Wertinger Zeitung

„Ein politische­r Skandal“

Der Wertinger Helmut Sporer ist vor Gericht gezogen, er sieht einen anderen Stadtrat bevorzugt. Juristisch scheitert er. Doch seiner Meinung nach hätte es gar nicht so weit kommen dürfen. Nun erhebt der Kommunalpo­litiker Vorwürfe

- VON BENJAMIN REIF

Helmut Sporer sieht einen anderen Stadtrat bei einer Baugenehmi­gung bevorzugt. Es geht unter anderem um eine Mail an Landrat Leo Schrell.

Wertingen/Augsburg Die Richterin Ingrid Linder wollte nicht hören, was Helmut Sporer zu sagen hatte. Es tue nichts zur Sache, was der Wertinger Stadtrat (CSU) und Kriminalbe­amte abschließe­nd hinzufügen wollte zu dem, was verhandelt worden war. Es ging an diesem Tag in Augsburg um die Frage, ob Sporer durch ein Bauvorhabe­n vor seiner Terrasse so gestört sei, dass es den Rahmen der „nachbarsch­aftlichen Rücksichtn­ahme“überschrei­te. Sporer hatte hier gegen den Freistaat Bayern geklagt, dieser wurde vertreten durch die Juristin des Dillinger Landratsam­tes, Christa Marx. Das Gericht entschied: Sporer muss den Bau hinnehmen. Doch der sagt: Es hätte niemals zu der Verhandlun­g kommen dürfen. Denn was hinter den Kulissen passiert sei, das sei „ein politische­r Skandal“.

Mehrmals versuchte die Richterin, Sporer in seinen Ausführung­en zu stoppen, doch der Polizist blieb hartnäckig und sprach dann doch noch ein paar kurze Sätze. In diesen erhob er schwere Vorwürfe: In dem Verfahren habe ein anderer Stadtrat eine Sonderbeha­ndlung erfahren – Dr. Herbert Nuber (Freie Wähler), der das Grundstück für seine oder gemeinsam mit seiner Tochter gekauft hat. Es habe einen „Eklat“im Stadtrat gegeben, sagte Sporer im Gespräch mit unserer Zeitung. Ein erster Bauantrag im Januar 2017 wurde abgelehnt. Hinter geschlosse­nen Türen habe Nuber in der darauf folgenden Sitzung des Stadtrates mit der Niederlegu­ng des Fraktionsv­orsitzes gedroht, falls der nachfolgen­den Bauvoranfr­age nicht zugestimmt werde. Um die folgenden Argumentat­ionen nachvollzi­ehen zu können, muss man die Umgebung des entspreche­nden Grundstück­s beachten. Zwischen der Bauerngass­e und der Fritz-Carry-Straße liegt eine etwa 4000 Quadratmet­er große Grünfläche, die in mehrere Einzelgrun­dstücke unterteilt ist, die sich allesamt in Privatbesi­tz befinden. Das Gelände ist sehr abgeschott­et, bei einer Rundfahrt erkennt man vom Auto aus so gut wie nichts, fast lückenlos umschließt die Bebauung das Gelände. Am Bauplatz standen zudem laut Sporer über ein Dutzend Bäume, die allerdings im April und Juli gefällt wurden – in seinen Augen rechtswidr­ig.

Es gab in der Vergangenh­eit seitens der Stadt schon Überlegung­en, den Grünstreif­en mit einem konkreten Bebauungsk­onzept zu versehen, zu „überplanen“, wie es in der Verwaltung genannt wird. Das geschah allerdings nie. 2012 versuchten zwei Privatpers­onen, auf dem Grüngürtel drei Wohnhäuser zu errichten. Doch ihr Antrag wurde vom Landratsam­t abgelehnt. In der Begründung, in der das Landratsam­t wiederum auf die Stadt Wertingen verweist, wird da- rauf hingewiese­n, dass ein „städtebaul­iches Konzept“, welches die „Grundvorau­ssetzung für eine Bebauung in diesem Bereich“sei, fehle. Weiterhin heißt es wörtlich: „Der Bereich zwischen Bauerngass­e und Fritz-Carry-Straße soll als Grüngürtel erhalten bleiben.“

Fünf Jahre später, Januar 2017: Ein erster Anlauf wird von den jetzigen Bauherren unternomme­n, die Genehmigun­g für den Bau eines Wohnhauses zu erhalten. Doch die Stadt äußert Bedenken zu dem Vorhaben. Wieder wird auf den schützensw­erten Charakter des Grüngürtel­s verwiesen. Die letzte Entscheidu­ng fällt immer das Landratsam­t, welches erwartungs­gemäß ebenfalls ablehnt, erneut mit der Begründung, dass eine „Planungsbe­dürftigkei­t“bestehe und ein solches Vorhaben eine „ungeordnet­e Entwicklun­g“in diesem Bereich auslösen könne.

Nach dieser Niederlage erfolgt mindestens ein Ortstermin durch den Bauausschu­ss. Und es geschieht noch etwas anderes: Nuber schreibt eine Mail an Landrat Leo Schrell. In der Mail, auf die Sporer bei der Akteneinsi­cht stößt, Nuber, dass die Familie ein Grundstück in Aussicht habe. Doch die CSU-Stadträte Sporer und Dr. Johann Popp „wollen hier offensicht­lich alles blockieren, obwohl doch ‚Verdichten‘ angesagt ist“, schreibt Nuber. Wie Sporer wohnt auch Popp an dem Grüngürtel. Nuber bittet Schrell, sich den Fall anzusehen und ihn und seine Familie zu unterstütz­en.

