Immer wieder auf der Straße
Als Country-Rocker lohnt es sich, 85 zu werden. Weil Willie Nelsons Familie arm war, bekam er eine Gitarre und kein Pferd. „Trigger“wurde seine Liebe
Keiner lächelt sich so schön in seine Lieder rein, wobei man nie genau weiß, ob seine Entspanntheit vom Marihuana kommt, seiner Lust, mit den zahlreichen Spezln der Countrymusic auf der Bühne zu stehen oder mit zunehmendem Alter musikalisch immer interessanter zu werden. Willie Nelson, der am Sonntag 85 Jahre alt wird, ist der letzte große Überlebende einer Veteranenszene, in der die Songmuster ein für alle Mal feststehen: Der Westerner hängt über der Bar, philosophiert in sein Dünnbierglas, derweil das Cowgirl mitsamt seinem Truck verschwunden ist.
So tröstet er sich beim Viehtreck und dem Spiel auf der Gitarre. Die heißt seit fast 50 Jahren „Trigger“, wie der sagenhafte Gaul des Western-Darstellers Roy Rogers halt auch. Heute kommt Willie Nelsons CD „Last Man Standing“auf den Markt. Schon kursieren Witze, ob es sich nun um Album Nummer 759 oder 968 handelt. Fakt ist, dass der „letzte Aufrechte“jede Menge Deutungen zulässt bis zur Vermutung, das sei ein Hinweis auf ein japanisch-italienisches ActionSpektakel mit Bruce Willis als Killer.
Dabei handelt es sich bei dem neuen Werk des liberalen Texaners eher um Liebeserklärungen an Kollegen, die vor ihm den Weg in den Country-Himmel gefunden haben: Johnny Cash, June Carter, Glen Campbell und besonders Merle Haggard, mit dem ihn eine Freundschaft verband. Dass Nelson keine Zierde der Sangeszunft ist, weiß er wohl selbst. Seine Stimme bröselt, er näselt und klingt alles andere als geschmeidig. Aber der Nashville-Kritiker, der stetig die Lieder von begabteren Autoren nachgesungen hat, überzeugt im Alter auch als Songschreiber. Beispielsweise mit dem Album „God’s Problem Child“und dem sogar in Deutschland erfolgreichen „Band Of Brothers“. Fragt man allerdings in einer x-beliebigen Quizrunde nach dem Titel eines Willie-Nelson-Hits, kommt meist die Antwort „On The Road Again“, weil die Nummer genauso klingt wie sich Mäxchen Amerika vorstellt. Ohne daran zu denken, dass der Meister das Lied im Flieger auf der Spucktüte festgehalten hat. Der sinniert wenig hittauglich in „Last Man Standing“lieber über seine mögliche Wiedergeburt als Adler hoch in den Lüften.
Das geflochtene Haar des viermal verheirateten Country-Hippies hatte ein Fan 2014 bei einer Auktion für umgerechnet 31000 Euro erstanden. Nelsons Musik mag konventionell sein, hat aber nichts Zopfiges. Kurios ist die Story hinter der Klampfe „Trigger“. Wie in seiner Biografie zu lesen ist, war Willie Nelsons Familie zu arm, um dem damals Sechsjährigen das ersehnte Pferd kaufen zu können. Stattdessen gab es eine Gitarre, die auch als Nachfolgemodell 1969 ihren Namen „Trigger“behielt. Rupert Huber