nördlinger Problem oder eines, das ganz Bayern betrifft? Maier: Überall, wo Menschen zuziehen, gibt es in Bayern einen Mangel an preisgünstigen Wohnungen. In Schwaben ist das sogar in fast allen größeren Städten der Fall.
Weil in der Vergangenheit schlicht zu wenig Mietwohnungen gebaut wurden? Maier: Nach 1990 war die Nachfrage nicht so groß, da hat man zunächst nur die Bestände ertüchtigt. Der große Knackpunkt war aber das Jahr 2005. Damals hat die Bundesregie- rung beschlossen, steuerliche Anreize für den Wohnungsbau abzuschaffen – konkret Mehrabschreibungen. Damit war der Bau von Mietwohnungen für Investoren nicht mehr interessant, die Rendite zu gering. Wohnungen sind zwar weiterhin gebaut worden, aber keine preisgünstigen.
Hätten die Baugenossenschaften da nicht selbst mehr bauen müssen? Maier: Das müssen sich die Baugenossenschaften erst einmal leisten können. Schauen Sie: Ein Haus für zehn Familien kostet etwa 2,5 Millionen Euro. Für die Finanzierung braucht die Baugenossenschaft aber mindestens 20 Prozent Eigenkapital, also 500000 Euro. Die muss sie erst einmal haben. Und sie braucht ein günstiges Grundstück, auf dem sie das Haus errichten kann. Das Problem wäre also zu lösen, wenn die Kommunen günstigen Baugrund anbieten? Maier: Das alleine reicht nicht. Wir brauchen auch Fördermittel vom Freistaat, und zwar kontinuierlich. Da muss Bayern nachbessern. Grundsätzlich muss dem Wohnungsbau Vorfahrt gewährt, er muss zum politischen Thema werden. Wenn sich die Menschen das Wohnen nicht mehr leisten können, wenden sie sich von den etablierten Parteien ab.
Sehen Sie das nicht zu sehr durch die Brille eines Mannes, der sich jeden Tag damit beschäftigt? Maier: Nein. In einer Umfrage wurden die Menschen zuletzt nach den drei dringendsten Problemen unserer Zeit gefragt. Eines davon war der Wohnungsmangel. Horst Seehofer wird nicht nur Innen-, sondern auch Bauminister. Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung? Maier: Im Koalitionsvertrag gibt es gute Ansätze zum Thema Bauen. Aber letztendlich haben die Länder die Zuständigkeit bei diesem Thema. Wichtig ist, dass die Bauvorschriften standardisiert werden und auch die eine oder andere von ihnen wieder abgeschafft wird. Wir brauchen in Bayern 400 000 Wohnungen, jedes Jahr müssten 70000 neue entstehen. Tatsächlich wurden im Jahr 2016 aber nur 54000 gebaut.
Dabei gibt es derzeit immer noch sehr günstige Kreditzinsen. Maier: Ja, da sind wir sehr froh darüber. Wenn sie steigen, können wir nicht mehr so günstig bauen.
Interview: Martina Bachmann