„Alles muss besser werden“
Jérôme Boateng hat nicht gefallen, was die deutsche Mannschaft gegen Spanien zeigte. Der heutige Gegner heißt Brasilien und hat vor allem eines im Sinn: Revanche
Berlin Ob es nun Spezialität oder Stärke des Verteidigers Jérôme Boateng ist, mag jeder für sich entscheiden. Fakt ist aber, dass der Satzbau des 29-Jährigen von jener funktionalen Schlichtheit beherrscht ist, die sich bei geübten Defensivakteuren auch im Spiel wiederfindet. Als hohe Kunst gilt es, schwierige Sachen einfach aussehen zu lassen. Da, wo abseits des Platzes manch Ballzauberer mit Wortgirlanden viel spricht, aber wenig sagt, kommt Boateng schnell zum Punkt. Sollen sich die anderen doch im Geäst der Relativsätze verirren. Nach dem attraktiven 1:1 gegen Spanien bemängelte er zur Verwunderung der Betrachter des Spiels das deutsche Auftreten deutlich. „Alles“müsse besser werden im Hinblick auf die WM.
Im Einzelnen seien das „Chancenverwertung, Passspiel, Zielstrebigkeit zum Tor, das Zusammenarbeiten in der Mannschaft sowie das Umschaltspiel.“Er schloss seine Kritik mit jenem altbekannten Vergleich aus der Welt der Tiere. „Wenn wir so spielen, immer einen Schritt zu spät sind, spielt eine Mannschaft wie Spanien Katz und Maus mit dir.“Deutschland war eher nicht die Katze.
Weil nun aber Boateng mit seiner Stimme eher der Monotonie eines Metronoms folgt und seine Mimik permanente Straßenjungen-Attitüde ausstrahlt, ist oft nicht ganz klar, wie er denn nun etwas genau meint. Jene Kritik am Auftritt gegen Spanien beispielsweise sei „gar nicht so schlimm gewesen“, sagte er vor dem Spiel heute gegen Brasilien. Er sei selbst überrascht gewesen, „wie negativ sie wahrgenommen wurde“. Außerdem sei er nun mal ein Freund davon, Fehler lieber direkt klar anzusprechen, „als sie verstreichen zu lassen, und dann gucken wir uns dumm an, wenn es darauf ankommt“.
Gegen Brasilien kommt es noch nicht darauf an. Dennoch ist diese Partie der letzte Test, ehe Joachim Löw seinen Kader für das internationale Kräftemessen in Russland nominiert. Außerdem könnte die Mannschaft jenen Rekord einstellen, den eine vormalige Generation deutscher Auswahlspieler zwischen 1978 und 1980 aufstellte. Sollte auch die Partie gegen Brasilien nicht verloren werden, bliebe man im 23. Spiel hintereinander ohne Niederlage. Letztmals verließ man das Feld 2016 mit hängenden Köpfen, dummerweise nach dem Halbfinale der EM gegen Frankreich.
Derartige Bestmarken spielen in der Gedankenwelt des Bundestrainers allerdings keine Rolle. Ansonsten hätte er kaum Mesut Özil und Thomas Müller vorzeitig zu ihren Heimatvereinen geschickt. Eine Tatsache, die brasilianische Reporter verstörte. In ihrer Heimat sei es nicht denkbar, dass Leistungsträger in einem derart wichtigen Spiel geschont würden. Boateng entgegnete pragmatisch, dass man eben auch personell testen müsse und die anderen Spieler ja auch ganz gut seien.
Der Partie kommt in Brasilien aber ohnehin mehr Bedeutung zu als hierzulande. Nach der 1:7-Niederlage im WM-Halbfinale vor vier Jahren sinnt ein Land auf so etwas Ähnliches wie Revanche. Die könne es aber nicht geben, „schließlich kann man das Halbfinale ja nicht zurückholen“, so Löw. Er stellt sein Team auf eine Mannschaft ein, deren „Motivation wahrscheinlich unermesslich hoch“sein wird.
