„Ein politischer Skandal“
Der Wertinger Helmut Sporer ist vor Gericht gezogen, er sieht einen anderen Stadtrat bevorzugt. Juristisch scheitert er. Doch seiner Meinung nach hätte es gar nicht so weit kommen dürfen. Nun erhebt der Kommunalpolitiker Vorwürfe
Helmut Sporer sieht einen anderen Stadtrat bei einer Baugenehmigung bevorzugt. Es geht unter anderem um eine Mail an Landrat Leo Schrell.
Wertingen/Augsburg Die Richterin Ingrid Linder wollte nicht hören, was Helmut Sporer zu sagen hatte. Es tue nichts zur Sache, was der Wertinger Stadtrat (CSU) und Kriminalbeamte abschließend hinzufügen wollte zu dem, was verhandelt worden war. Es ging an diesem Tag in Augsburg um die Frage, ob Sporer durch ein Bauvorhaben vor seiner Terrasse so gestört sei, dass es den Rahmen der „nachbarschaftlichen Rücksichtnahme“überschreite. Sporer hatte hier gegen den Freistaat Bayern geklagt, dieser wurde vertreten durch die Juristin des Dillinger Landratsamtes, Christa Marx. Das Gericht entschied: Sporer muss den Bau hinnehmen. Doch der sagt: Es hätte niemals zu der Verhandlung kommen dürfen. Denn was hinter den Kulissen passiert sei, das sei „ein politischer Skandal“.
Mehrmals versuchte die Richterin, Sporer in seinen Ausführungen zu stoppen, doch der Polizist blieb hartnäckig und sprach dann doch noch ein paar kurze Sätze. In diesen erhob er schwere Vorwürfe: In dem Verfahren habe ein anderer Stadtrat eine Sonderbehandlung erfahren – Dr. Herbert Nuber (Freie Wähler), der das Grundstück für seine oder gemeinsam mit seiner Tochter gekauft hat. Es habe einen „Eklat“im Stadtrat gegeben, sagte Sporer im Gespräch mit unserer Zeitung. Ein erster Bauantrag im Januar 2017 wurde abgelehnt. Hinter geschlossenen Türen habe Nuber in der darauf folgenden Sitzung des Stadtrates mit der Niederlegung des Fraktionsvorsitzes gedroht, falls der nachfolgenden Bauvoranfrage nicht zugestimmt werde. Um die folgenden Argumentationen nachvollziehen zu können, muss man die Umgebung des entsprechenden Grundstücks beachten. Zwischen der Bauerngasse und der Fritz-Carry-Straße liegt eine etwa 4000 Quadratmeter große Grünfläche, die in mehrere Einzelgrundstücke unterteilt ist, die sich allesamt in Privatbesitz befinden. Das Gelände ist sehr abgeschottet, bei einer Rundfahrt erkennt man vom Auto aus so gut wie nichts, fast lückenlos umschließt die Bebauung das Gelände. Am Bauplatz standen zudem laut Sporer über ein Dutzend Bäume, die allerdings im April und Juli gefällt wurden – in seinen Augen rechtswidrig.
Es gab in der Vergangenheit seitens der Stadt schon Überlegungen, den Grünstreifen mit einem konkreten Bebauungskonzept zu versehen, zu „überplanen“, wie es in der Verwaltung genannt wird. Das geschah allerdings nie. 2012 versuchten zwei Privatpersonen, auf dem Grüngürtel drei Wohnhäuser zu errichten. Doch ihr Antrag wurde vom Landratsamt abgelehnt. In der Begründung, in der das Landratsamt wiederum auf die Stadt Wertingen verweist, wird da- rauf hingewiesen, dass ein „städtebauliches Konzept“, welches die „Grundvoraussetzung für eine Bebauung in diesem Bereich“sei, fehle. Weiterhin heißt es wörtlich: „Der Bereich zwischen Bauerngasse und Fritz-Carry-Straße soll als Grüngürtel erhalten bleiben.“
Fünf Jahre später, Januar 2017: Ein erster Anlauf wird von den jetzigen Bauherren unternommen, die Genehmigung für den Bau eines Wohnhauses zu erhalten. Doch die Stadt äußert Bedenken zu dem Vorhaben. Wieder wird auf den schützenswerten Charakter des Grüngürtels verwiesen. Die letzte Entscheidung fällt immer das Landratsamt, welches erwartungsgemäß ebenfalls ablehnt, erneut mit der Begründung, dass eine „Planungsbedürftigkeit“bestehe und ein solches Vorhaben eine „ungeordnete Entwicklung“in diesem Bereich auslösen könne.
Nach dieser Niederlage erfolgt mindestens ein Ortstermin durch den Bauausschuss. Und es geschieht noch etwas anderes: Nuber schreibt eine Mail an Landrat Leo Schrell. In der Mail, auf die Sporer bei der Akteneinsicht stößt, Nuber, dass die Familie ein Grundstück in Aussicht habe. Doch die CSU-Stadträte Sporer und Dr. Johann Popp „wollen hier offensichtlich alles blockieren, obwohl doch ‚Verdichten‘ angesagt ist“, schreibt Nuber. Wie Sporer wohnt auch Popp an dem Grüngürtel. Nuber bittet Schrell, sich den Fall anzusehen und ihn und seine Familie zu unterstützen.
