Im Bordell ausgebeutet
Bei einer Großrazzia gegen ein bundesweites Netzwerk gibt es mehr als 100 Festnahmen. Wie die Bande Menschen aus Thailand nach Deutschland lockte
Siegen/Frankfurt Mit ihrer bisher größten Razzia hat die Bundespolizei ein illegal agierendes BordellNetzwerk zerschlagen, dessen Drahtzieher hunderte Menschen aus Thailand nach Deutschland geholt haben sollen. Etwa 1500 Beamte durchsuchten am Mittwoch 62 Bordelle und Wohnungen in zwölf Bundesländern. Mehr als 100 Personen wurden vorläufig festgenommen und sieben Haftbefehle vollstreckt, sagte ein Sprecher der Bundespolizei im nordrhein-westfälischen Siegen. Unter Beteiligung der Spezialeinheit GSG 9 nahmen Polizisten die Hauptverdächtigen fest, eine 59-jährige thailändische Staatsangehörige und ihren 62-jährigen deutschen Lebensgefährten.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nannte die Großrazzia einen beispiellosen Schlag gegen „ein bundesweit verzweigtes Netzwerk“. Viele hundert Menschen seien der menschenverachtenden grenzenlosen Profitgier von Schleusern über Jahre und Landesgrenzen hinweg ausgeliefert gewesen. „Diesem skrupellosen Vorgehen und der sexuellen Ausbeutung in einem abscheulichen Ausmaß konnte heute ein Ende gesetzt werden.“
Alles dreckig, voller Gerümpel, abstoßend – so schildert die Polizei ein Bordell in Siegen, das wohl so etwas wie das Hauptquartier der kriminellen Bande war. „Das geht einem schon sehr nahe, in welchen Verhältnissen die Frauen da hausen mussten“, sagt Polizistin Martina Dressler. Genau hier landeten wohl viele der Prostituierten, die von der Hauptbeschuldigten mit Helfern in Thailand angeworben und mit erschlichenen Touristen-Visa ausgestattet wurden. Im Fokus der Kri- standen nach Erkenntnissen der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main bevorzugt Transsexuelle, die mit hohen Verdienstmöglichkeiten als Prostituierte nach Europa gelockt worden seien. In Deutschland angekommen, sollen die Angeworbenen zunächst überwiegend in drei Bordellen in Siegen der Prostitution nachgegangen sein, die seit 2006 von der 59-Jährigen und ihrem Lebensgefährten betrieben wurden. Die Einnahmen sollen von der Hauptbeschuldigten zunächst vollständig einbehalten worden sein – zur Begleichung der angeblichen Schleusungskosten von bis zu 36 000 Euro, für Miete und Verpflegung. „Nach einer gewissen Verweildauer in den Siegener Bordellbetrieben sollen die Prostituierten in einer Art Rotationsprinzip in andere Bordellbetriebe des Netzwerks im gesamten Bundesgebiet verbracht worden sein“, erläuterte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Auch später soll die Hauptbeschuldigte dann einen Großteil der Einnahmen der Prostituierten über die örtlichen Bordellbetreiber erhalten haben.
Das Ermittlungsverfahren der Generalstaatsanwaltschaft wird wegen des Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern, der gewerbs- und banminellen denmäßigen Zwangsprostitution und der Zuhälterei geführt. In den Ermittlungen wird zudem dem Verdacht des Vorenthaltens und des Veruntreuens von Arbeitsentgelt nachgegangen. Die Hauptverdächtigen sollen die in den Bordellen in Siegen beschäftigten Prostituierten und weitere Mitarbeiter nicht zur Sozialversicherung angemeldet und von Juli 2012 bis Dezember 2017 keine Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung an die Krankenkassen abgeführt haben. Der Sozialversicherung soll so allein in den drei Siegener Bordellen ein Schaden von 1,6 Millionen Euro entstanden sein. (dpa)