Marc-Andre ter Stegen wird sich nicht mit den Heißblütern auseinandersetzen müssen. Der Torwart leidet unter leichten Problemen an der Patellasehne und wird geschont. Stattdessen sollen Kevin Trapp und Bernd Leno jeweils eine Halbzeit im Tor stehen. Der derart umgestalteten Mannschaft wird es im Spiel wohl zumindest anfangs an Feinabstimmung fehlen. Möglicherweise wird im Anschluss Boateng wieder deutliche Worte finden. Das wiederum fände Löw gut. Er befand die Kritik Boatengs für „absolut in Ordnung“. Allerdings wies er auch darauf hin, dass die Partie gegen Spanien „auf wahnsinnig hohem Niveau“absolviert worden sei. Verbessern könne man vor allem Details immer. Das sieht Boateng sicherlich genauso.
So könnten sie spielen: Deutschland Leno (Bayer Leverkusen) – Kimmich, Boateng, Hummels (alle Bayern München), Plattenhardt (Hertha BSC) – Rudy (Bayern München), Kroos (Real Ma drid) – Goretzka (FC Schalke), Gündogan, Sané (beide Manchester City) – Werner (RB Leipzig) Brasilien Alisson (AS Rom) – Alves, Silva (beide Paris Saint Germain), Miranda (Inter Mailand), Marcelo – Casemiro (beide Real Madrid) – Willian (FC Chelsea), Paulinho (FC Barcelona), Fernandinho (Manchester City), Coutinho (FC Barcelona) – Gabriel Jesus (Manchester City)
Nach der Silbermedaille von Pyeongchang ist für die deutschen Eishockeyspieler fast nichts mehr so, wie es mal war. Die schlechte alte Eishockeyzeit gehört der Vergangenheit an, in der die Experten die Pleiten wortreich erklären mussten. Stattdessen lädt ZDF-Talkmaster Markus Lanz nicht mehr nur Lothar Matthäus, Waldemar Hartmann und andere Kicker-Größen in sein Studio. Jüngst durfte Eishockey-Bundestrainer Marco Sturm den Weg zu Silber in Südkorea schildern.
Ein großer japanischer Autokonzern wirbt plötzlich mit dem Kölner Nationalverteidiger Moritz Müller für seine Vehikel. Selbst die nordamerikanische Fachzeitschrift The Hockey News spekulierte, dass deutsche Kinder sich die Olympioniken zum Vorbild nehmen könnten. Anstelle zu versuchen, der nächste Thomas Müller, Michael Schumacher oder Dirk Nowitzki zu werden, wollen sie vielleicht, dass die Eltern ihnen eine EishockeyAusrüstung kaufen, um der nächste Dominik Kahun oder Patrick Hager zu werden.
Die alte Formel bewahrheitet sich: Erfolg macht sexy. Die Helden von Pyeongchang sind gefragte Gesprächspartner und Werbefiguren. Doch die Sensation von Südkorea bringt auch schmerzhafte Konsequenzen. Der WeltklasseVerteidiger Christian Ehrhoff nimmt den Höhepunkt seiner Karriere zum Anlass, seine Laufbahn zu beenden. Andere wie Kapitän Marcel Goc könnten noch folgen. Alleine elf Spieler aus dem deutschen OlympiaKader waren am Tag des mit 3:4 nach Verlängerung dramatisch verlorenen Finals gegen die Russen älter als 30.
Auch der Mindelheimer Patrick Reimer, 35, wollte sich über seine Zukunft nicht festlegen. Selbst um den Verbleib des gefeierten Bundestrainers muss Verbands-Präsident Franz Reindl bangen. Bei Markus Lanz bekräftigte Sturm, dass es sein Ziel sei in der NHL, der besten Liga der Welt, zu arbeiten. Es müsse nicht mal der Posten des Cheftrainers sein, „einfach bei irgendeiner Mannschaft mitarbeiten“, das würde dem ehemaligen NHL-Stürmer schon genügen.
Die überraschende Silbermedaille wirbelt die deutsche EishockeySzene gewaltig durcheinander. Das ist, trotz schmerzhafter Begleiterscheinungen, gut so. Stillstand herrschte lange genug.