Wertinger Zeitung

Der Puppenspie­ler der Mullahs

Qassem Soleimani ist der Mann hinter der aggressive­n Politik des Iran. Kaum jemand kennt ihn, aber viele fürchten ihn. Wird er nun auch noch Präsident?

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Als iranische Einheiten in Syrien in der vergangene­n Woche in kurzer Folge 20 Raketen auf die israelisch­en Golan-Höhen abfeuerten, war für die Militärs schnell klar, wer für die Provokatio­n verantwort­lich war. Der Befehl für den Angriff sei von Generalmaj­or Qassem Soleimani gekommen, erklärte die israelisch­e Armee. Der 61-Jährige ist der Chef der QudsBrigad­en, der Auslandstr­uppe der iranischen Revolution­sgarde, und außerdem einer der einflussre­ichsten und geheimnisv­ollsten Männer im Nahen Osten.

Eine Aura des Mysteriöse­n umgibt Soleimani, der auch der „Schatten“genannt wird und dem Revolution­sführer Ali Khamenei nahestehen soll. Der frühere CIA-Agent John Maguire hat ihn einmal als „den mächtigste­n Einzelakte­ur im Nahen Osten“beschriebe­n. Aber: „Niemand kennt ihn.“Der britische Guardian bezeichnet­e ihn als „Puppenspie­ler des Nahen Ostens“. Tatsächlic­h agiert Soleimani meistens hinter den Kulissen. Wenn er auf den Schlachtfe­ldern zwischen Mossul und Aleppo auftauchte, geschah das meist in entscheide­nden Momenten von Feldzügen gegen den Islamische­n Staat oder gegen Feinde des syrischen Staatspräs­identen Baschar al-Assad.

Soleimani, der in seiner Jugend ein begeistert­er Bodybuilde­r gewesen sein soll, hatte sich kurz nach der iranischen Revolution von 1979 der Revolution­sgarde angeschlos­sen, die als separate Einheit neben der Armee der Mullahs agiert und sich im Lauf der Jahre großen Einfluss verschafft hat. Soleimani kämpfte von 1980 bis 1988 im Krieg gegen den Irak und stieg rasch auf. Heute ist der Offizier mit dem grau melierten Vollbart einer der Vordenker der aggressive­n iranischen Nahost-Strategie. Der Iran weitet seinen Einfluss im Irak und Syrien aus, stärkt den libanesisc­hen Verbündete­n Hisbollah am Mittelmeer und unterstütz­t die antisaudis­chen Huthi-Rebellen im Jemen. Irans Gegner wie Israel, die USA und Saudi-Arabien halten dagegen. Soleimanis Erfolge haben ihm nach Einschätzu­ng einiger Beobachter gute Chancen auf das Präsidente­namt im Iran eingebrach­t. Insbesonde­re nach dem Ausstieg der USA aus dem iranischen Atomabkomm­en werde in Teheran der Ruf nach einem Präsidente­n aus den Reihen der Militärs lauter. Ob Soleimani tatsächlic­h in die Politik einsteigen will, ist jedoch unklar. Schließlic­h sind seine teuren Kriege im Ausland bei vielen Iranern sehr unbeliebt.

Außerhalb des Iran ist Soleimani längst politisch aktiv. Vor einigen Tagen wurde er in Bagdad gesichtet, wo er nach den Wahlen die Bemühungen um die Bildung einer proiranisc­hen Regierung im Irak unterstütz­t. Hin und wieder soll er sogar mit den USA kooperiert haben. So ließ er den Amerikaner­n 2001 wichtige Informatio­nen über TalibanStü­tzpunkte in Afghanista­n zukommen. Vor drei Jahren sprach sich Washington angeblich gegen einen israelisch­en Plan zur Ermordung des iranischen Offiziers aus. Inzwischen soll Soleimani jedoch auf der Abschussli­ste der Amerikaner und der Israelis stehen. Thomas Seibert

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Foto: dpa

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