Der Zaun der Zeit
Für alles scheint es in Deutschland Institute zu geben. In unserem gründlich-tiefgründigen Land wird kaum etwas ausgespart, was das Leben im Innersten einzäunt. Nehmen wir nur das Deutsche Institut für Kautschuktechnologie, das Deutsche Institut für Provokative Therapie, das Deutsche Institut für Thanatopraxie (was immer das ist), das Deutsche Institut für Treppensicherheit, das Deutsche TapetenInstitut, das Institut für deutsche Schneckenzucht, nur leider gibt es kein kulturgeschichtliches Deutsches Zaun-Institut, wobei dieses Begrenzungsinstrument sozialpolitisch große Bedeutung hat und in Zeiten allgemeiner Abgrenzungstendenzen gegen alles Fremde einen Blick über den Zaun wert ist.
Gut, es existiert die Gütegemeinschaft Metallzauntechnik e. V. und der Fachverband Metallzauntechnik e.V., welche „die Brancheninteressen gegenüber Parlamenten, Regierungen und Behörden auf nationaler, Landes- und Kommunalebene vertreten“. Doch bei allen unbestreitbaren zaunpolitischen Verdiensten gilt es, die tiefenpsychologische und soziale Komponente des Themas zu ergründen.
Denn Zäune unterliegen Moden wie Röcke und Hosen. Manchmal fallen sie wie in den 70er Jahren in Gestalt des dackelgeeigneten Jägerzauns kürzer, also weniger hoch, aus. So ist es an der Zeit, eine Zaundebatte vom Zaun zu brechen, schließlich kommt die Erkenntnis, ein Zaun verbinde Nachbarn und sein Fehlen entzweie sie schnell, einem Wink mit dem Zaunpfahl gleich. Insofern leistet der Trend zu hochgezogenen, für Golden Retriever geeigneten Steinkörben einen Friedensbeitrag. Diese doppelseitigen Stabgitterzäune, in die Steine gefüllt werden, heißen Gabionen, was auf das Italienische („Großer Käfig“) zurückgeht. Eine solche Mauer light ist in der Zaunrepublik Deutschland so beliebt, dass sich die Frage stellt: Warum bauen die Menschen nicht gleich eine Betonmauer? Vielleicht, weil das trumphaft wirkt, den Eigentümer als von Ängsten geplagt offenbart.
Auf alle Fälle verschafft es einem in einer globalisierten Welt ein schönes Stück Heimat, gut und hoch umzäunt zu sein. Längst müsste die Politik über den Zaun springen, nicht Zaungast bleiben und sich des Themas annehmen. Sollen wir die Zäune um unsere Gärten noch höher ziehen? Welche Obergrenze ist hier sinnvoll? Heimatminister haben wir ja mittlerweile genug.