Ende März 2017 geht die zweite Bauvoranfrage für das Grundstück ein. Das geplante Gebäude wird darin um etwa 15 Meter Richtung Westen verschoben. Und nun signalisieren die Stadt sowie das Landratsamt Zustimmung. Am 5. April wird das Verfahren durch den Bauausschuss gewunken, zwei Tage später signalisiert das Landratsamt in einem „Vorbescheid“: Das Verfahren ist genehmigungsfähig.
Zum besseren Verständnis sind die Argumentationen zu dem Fall im Folgenden getrennt aufgeführt.
Sporer: Eine „grüne Lunge Wertingens“sei die Fläche zwischen Bauerngasse und Fritz-Carry-Straße einmal gewesen, sagt Sporer. Doch nun werde dieser Grüngürtel zugunsten des Interesses eines Einzelnen zerschnitten, es würden „Fakten geschaffen“, und das ohne Konzept – welches ja zuvor mehrmals ausdrücklich von den Behörden als Grundvoraussetzung für Bebauung bewertet wurde. Mehr noch: In dem abgelehnten Antrag für drei Wohnhäuser, der 2012 von zwei anderen Personen eingereicht worden war, habe eines der drei Häuser im Plan an fast exakt derselben Stelle gestanden, an der jetzt gebaut wird. Er sieht den Grüngürtel mit der jetzigen Lösung „faktisch zerschnitten und großteils zerstört“. Unter anderem deshalb, weil von Osten her eine „überlange“Zufahrt zum Grundstück entstehe.
Für Sporer ist es kein Zufall, dass Nuber sein politisches Gewicht in die Waagschale geworfen hat, und dann der Weg in den Instanzen freigemacht wurde. „Es ist nicht in Ordnung, ein politisches Amt für private Interessen zu missbrauchen“, sagt Sporer. Bei der Baugenehmigung ging es im erfolgreichen Anlauf schnell: Nur sechs Arbeitstage seien vom Eingang der Bauanfrage bis zur Signalisierung der Zustimmung seitens des Landratsamtes vergangen – die bevorzugte Behandlung sei nur mit der „ominöschreibt sen“Mail Nubers an Landrat Schrell zu erklären, findet Sporer.
Landratsamt: Das Landratsamt weist den Vorwurf zurück, es habe politische Einflussnahme gegeben. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es: „Es entspricht dem Selbstverständnis des Landratsamtes als bürgerfreundliche Verwaltung, gemeinsam mit potenziellen Bauherren eine Lösung für die Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens zu entwickeln, sollte dieses in der eingereichten Form aus rechtlichen Gründen zunächst nicht genehmigungsfähig sein.“Nachdem die Mail von Dr. Nuber eingegangen sei, habe sich Landrat Leo Schrell (Freie Wähler) über den Vorgang informieren lassen. Auf das Verfahren habe er keinen Einfluss genommen. Auch die Juristin Christa Marx hatte vor dem Verwaltungsgericht jegliche Einflussnahme auf ihre Arbeit dementiert. Warum vorangegangene Vorhaben abgelehnt wurden und das jetzige Vorhaben genehmigt wurde, das begründet Christa Marx so: Der Vorschlag von 2012 hätte eines städtebauliches Konzepts bedurft, da einer solchen Bebauung ein „anderes Gewicht“zukomme als der Voranfrage für ein einzelnes Einfamilienhaus. Das Argument, dass im Antrag eines der drei Häuser an der Stelle gestanden hätte, wo jetzt gebaut wird, sei nicht relevant: Das Landratsamt habe über Anträge in der vorgelegten Form zu entscheiden. Sprich: Das Gesamtpaket wurde abgelehnt. Die geringe Bearbeitungszeit beim genehmigten Antrag sei dem Umstand geschuldet, dass in vorangegangenen Bewertungen schon automatisch Vorarbeit geleistet worden sei.
Bürgermeister: Warum sich die Haltung der Stadt in der Angelegenheit verändert habe, erklärt Bürgermeister Willy Lehmeier (Freie Wähler) so: Beim ersten Antrag der Familie von Stadtrat Dr. Nuber habe das geplante Haus mehr mittig im Grüngürtel gestanden. Nun habe man gemeinsam versucht, allen Interessen möglichst weit entgegenzukommen. Im engen Austausch von Bauausschuss und Landratsamt sei man zu folgender Lösung gelangt: Das Wohnhaus sei dann akzeptabel, wenn es sich von der Lage her in eine gedachte Linie einfügt, die von einem anderen, hervorstehenden Gebäude in der westlichen Bebauung etwa parallel zur Bauerngasse gezogen wird. Das heißt im Prinzip, dass in den Augen der Ausschussmitglieder an der Westseite eine bauliche Ordnung entsteht. Der Charakter des Grüngürtels bleibe somit weitestgehend erhalten, auch mit einer Zufahrt von der Ostseite her, welche Sporer ebenfalls kritisiert hatte.
Mittlerweile haben auf der Fläche die Arbeiten begonnen. Dr. Herbert Nuber wollte sich gegenüber unserer Zeitung nicht zu dem Thema äußern. »Kommentar
Eine Mail an den Landrat