Was ist mit Gerhard Schröder los?
Der Altkanzler gerät durch sein Engagement in Russland immer stärker in die Kritik
Augsburg Da werde einer vom Russland-Versteher zum Russland-Vertreter, lästerten viele in Deutschland, als Gerhard Schröder den Aufsichtsratschefposten beim Erdölkonzern Rosneft übernommen hat. Rosneft ist nicht irgendein Energieriese. Der von Schröder als Oberkontrolleur beaufsichtigte Konzern ist einer der größten Erdölproduzenten der Welt, die Hälfte seiner Aktien gehören dem russischen Staat. Vor allem aber ist der Konzern mit seinen knapp 80 Milliarden Euro Umsatz auf das Engste mit dem Kreml verflochten. Das liegt an Konzernchef Igor Setschin, der als drittmächtigster Mann in Russland gilt und seit vier Jahren persönlich auf der Sanktionsliste der USA steht.
„Setschin, das bin ich“, soll Wladimir Putin einmal gesagt haben. Tatsächlich war der Rosneft-Chef seit Anfang der Neunziger über viele Jahre einer von Putins wichtigsten persönlichen Mitarbeitern und wird heute zum innersten Machtzirkel des Kremlchefs gezählt. Als der Rosneft-Chef vergangenen September den deutschen Altkanzler in St. Petersburg bei der Hauptversammlung den Aktionären präsentierte, tat er es mit den Worten: „Gerhard Schröder ist Moskau gegenüber der loyalste Bundeskanzler der Geschichte.“Ein Lob, das viele im Westen mit Argwohn vernahmen.
Schröders Wechsel in den Aufsichtsrat löste in Deutschland noch größere Kritik aus, als sein Wechsel zu Gazproms Ostsee-PipelineTochter Nord Stream. Denn Rosneft steht seit Russlands Übergriffen auf die Ukraine auf der EU-Sanktionsliste. Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin hat nun gefordert, auch Schröder auf die Sanktionsliste zu setzen, was die deutsche Bundesregierung zurückweist.
Schröder hat seinen politisch brisanten Aufsichtsratsposten wiederholt zur Privatsache erklärt. Doch schon als Kanzler hatte er es sich immer
Mit seinem Engagement beim russischen Energieriesen Rosneft hat Gerhard Schröder einen schweren Fehler begangen. Zwar mag der Aufsichtratsposten dem vielschichtigen Ruf des Altkanzlers keinen allzu großen Schaden zufügen: Die Agenda 2010 sichert Schröders Platz in der Geschichte. Ebenso aber kurz danach auch sein Job bei Gazprom, der bis heute zu den abschreckenden Beispielen zählt, wenn Politiker ohne Schamfrist in die Wirtschaft wechseln. zum Ziel gesetzt, die Beziehungen zu Russland zu verbessern – vor allem angesichts der historischen Verantwortung von Millionen Toten im Zweiten Weltkrieg.
Der SPD-Mann verteidigt stets seine Freundschaft mit dem Kremlchef: „Das bleibt auch so, ich vertraue Wladimir Putin“, sagte er vor kurzem. „Freundschaft bedeutet ja, dass man dem anderen auch seine Meinung sagt und ihn kritisiert.“Wenn Schröder Kritik öffentlich äußert, dann sehr zurückhaltend: „Russland braucht, um langfristig politisch und wirtschaftlich erfolgreich zu sein, eine offene Gesellschaft“, sagte er jüngst. „Und Korruption ist eine der größten Geißeln des Landes.“Doch vor allem wirbt Schröder um Verständnis für Putin: Er glaube nicht „an die Mär einer russischen Aggressionspolitik“, sagte er der Zeit. Damit, dass ihn sowohl die Russen als auch seine Kritiker als wichtigsten Lobbyisten Russlands sehen, hat der Sozialdemokrat auch keine Probleme: „Ich lasse mich nicht instrumentalisieren“, versichert der Altkanzler.