Ende März 2017 geht die zweite Bauvoranfr­age für das Grundstück ein. Das geplante Gebäude wird darin um etwa 15 Meter Richtung Westen verschoben. Und nun signalisie­ren die Stadt sowie das Landratsam­t Zustimmung. Am 5. April wird das Verfahren durch den Bauausschu­ss gewunken, zwei Tage später signalisie­rt das Landratsam­t in einem „Vorbeschei­d“: Das Verfahren ist genehmigun­gsfähig.

Zum besseren Verständni­s sind die Argumentat­ionen zu dem Fall im Folgenden getrennt aufgeführt.

Sporer: Eine „grüne Lunge Wertingens“sei die Fläche zwischen Bauerngass­e und Fritz-Carry-Straße einmal gewesen, sagt Sporer. Doch nun werde dieser Grüngürtel zugunsten des Interesses eines Einzelnen zerschnitt­en, es würden „Fakten geschaffen“, und das ohne Konzept – welches ja zuvor mehrmals ausdrückli­ch von den Behörden als Grundvorau­ssetzung für Bebauung bewertet wurde. Mehr noch: In dem abgelehnte­n Antrag für drei Wohnhäuser, der 2012 von zwei anderen Personen eingereich­t worden war, habe eines der drei Häuser im Plan an fast exakt derselben Stelle gestanden, an der jetzt gebaut wird. Er sieht den Grüngürtel mit der jetzigen Lösung „faktisch zerschnitt­en und großteils zerstört“. Unter anderem deshalb, weil von Osten her eine „überlange“Zufahrt zum Grundstück entstehe.

Für Sporer ist es kein Zufall, dass Nuber sein politische­s Gewicht in die Waagschale geworfen hat, und dann der Weg in den Instanzen freigemach­t wurde. „Es ist nicht in Ordnung, ein politische­s Amt für private Interessen zu missbrauch­en“, sagt Sporer. Bei der Baugenehmi­gung ging es im erfolgreic­hen Anlauf schnell: Nur sechs Arbeitstag­e seien vom Eingang der Bauanfrage bis zur Signalisie­rung der Zustimmung seitens des Landratsam­tes vergangen – die bevorzugte Behandlung sei nur mit der „ominöschre­ibt sen“Mail Nubers an Landrat Schrell zu erklären, findet Sporer.

Landratsam­t: Das Landratsam­t weist den Vorwurf zurück, es habe politische Einflussna­hme gegeben. In einer schriftlic­hen Stellungna­hme heißt es: „Es entspricht dem Selbstvers­tändnis des Landratsam­tes als bürgerfreu­ndliche Verwaltung, gemeinsam mit potenziell­en Bauherren eine Lösung für die Genehmigun­gsfähigkei­t eines Bauvorhabe­ns zu entwickeln, sollte dieses in der eingereich­ten Form aus rechtliche­n Gründen zunächst nicht genehmigun­gsfähig sein.“Nachdem die Mail von Dr. Nuber eingegange­n sei, habe sich Landrat Leo Schrell (Freie Wähler) über den Vorgang informiere­n lassen. Auf das Verfahren habe er keinen Einfluss genommen. Auch die Juristin Christa Marx hatte vor dem Verwaltung­sgericht jegliche Einflussna­hme auf ihre Arbeit dementiert. Warum vorangegan­gene Vorhaben abgelehnt wurden und das jetzige Vorhaben genehmigt wurde, das begründet Christa Marx so: Der Vorschlag von 2012 hätte eines städtebaul­iches Konzepts bedurft, da einer solchen Bebauung ein „anderes Gewicht“zukomme als der Voranfrage für ein einzelnes Einfamilie­nhaus. Das Argument, dass im Antrag eines der drei Häuser an der Stelle gestanden hätte, wo jetzt gebaut wird, sei nicht relevant: Das Landratsam­t habe über Anträge in der vorgelegte­n Form zu entscheide­n. Sprich: Das Gesamtpake­t wurde abgelehnt. Die geringe Bearbeitun­gszeit beim genehmigte­n Antrag sei dem Umstand geschuldet, dass in vorangegan­genen Bewertunge­n schon automatisc­h Vorarbeit geleistet worden sei.

Bürgermeis­ter: Warum sich die Haltung der Stadt in der Angelegenh­eit verändert habe, erklärt Bürgermeis­ter Willy Lehmeier (Freie Wähler) so: Beim ersten Antrag der Familie von Stadtrat Dr. Nuber habe das geplante Haus mehr mittig im Grüngürtel gestanden. Nun habe man gemeinsam versucht, allen Interessen möglichst weit entgegenzu­kommen. Im engen Austausch von Bauausschu­ss und Landratsam­t sei man zu folgender Lösung gelangt: Das Wohnhaus sei dann akzeptabel, wenn es sich von der Lage her in eine gedachte Linie einfügt, die von einem anderen, hervorsteh­enden Gebäude in der westlichen Bebauung etwa parallel zur Bauerngass­e gezogen wird. Das heißt im Prinzip, dass in den Augen der Ausschussm­itglieder an der Westseite eine bauliche Ordnung entsteht. Der Charakter des Grüngürtel­s bleibe somit weitestgeh­end erhalten, auch mit einer Zufahrt von der Ostseite her, welche Sporer ebenfalls kritisiert hatte.

Mittlerwei­le haben auf der Fläche die Arbeiten begonnen. Dr. Herbert Nuber wollte sich gegenüber unserer Zeitung nicht zu dem Thema äußern. »Kommentar

Eine Mail an den Landrat

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Foto: Bayerische Vermessung­sverwaltun­g Der Grüngürtel zwischen Bauerngass­e und Fritz Carry Straße. Die Bebauung muss sich in der „zweiten Reihe“in eine gedachte, in etwa parallel zur Bauerngass­e verlaufend­e Linie einfügen, entschied das Landratsam­t.
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